Cybercrime | Ermittlungen | TK & Internet | Literatur | intern | Impressum |
November 2010 |
|
|
|||||||
Piraten vor Gericht in Hamburg |
|
Man hätte es ahnen müssen: Anwälte und Menschenrechtsaktivisten kritisieren allerdings das Verfahren und werfen rechtliche und politische Fragen auf. Ach ja? Die erste Frage gilt dem Lebensalter der Beschuldigten. Einer will 13 Jahre alt gewesen sein und wäre deshalb schuldunmündig. Nach einer medizinischen Untersuchung könnte er sich als achtzehnjähriger Heranwachsender herausstellen. Dasselbe gilt für einen angeblich Sechzehnjährigen sowie für einen nach eigenen Angaben Neunzehnjährigen, der womöglich schon 21 Jahre alt ist. Die Untersuchungsmethode ist natürlich sehr umstritten und Pro Asyl protestiert seit vielen Jahren gegen die zunehmende Praxis der Altersfestlegungen. Wow!
Eine
namentlich genannte Verteidigerin kommt auf eine ganz tolle Idee: Die
Gefangenen seien nicht binnen 48 Stunden einem Haftrichter vorgeführt
worden und müssten deshalb freigelassen werden! Jawoll! In der
Somalischen See befindet sich bekanntlich hinter jeder dritten
Meereswelle eine Insel mit zwei Bergen und einem deutschen Haftrichter.
Und das deutsche Strafverfahrensrecht gilt auch im Rahmen einer von den
Vereinten Nationen beschlossenen militärischen Aktion. Man lernt nicht
aus! |
Zudem sei die Anklage der Staatsanwaltschaft viel zu nüchtern. Das soziale Elend und der Hunger in Somalia könne nicht in einem deutschen Gerichtssaal verhandelt werden, meint dieselbe Anwältin. Jo, dem kann abgeholfen werden. Dazu engagieren wir Ina Müller und ihren Shanty-Chor "De Tampentrekker" und die singen uns 'was von des "toten Manns Kiste", andere Piratenlieder und schließlich das Lummerlandlied, wobei das Gericht auftritt. Das Ganze verlegen wir über den nördlichen Polarkreis, wo bis zum nächsten Tag ( § 114b Abs. 2 Nr. 1 StPO) mindestens ein halbes Jahr vergeht - damit der Haftrichter pünktlich ankommt.
Apropos:
Auf unter deutscher Flagge fahrenden Schiffen gilt das deutsche
Strafrecht ( § 4
StGB) und im übrigen auch, wenn sich die Tat gegen einen Deutschen
richtet (
§ 7 Abs. 1 StGB). Wegen des Festnahmerechts in Bezug auf Piraten
gilt Art. 105 des Seerechtsübereinkommens
(1)
in Verbindung mit dem Festnahmerecht aus
§ 127 Abs. 1 StPO
(2).
Für alle übrigen Vorschriften der StPO gilt das Territorialprinzip, also
die Formvorschriften erst ab Grenzübertritt. |
||
Anmerkungen | ||||
(2) Robert Esser, Sebastian Fischer, Festnahme von Piraterieverdächtigen auf Hoher See. Geltung des § 127 StPO im Rahmen der Operation Atalanta, 30.12.2009
(3)
Anke
Schwarzer, Mutmaßliche Piraten aus Somalia vor Gericht
in Hamburg, Telepolis 21.11.2010 |
|
|||
Cyberfahnder | ||||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |