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    Nach den Feststellungen des Landgerichts entstand in der ehemaligen 
		Sowjetunion eine kriminelle Subkultur, die nach ihrer eigenen Ideologie, 
		den sogenannten "Diebesregeln", lebt. Dieses System dehnte sich nach 
		Westen aus und etablierte sich teilweise auch in Deutschland. Die 
		Verbandsstruktur ist regional organisiert und überregional koordiniert. 
		An oberster Stufe steht jeweils ein "Dieb im Gesetz", der diese Stellung 
		mittels "Krönung" durch alle "Diebe im Gesetz" in Moskau erhält. Diesem 
		wird ein bestimmtes Gebiet zugewiesen, in dem sich kein anderer "Dieb im 
		Gesetz" ansiedeln darf. Organisatorische Aufgaben übernehmen als seine 
		unmittelbaren Vertrauenspersonen "Nahestehende", unter denen "Statthalter" 
		oder "Kassenhalter" stehen, welche die untergeordneten Mitglieder zu 
		leiten und Beiträge zur Gemeinschaftskasse einzusammeln und abzuführen 
		haben. Die Willensbildung unterliegt verbindlichen, in der Organisation 
		anerkannten Regeln. Die Verhaltensregeln gebieten den Mitgliedern eine 
		Abschottung nach außen sowie Solidarität nach innen und untersagen 
		jegliche Kooperation mit staatlichen Behörden. Verstöße werden abgestuft 
		sanktioniert. Im Konfliktfall werden höhere Autoritätsstufen angerufen; 
		deren "Schiedssprüche" erkennen die Mitglieder als bindend an und machen 
		sie zur Maxime ihres Handelns. Verbindlich festgelegte Zielsetzung der 
		Organisation ist, bestimmte Straftaten zu begehen und einen Teil der 
		hieraus gewonnenen Erlöse in die Gemeinschaftskasse ("Abschtschjak") zu 
		zahlen. Diese dient der Bereicherung der höherrangigen Mitglieder sowie 
		allgemein der Unterstützung der Mitglieder in besonderen Situationen, 
		etwa im Falle einer Inhaftierung.  (1) 
		 Das LG 
		München I hat ziemlich zugeschlagen und wegen eigentlich nicht besonders 
		schwerer Straftaten insgesamt eine gehörige Freiheitsstrafe ausgeurteilt. Der innere Spannungsbogen in dem BGH-Beschluss 
		ist besonders interessant, weil er die Grundlagen zur Bildung einer 
		kriminellen Vereinigung nach dem System der Diebe im Gesetz bestätigt 
		 (2). 
		Der oberste Dieb sitzt in diesem Fall aber in Spanien und die zentrale 
		Abstimmung zwischen ihm und seinen Gleichgestellten findet in Moskau 
		statt. Die ausführenden Täter unterwerfen sich seiner 
		persönlichen Entscheidungsgewalt und den strukturellen Diebesgesetzen. 
		Sie bilden unter diesem einen Dieb eine selbständige Vereinigung 
		unabhängig von den anderen Dieben im Gesetz und ihren (rituellen) 
		Abstimmungen untereinander. Die Diebesgesetze und ihr Regime gründen 
		in der feudalen Zaren-Herrschaft in Russland und wurden in der 
		Sowjetunion unter Stalin richtig gefördert und etabliert. 
		 Handelt es 
		sich eine inländische oder eine ausländischen kriminelle Vereinigung? Wenn es 
		sich um eine ausländische Vereinigung außerhalb der EU handelt, dann 
		bedarf es zur Strafverfolgung einer speziellen Ermächtigung des 
		Bundesministeriums der Justiz (  § 129b Abs. 1 S. 1 am Ende StGB). Sie fehlte im Ausgangsfall und deshalb ist auch 
		keine Wahlfeststellung möglich gewesen. Eine Wahlfeststellung ermöglicht eine 
		Verurteilung, wenn zwei Strafgesetze einschlägig sind, nicht aber klar 
		ist, welches von beiden. Hat der Täter gestohlen oder gestohlene Sachen 
		weiter verkauft ? (Diebstahl oder Hehlerei) Hat er betrogen oder ist er 
		als Finanzagent tätig geworden ? (Betrug oder Geldwäsche) Wenn die 
		Grundlagen sicher sind, eines von beidem hat der Täter getan, dann kann 
		er wegen des milderen von beiden Delikten verurteilt werden, auch wenn 
		nicht ganz auszuschließen ist, dass auch das schwerere greifen würde. Wenn aber eine der beiden Varianten einer 
		konstitutiven Strafverfolgungsermächtigung unterliegt, dann scheitert 
		die Wahlfeststellung, weil die eine Alternative nicht festgestellt 
		werden darf. Der BGH hat deshalb das angegriffene Urteil aufgehoben - in 
		der zweiten Auflage wird nichts Spektakuläres mehr heraus kommen. 
		 Die Frage 
		nach der geographischen Zuordnung einer Vereinigung orientiert sich an 
		dem Schwerpunkt der Organisationsstruktur ("Verwaltung", für 
		Organisationszwecke genutzte Gebäude, Lager u.a.), der Ort, an dem der 
		Gruppenwille gebildet wird, und der, wo die Ausführungstaten begangen 
		werden. Die inländischen Strukturen belegen jedenfalls keine 
		selbständige inländische Teilorganisation. Sie müsste  ein ausreichendes Maß an organisatorischer Selbständigkeit aufweisen 
		und insbesondere einen eigenen, von der ausländischen (Haupt-) 
		Organisation unabhängigen Willensbildungsprozess vollziehen <Rn 
		21>. Daran fehlt es, wenn die leitenden Diebe bei allen Fragen von 
		besonderer Bedeutung oder im Konfliktfall persönlich einschreiten und 
		entscheiden. 
		 Schließlich 
		wendet sich der BGH auch gegen die Verurteilung der untergeordneten 
		Vereinigungsmitglieder wegen gewerbsmäßigen Handelns <Rn 23>. Dieses 
		Merkmal erfordere  stets Eingenützigkeit; es genügt nicht, wenn eine fordauernde 
		Einnahmequelle allein für Dritte geschaffen werden soll ... Ein bloß 
		mittelbarer Vorteil des Täters reicht zur Begründung der 
		Gewerbsmäßigkeit nur aus, wenn er ohne Weiteres darauf zugreifen kann. 
		Das ist bei der Ablieferung der Beute an den "Abschtschjak" dann nicht 
		der Fall, wenn letztlich nur der leitende Dieb über die Verwendung 
		entscheiden kann. 
		 Selten ist 
		eine Entscheidung des BGH vom Sachverhalt her so spannend und von 
		zeitgeschichtlicher Brisanz wie in dieser Sache. Ich vermute, dass sich 
		die Strafverfolgung und die Rechtsprechung auf die neue Struktur der 
		russischsprachigen Kriminalität erst noch einstellen muss und einen 
		langen Atem brauchen wird. Die angesprochenen Rechtsfragen stellen sich 
		in dieser Form zum ersten Mal. 
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