Quick freeze und Augenwischerei
Vollmundig hat das BMJ
den Gesetzentwurf zur Neufassung der Vorratsdatenspeicherung vorgelegt, der
unter anderem die
Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften verspricht
(1). Dazu sollen die
Zugangsprovider die Verkehrsdaten sieben Tage lang speichern.
Damit ist allenfalls den rührigen Abmahnern geholfen, die die
FileSharing-Dienste beobachten, nicht aber dem Normalbürger, der erst
deutlich später bemerkt, dass er das Opfer einer Straftat oder einer anderen
Verletzung im Internet geworden
ist
(2).
Die rückwirkende Aufklärung von Straftaten kann das neue Gesetz nicht
garantieren. Dazu bedürfte es einer deutlich längeren Speicherdauer.
Sollbruchstellen
Überraschend ist, dass der Entwurf des neuen § 100j StPO keine Beschränkungen wegen der
vorausgesetzten Schwere der Kriminalität bestimmt. Das verlangt hingegen das
BVerfG beim unmittelbaren Zugriff auf Verkehrsdaten
(3). Ein Richtervorbehalt ist ebenfalls nicht vorgesehen.
Stellt man außerdem in Rechnung, dass eine Spreicherfrist von nur 7 Tagen
ungeeignet ist, schwerwiegende Straftaten aus der nahen Vergangenheit
aufzuklären, so findet die in der Speicherpflicht bestehende
Grundrechtseinschränkung keine Entsprechung in der verfassungsrechtlich
gebotenen
Rechtsstaatsgewährung. Das dürfte das BVerfG bei einer neuen Überprüfung
nicht mitmachen.
Schüsse nach hinten
Mit dem Gesetzentwurf wird genau das erstrebt, was ich befürchtet habe
(4). Die Strafverfolgungsbehörden werden unter einen ganz erheblichen
Entscheidungsdruck gesetzt. Er führt im Zweifel dazu, dass sie vorschnell
Bestands- und Verkehrsdaten sichern und erheben müssen, bevor durch andere
Ermittlungen geklärt ist, ob sie überhaupt erforderlich sind. Der Grund
dafür sind die klaren Anweisungen des Gesetzgebers im Zusammenhang mit "verderblichen"
Beweismitteln: Die
Staatsanwaltschaft hat für die Erhebung der Beweise Sorge zu tragen,
deren Verlust zu besorgen ist (
§ 160 Abs. 2 StPO), und selbst der unzuständige Staatsanwalt muss
innerhalb seines Bezirks alle Amtshandlungen ausüben, bei denen Gefahr
im Verzug ist (
§ 143 Abs. 2 GVG)
(5).
In Bezug auf die Auskunftspflichten für die Zukunft ist eine absolute
Beschränkung auf 2 Monate vorgesehen. Das ist strenger als beim großen
Lauschangriff
Daneben wartet der Entwurf mit kleinen Gehässigkeiten auf. Während das
BVerfG keinen grundrechtsrelevanten Eingriff in einer Bestandsdatenauskunft
sieht, verlangt der Entwurf in § 100k StPO jetzt einen Jahresbericht wegen
der Bestandsauskünfte im Zusammenhang mit Internetadressen. Die damit
verbundenen Kosten im Vollzugsaufwand werden verschwiegen. Dagegen werden die
Kostenansprüche zugunsten der auskunftspflichtigen Provider recht
zuvorkommend gestaltet. Von ihrer Seite aus sind keine Klagen zu befürchten.
Fazit
Der Entwurf nutzt den Abmahnern und den auskunftspflichtigen Providern, die
bereits jetzt monatlich rund 300.000 Bestandsdatenauskünfte zur Verfolgung
gewerblicher Schutzrechte erteilen
(6). Die
rechtstaatliche Gewährung der Strafverfolgung wird im Hinblick auf die
mehr als 7 Tage zurückliegenden Kriminalität ausgeschlossen und auch in
Bezug auf die Zukunft stark eingeschränkt. Man könnte den Eindruck bekommen,
dass er von einem starken Misstrauen gegen die Strafverfolgung geprägt ist,
die mit starken Formvorschriften gegängelt und von ihrer Kernaufgabe
abgehalten werden soll.
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