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Eine
Infrastruktur besitzt vor allem dann
eine systemische Kritikalität, wenn sie aufgrund ihrer strukturellen,
funktionellen
und technischen Positionierung im Gesamtsystem der Infrastrukturbereiche
von
besonders hoher interdependenter Relevanz ist. Beispiele dafür sind die
Elektrizitäts- sowie Informations- und
Telekommunikationsinfrastrukturen, die
aufgrund ihrer Vernetzungsgröße und Vernetzungsstärke besonders relevant
sind und bei großflächigem und lange anhaltendem Ausfall zu gravierenden
Störungen der gesellschaftlichen Abläufe sowie der öffentlichen
Sicherheit führen
können. (S. 7)
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Kriminelle
Handlungen, technisches bzw. menschliches
Versagen oder organisatorische Mängel gefährden die Funktionsfähigkeit
dieser
für moderne Gesellschaften und ihre Betriebsabläufe unverzichtbaren
Infrastruktur,
deren Störung oder Ausfall aufgrund der Interdependenzen weit reichende
Folgen nach sich ziehen kann. (S. 9)
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Der
Nationale Plan zum Schutz der Informationsinfrastrukturen - NPSI
(1)
- stammt bereits aus dem August 2005 und seither widmet sich die
BSI
dem Schutz
Kritischer Infrastrukturen
(2).
Ein Ergebnis davon ist die Nationale Strategie zum Schutz Kritischer
Infrastrukturen - KRITIS-Strategie
(3),
die jetzt vom Bundeskabinett verabschiedet worden ist
(4).
Die "Strategie" unterscheidet zwischen der systemischen und der
symbolischen Kritikalität (S. 7), wobei erstere die gesellschaftliche
Organisation unmittelbar bedroht (Versorgung mit Dienstleistungen) und die symbolische das psychologische
Klima beeinträchtigt (z.B. Gesundheits- und Finanzwesen sowie Medien).
Wegen der Ursachen unterscheidet sie schließlich zwischen
Naturkatastrophen, organisatorischen Mängeln (Verfügbarkeit,
Beherrschbarkeit, Kontrolle) und äußeren Gewaltaktionen
(All-Gefahren-Ansatz, S. 9).
Die
Lösung, die die "Strategie" präsentiert, wirkt hingegen hilflos und
kurzatmig (S. 12):
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eine vertrauensvolle Kooperation zwischen Staat und
Wirtschaft auf allen
Ebenen und
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die Erforderlichkeit, Geeignetheit und
Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen
und des Mitteleinsatzes zur Erhöhung des Schutzniveaus. |
Die
Partnerschaften sollen der Sicherheitsanalyse, der Prävention, den
Schulungen und Übungen sowie der Reaktion auf Störungen dienen (S. 12)
und seitens der Wirtschaft vor allem durch
Selbstverpflichtungserklärungen abgedeckt werden.
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Selbstverpflichtungen werden entweder aus Not (Selbsterkenntnis), unter
Drohungen (mit Sanktionen und gesetzlichen Regelungen) oder mit der
Absicht erklärt, den Partner zu schröpfen.
Das Wissen, das das BSI zur Verfügung stellen kann, ist gewaltig und
für wirtschaftliche Interessensgruppen sicherlich interessant. Ihr
Interesse richtet sich jedoch auf die Segmente, in denen sie tätig sind
und erfolgreich bleiben wollen. Darin unterscheiden sie sich vom Staat
und dem BSI, die die gesellschaftliche und staatliche Gesamtorganisation
vor Augen haben müssen. Das kann leicht dazu führen, dass die Wirtschaft
die Rosinen pickt und der Staat die Kosten trägt.
Meine
Zweifel beruhen darauf, dass das Eigentum zwar verpflichtet (
Art. 14 Abs. 2 GG), wirtschaftliche Organisationen aber so gut wie
nie andere als eigene Interessen auf ihre Fahnen geschrieben haben.
Ökonomie und Altruismus schließen sich aus und lassen allenfalls
Randunschärfen zu.
Der Schutz Kritischer Infrastrukturen als Gesamtkonzept wird sich
deshalb nur dann durchsetzen lassen, wenn der Staat bereit ist, seine
Grundlinie einzuhalten, nötigenfalls zu regulieren und keine faulen
Kompromisse einzugehen.
Die
Kehrseite davon ist die, dass auch der Staat Kritische Infrastrukturen
betreibt und für deren nachhaltige Sicherung in die Tasche greifen
müsste. Dort, wo bislang nur der laufende Betrieb gesichert ist, müssen
für die Zukunftssicherung weitere sachliche und personelle Mittel
aufgebracht werden. Wo die herkommen sollen, nachdem zunächst die
symbolisch kritische, aber laut klagende Finanzwirtschaft
gefördert wird, verbleibt unklar.
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