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11-02-01

In der Hochzeit der Dialer erfand ich den "Wäh!". Er ist der Bürger, der
entweder entrüstet, erbost, verzweifelt oder fordernd bei der Polizei
erscheint, weil seine Telefonrechnung horrende Forderungen gegen ihn
erhebt. Sie enthielt Inkasso-Forderungen aus der Anwahl von
instinktorientierten oder schlicht nichts gebenden
0190-0-Mehrwertdiensten, die der "Wäh!" nie angerufen oder von seinem PC
aus aufgerufen haben will
(1).
Eine erkleckliche Anzahl dieser Strafanzeigen waren dem Ehefrieden
geschuldet, die meisten gingen jedoch auf Betrug zurück. Schon damals,
also bis 2003, gab es intelligente Malware, die die Zugänge zum Internet
zu teuren Diensten verbogen und sich sogar geschickt tarnten, indem sie
ihre Form veränderten. Aus einer hinterhältigen Automatik wurde auch
'mal ein honoriges Programm, das zur Tarnung beim neuen Aufruf seine
Funktionen genau beschrieb und die Auswirkungen offenbarte.
Der "Wäh!" ist nicht selten ein scheinheiliges Ferkel, aber ganz
überwiegend ein Betrugsopfer. Daran hat sich nichts geändert, auch nicht
daran, dass dem "Wäh!" verfassungsrechtlicher Schutz zusteht.
Twister kennt den "Wäh!" nicht - oder verdrängt ihn
(2).
Sonst würde sie sich nicht so konsequent gegen die
Vorratsdatenspeicherung aussprechen. Wobei die Diskussion sowieso
falsche Begriffe verwendet.
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Es geht zunächst um die Realisierung von Auskünften über
Bestandsdaten von den Providern und darum, dass der "Wäh!" die Chance
bekommt, sich gegen unberechtigte Forderungen und andere Angriffe gegen
sein Privatleben zu wehren. Damit verbunden ist weniger die Frage nach
einer staatlich angeordneten Speicherverpflichtung für Verkehrsdaten
gegen die Zugangs- und Hostprovider, sondern gegen den Datenschutz, der
Datensparsamkeit und Löschung fordert. In den vielfach gelobten USA gibt
es diesen Datenschutz nicht. Dort funktioniert auch Quickfreeze und die
rückwirkende Identifikation von böswilligen Angriffen und Schädigungen.
Vielfach vergessen wird: Nicht der Staat speichert. Ihm und den
Privatmenschen werden durch die Pflicht zur Datenspeicherung definierte
und begrenzte Zugriffsrechte gegeben und überhaupt ermöglicht.
So verstanden geht es bei der Vorratsdatenspeicherung vorrangig um
die Begrenzung eines entgegen stehenden und zweckwidrig überschießenden
Datenschutzes. Das BVerfG hat sich positioniert und hält eine
sechsmonatige Speicherung für verfassungskonform. Insoweit ist das, was
mir auch im Gästebuch vorgeworfen wird, mir seien
Gesetze
und Bürgerrechte weitestgehend egal, schlichter und kränkender
Unsinn. Wie und unter welchen Voraussetzungen auf die gespeicherten
Daten zugegriffen werden darf und wie Missbrauch vermieden werden kann,
sind nachfolgende Fragen - wichtige Fragen, die gelöst werden müssen. Zu
diesen Fragen gehört es auch, unter welchen Voraussetzungen
überschießende Verkehrsdaten vom Staat zu Auswertungszwecken
eingefordert werden dürfen. Sie sind jedoch gegenüber der
Grundsatzfrage, wie lange Verkehrsdaten verfügbar sind und sein müssen,
äußerst nachrangig.
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