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August 2010
15.08.2010 10-08-12 Scareware
15.08.2010 Meldungen
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Scareware und organisierte Cybercrime virtuelle Nachlassverwalter

 
Trotz der tausenden Falschalarm-Produkte konnte McAfee Labs bislang nur sehr wenige (30 bis 50) Scareware-Anbieter ausmachen. Die Entwickler gründen zahlreiche Ableger und arbeiten mit Partnern zusammen, um ihre Spuren zu verwischen und die Umsätze zu erhöhen. Bei einer Analyse von 2.000 Produkten konnten die Anbieter in allen Fällen ermittelt werden.
Häufig arbeiten Scareware-Anbieter vollkommen öffentlich. Einige sind sogar dreist genug, um Profile bei LinkedIn zu erstellen. Wenn der Druck zu groß wird, machen sie einfach eine „neue“ Firma auf. Um die Umsätze zu steigern, werben die Scareware-Anbieter Partner an und versprechen ihnen hohe Kommissionen mit bis zu 75 Prozent des Verkaufspreises.
Ein Kollege aus der Sicherheitsbranche beobachtete sechs Monate lang die Produktionsserver eines der größten Scareware-Anbieter. In nur 10 Tagen verzeichnete er 4 Millionen Downloads (d. h. 4 Millionen Scareware-Infektionen). Dabei handelte es sich nur um ein Unternehmen, und einige Opfer könnten auch auf andere Anbieter hereingefallen sein. Hochgerechnet lassen diese Zahlen den Schluss zu, dass weltweit täglich möglicherweise etwa 1 Million Menschen Opfer von Scareware-Betrug werden.
Diese Downloads erfolgen nicht immer absichtlich. Dennoch erhielt der Scareware-Anbieter innerhalb von 11 Monaten mehr als 4,5 Millionen echte Bestellungen von Benutzern. Angesichts dieser Zahlen können wir davon ausgehen, dass der Jahresumsatz dieser Firma bei mehr als 180 Millionen US-Dollar liegt.
Dabei verkaufen diese Firmen sogar noch mehr als Scareware. Sie bieten viele andere gefälschte Produkte an (Multimedia-Software, Fitness-Software, Familien-Software u. a.) und verbreiten Pornografie. Der tatsächliche Umsatz liegt also noch weitaus höher. (1)
 

 
Ausführlich berichtete McAfee im Bedrohungsbericht für das erste Quartal 2010 über den rapiden Anstieg der Scareware (1). Dabei handelt es sich um gefälschte Sicherheits- bzw. Virenschutzsoftware, die den Befall des Rechners mit Malware meldet und für teures Geld Abhilfe durch einen Download verspricht (1a). Das damit verbundene Programm stellt den Alarm ab.

Die Masche ist schon älter (2). Uli Ries berichtet in der Zeitschrift über die gewerblichen Strukturen, auf denen die Scareware-Anbieter inzwischen aufbauen (3):

Innovative Marketing, das laut Kolberg knapp 700 feste Mitarbeiter beschäftigt, unterhält inzwischen eigene Support-Center. Deutschsprachige Helfer ... am Ende der Leitung inklusive. Dem Akzent der deutschsprachigen Gesprächspartner nach zu urteilen, werden die Call-Center in Osteuropa, wahrscheinlich in Polen, betrieben.

Von Dirk Kolberg entdeckte Mitschnitte einzelner Support-Telefonate belegen, wie die in den Diensten von Innovative Marketing stehenden Hotline-Helfer den Anrufern im Zweifelsfall sogar Schritt für Schritt erklären, wie sie bereits vorhandene legitime Antiviren-Software entfernen. Nach wenigen Minuten ist die Bahn frei und die Scareware lässt sich ohne Warnmeldungen des ehemaligen Virenwächters installieren. (4)

Zur Infiltration der Rechner werden die Wege genommen, die auch für andere Malware genutzt werden. Die gewerbsmäßige Struktur des kriminellen Marktes zeigt sich besonders am Einsatz von Affiliates. Ries: Diese Partner ... kümmern sich um das massenhafte Verbreiten der Scareware - oder besser: das Infizieren von PCs. Pro erfolgreicher Registrierung durch das Opfer bekommen <sie> eine Provision, teilweise bis zu 50 Prozent des Umsatzes. ... Kleinkriminelle mit geringem technischen Wissen ... müssen sich nur eine Kundenkennung beim Scareware-Macher besorgen, anschließend beispielsweise ein Botnet mieten und darüber die Malware verteilen ... (5)
 

10-08-13
Ben Schwan berichtet über die "virtuelle Grabpflege", also über Unternehmen, die sich im Sterbefall um die Auslösung von Konten im Internet und die Sicherung von hinterlassenen Inhalten kümmern (6).
 

kein Tatort Internet

10-08-14
In der Ausgabe 18/2010 hat die Zeitschrift die Serie Tatort Internet leider nicht fortgesetzt. Die Autoren der fünf Beiträge berichteten anschaulich und kompetent über die Funktionsweise und die Tricks üblicher Malware. Tatort Internet (Übersicht)

Dabei wäre die Serie ausbaufähig gewesen, wie der Beitrag links zeigt. Sie hat sich ohne Not auf die Analyse von Malware beschränkt und hätte auch andere Sicherheitsaspekte behandeln können. Schade.
 

sicheres Onlinebanking

10-08-15
Mirko Dölle beschreibt den Einsatz des neuen Bankix in der (7). Dabei handelt es sich um eine auf Linux basierende Betriebsumgebung, die mit einer CD (oder einem anderen externen Datenträger) gestartet wird und keine schreibenden Zugriffe auf den PC zulässt. Dadurch kann sich keine Malware in den Homebanking-Prozess einklinken, die sich bereits auf dem Rechner eingenistet hat oder die sich von außen permanent einnisten will.

Eine absolute Sicherheit bietet Bankix nicht. Gegen Angriffe, die sich nur auf die laufende Session richten und nur den Arbeitsspeicher und die Datenverarbeitung selber ansprechen, ist das Programm nicht gefeit. Dazu müsste sich die Startsequenz der Malware im BIOS oder in dem Datenträger eingenistet haben oder sie von der Webseite der Bank beziehen. Das ist ziemlich unwahrscheinlich.

Alles in allem: Sehr empfohlen!
 

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(1) McAfee Threat-Report: Erstes Quartal 2010, 12.05.2010, S. 23 ;
siehe auch: Verfassungsschutzbericht 2009. Tatort Internet, 26.06.2010.

(1a) Ausführliche Beschreibung bei: Andreas Winterer, Scareware, Rogueware: falsche Antiviren-Tools, scareware.de 15.08.2010

(2) teure Placebo-Software: Scareware, 23.10.2008;
Koobface-Gang antwortet, 23.05.2010

(3) Uli Ries, Geschäft mit der Angst. Betrüger machen Millionen-Gewinne mit Scareware, c't 18/2010, S. 76

(4) Ebenda (3), S. 77.

(5) Ebenda (3), S. 77.
 

 
(6) Ben Schwan, Virtuelle Grabpflege, Technology Review 13.08.2010

(7) Mirko Dölle, Sicheres Online-Banking mit Bankix, c't August 2010
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018