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Februar 2012 |
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Keine Farce: Besetzungsstreit beim BGH |
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Die VRinBGH Ruth Rissing-van Saan (1) war die Vorsitzende des 2. Strafsenats und ging am 31.01.2011 in den Ruhestand. Seit 2008 ist der Bundesrichter Thomas Fischer (2) ihr Stellvertreter und allseits gehandelter Nachfolger im Senatsvorsitz. Seit der Pensionierung der Vorsitzenden führt Fischer den Senat kommissarisch. Der Präsident des BGH und ihm folgend die Bundesjustizministerin favorisieren einen anderen Nachfolger für Rissing-van Saan, den Bundesrichter Rolf Raum vom 5. Strafsenat mit Sitz in Leipzig (3). Anlass dafür oder Folge davon: Der PräsBGH Tolksdorf (4) wertete die Gesamtbeurteilung Fischers von "besonders gut geeignet" zu nur noch "sehr gut geeignet" ab (5). Damit wäre der Weg für Raum geebnet gewesen. Im Rechts- und vor allem im Rechtsmittelstaat läuft's manchmal anders, als man es plant. Fischer klagte gegen seine neue Beurteilung. Zuständig dafür ist das Verwaltungsgericht Karlsruhe, besetzt mit einfachen Richtern und einem Vorsitzenden, die alle nicht an die Gehaltsklasse der Kollegen vom BGH heranreichen. Wenn es aber um Beurteilungen und Personalangelegenheitengeht, dann handelt auch der Präsident des BGH wie ein normaler Verwaltungsvorstand und dafür ist das Verwaltungsgericht zuständig. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe verpasste dem PräsBGH Ende Oktober 2011 eine laut knallende Ohrfeige (6) und untersagte ihm im Wege der einstweiligen Anordnung ..., die Stelle des Vorsitzenden Richters des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs mit ... Richter am Bundesgerichtshof ... zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist. Der Streitgegenstand ist einzigartig und so wissen wir auch, um wen es geht: PräsBGH Tolksdorf wird vom Eingangsgericht angewiesen, den "Beigeladenen" RiBGH Raum nicht in die Aufgaben eines VRiBGH einzuweisen, solange dem RiBGH Fischer keine neue Beurteilung eröffnet und das Besetzungsverfahren erneut durchgeführt ist. Damit ist der Vorhang zum absurden Theater eröffnet. Vorhang 1: Das VG Karlsruhe hat die Befürchtung: Es spricht nach derzeitiger Sach- und Rechtslage einiges dafür, dass der der Auswahlentscheidung zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilung des Antragstellers Mängel anhaften <Rn 12>. Das zielt gegen das Besetzungsvotum des BMJ: Hinsichtlich der Kriterien „Juristische Fachqualifikation“ und „Breite der wissenschaftlichen Kenntnis“ wurde dem Antragsteller <Fischer> ein leichter Vorsprung gegenüber dem Beigeladenen eingeräumt. Für den Beigeladenen <Raum> wurde im Hinblick auf das Kriterium „Zusammenarbeit im Senat innerhalb des Gerichts unter besonderer Berücksichtigung von Führungsqualifikation und Akzeptanz“ ein deutlicher Vorsprung festgestellt und diese Eigenschaft besonders gewichtet mit der Begründung, dass dieser Bereich wegen der bis in die jüngste Vergangenheit im 2. Strafsenat bestehenden erheblichen Spannungen eine besondere Bedeutung beizumessen sei. Deswegen wurde in der Gesamtschau beider Beurteilungen ein Vorsprung für den Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller festgestellt <ebd.> Noch 2010 hatte der PräsBGH dem Kandidaten Fischer bescheinigt: Ich halte ihn für das Amt eines Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof für besonders geeignet <Rn 16>. Dann wird der Eiertanz des PräsBGH zitiert <Rn 18>: „Grund für meine Zweifel ist, dass seit September 2009 zwei Richter und - im Mai dieses Jahres (gemeint wohl: im Mai 2010) - eine Richterin aus dem 2. Strafsenat ausgeschieden sind, die ihren Wunsch nach einem Senatswechsel maßgeblich auch damit begründet haben, dass sie sich eine Zusammenarbeit mit ... Prof. Dr. ..., zumal mit ihm als Senatsvorsitzenden, nicht vorstellen können. Bei der Bewertung dieser ungewöhnlichen Zusammentreffens von mehreren Wechselwünschen stelle ich einerseits in Rechnung, dass sich der Unmut in seinem Ausmaß zumindest auch durch ein allgemein schwieriges Klima im 2. Strafsenat erklären mag; andererseits, sehe ich aber - auch nach Anhörung von ... Prof. Dr. ... - keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine gemeinsame jeder Substanz entbehrende ‚Mobbing-Aktion‘ mit dem Ziel der Rufschädigung handeln könnte. In jedem Fall vermag ich die Überzeugung von Frau Prof. ... nur mit Einschränkungen zu teilen, dass Herr Prof. Dr. ... bei den 'Kollegen des 2. Strafsenats hohe Wertschätzung genießt' und in der für einen Vorsitzenden Richter wünschenswerten Weise in der Lage ist, sich ‚in soziale oder menschliche Schwierigkeiten und Probleme Anderer hineinzuversetzen und diese mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl zu behandeln.‘ Das Besetzungsverfahren schlummert. Das Präsidium muss eigenverantwortlich über die Geschäftsverteilung des Gerichts entscheiden. Insoweit verlangt das Grundgesetz nach der Gewährleistung des gesetzlichen Richters. Ein Kommissar oder Vertreter kann deshalb nur vorübergehend und nicht auf Dauer die Aufgaben eines Vorsitzenden ausüben. Für die fünf Strafsenate gibt es aber nur vier berufene Vorsitzende Richter. Das führt zum ... Vorhang 2: Das Präsidium des BGH beschließt, dass der Vorsitzende des 4. Strafsenats, VRiBGH Ernemann (7), ab 2012 zugleich auch den Vorsitz des vakanten 2. Strafsenats übernimmt. Die Senate des BGH darf man sich nicht als geschlossene Kleingruppe vorstellen, sondern als Kleinunternehmen, die arbeitsteilig in Sitzgruppen am Recht arbeiten. Den Vorsitz für alle Sitzgruppen übt der Vorsitzende aus. Er sollte, muss aber nicht, selber die Fälle bearbeiten, und muss auf jeden Fall auf die Gradlinigkeit und Kontinuität der Senatsrechtsprechung hinarbeiten. Das ist eine anspruchsvolle und aufwändige Tätigkeit. Kann ein Vorsitzender Richter tatsächlich zwei Strafsenaten mit dem geforderten Einsatz dienen? Ernemann ist auch nicht mehr de Jüngste und wird im Sommer 2012 in den Ruhestand gehen. Die gestellte Frage wird - wie (nicht nur) bei Juristen üblich - ganz unterschiedlich beantwortet. Zunächst einmal haben ganz viele Verteidiger Besetzungsrügen erhoben. Damit kommen wir zum ... Vorhang 3: Ist der 2. Strafsenat überhaupt noch entscheidungsfähig, obwohl er keinen eigenen Vorsitzenden hat? Die Sitzgruppen sind verschiedener Meinung und eine davon sagt: Nein (8) ! Der böswillige Beobachter sagt: Toll! Das ist ein Lehrstück für die intellektuell untermauerte Begründung dafür, warum ich nicht mehr arbeiten muss darf. Kurz gesagt: Ein Vorsitzender Richter am BGH muss sich so intensiv um seinen Senat kümmern, dass er nicht zwei Senaten dienen kann. Er ist also völlig überfordert. Das können wir der rechtsuchenden Bevölkerung nicht zumuten und deshalb darf der 2. Strafsenat, solange die Vorsitzfrage nicht gelöst ist, überhaupt nicht mehr entscheiden. Sabbat. Dem Problem muss sich auch der 4. Strafsenat stellen, der jetzt keinen eigenen, ungeteilten Vorsitzenden mehr hat. Vorrübergehend kann aber dessen Stellvertreter einspringen. In feineren Worten ergibt sich das aus einem weiteren Beschluss vom 11.01.2012 (9).
Abspann: An beiden
Beschlüssen hat VRiBGH Ernemann mitgewirkt, weil er jetzt der
Vorsitzende aller Sitzgruppen des 2. und 4. Strafsenats ist. Das ist
keine beneidenswerte Rolle! |
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Update. Unwürdiges Spiel | ||
04.03.2012
Der Senat
hatte die Revisionshauptverhandlung mit Beschluss vom 11. Januar 2012
ausgesetzt. Dies beruhte auf der Ansicht des Senats, er sei in der
Person des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nicht
ordnungsgemäß besetzt, weil dieser seit 1. Januar 2012 zugleich
geschäftsplanmäßiger Vorsitzender des 4. Strafsenats ist. Der Senat hat
daher dem Präsidium des Bundesgerichtshofs Gelegenheit gegeben, durch
eine Än-derung der Geschäftsverteilung Abhilfe zu schaffen. Mitglied des
Präsidiums ist auch der Vorsitzende des 2. und 4. Strafsenats <Rn
9>.
Ob solche
Querelen und Umgänge in dieser Breite in ein Urteil gehören, ist die
eine Seite der Medaille. Das Betriebsklima im BGH scheint jedenfalls
nachhaltig gestört zu sein. Ob sich das auf die Rechtsprechung auswirken
wird, ist noch unklar. Ich befürchte, dass die Wortwahl schärfer wird
und die unterschwelligen Rivalitäten zwischen den Senaten offener zu
Tage treten werden. Das täte der einheitlichen Linie in der höchsten
Rechtsprechung nicht gut. |
Anmerkungen | |
(2) Thomas Fischer (Bundesrichter) (3) Christian Rath, Showdown in Karlsruhe, Legal Tribune online 18.10.2011 (5) Ebenda (3) (6) VG Karlsruhe, Beschluss vom 24.10.2011 - 4 K 2146/11 (8) BGH, Beschluss vom 11.01.2012 - 2 StR 346/11 |
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Cyberfahnder | |
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |