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April 2012 |
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Mule-Accounts und Rädelsführer |
Der 3. Strafsenat hat seine Anforderungen an die Tataufklärung im Anschluss an eine Verständigung bekräftigt und verschärft. Für die Praxis wird sie dadurch zu einem immer weniger brauchbarem Instrument. Ein echtes Cybercrime-Thema behandelt die strafrechtliche Haftung von Finanzagenten beim Phishing. Der BGH wendet sich gegen diffus formulierte Beihilfevorwürfe und verlangt eine genaue Abgrenzung zwischen der Teilnahme und der Begünstigung. Für die Täterschaft und Beihilfe bei der Beutesicherung gibt es verschiedene Lösungen, die vom Tatstadium und den Handlungen des Finanzagenten abhängen.
Den
Schluss bildet eine Auseinandersetzung mit den
Rädelsführern und Hintermännern
in einer kriminellen Vereinigung. An sie schließt die Frage nach
kriminellen Vereinigungen im IuK-Strafrecht
an, wobei auch einige Besonderheiten bei der Rechtsanwendung behandelt
werden. |
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Dieser Report enthält rund 15 Quellenverweise auf die Rechtsprechung und befasst sich im einzelnen mit neun aktuellen Entscheidungen vom BGH. Die Themen sind durchaus anspruchsvoll und bedürfen der Erläuterung. Ihre Auswahl ist allein der Aktualität geschuldet und meiner subjektiven Bewertung, ob sie Bedeutung für die Strafverfolgungspraxis im Zusammenhang mit der Cybercrime haben können. Ich denke, das ist gelungen, und sie werden mir
damit Recht geben. |
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Vernehmung | |||
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28.04.2012 Ein zeugnisverweigerungsberechtigter Zeuge wird regelmäßig deshalb durch den Ermittlungsrichter vernommen, weil bei einer späteren - aus welchen Gründen auch immer erfolgten - Zeugnisverweigerung nur die Aussage des Ermittlungsrichters über die Angaben des Zeugen verwertbar ist. In derartigen Fällen, erfahrungsgemäß oft Gewalt- und/oder Sexualdelikte zum Nachteil von Frauen oder Kindern, hat der Ermittlungsrichter daher die Pflicht, sich schon während der von ihm durchgeführten Vernehmung intensiv darum zu bemühen, sich den Aussageinhalt einzuprägen. Ausfluss dieser Pflicht des Ermittlungsrichters ist es auch, dann, wenn seine Vernehmung als Zeuge ansteht, die Vernehmungsniederschriften einzusehen, um sich erforderlichenfalls die Einzelheiten ins Gedächtnis zurückzurufen (...). Es handelt sich um eine ergänzende, "nicht tragende" Bemerkung, der ich nur ungern widerspreche. Der Zeuge, auch wenn er ein Polizeibeamter oder ein Richter ist, hat keine Editionspflicht. Niemand kann ihn zwingen, Unterlagen zu suchen und sich anhand seiner Aufzeichnungen die Erinnerungen aufzufrischen. Wenn er das tut, ist das gut und schön. Eine Pflicht dazu, sich Aussageinhalte einprägen oder ins Gedächtnis zurückrufen zu müssen, ist nirgendwo gesetzlich geregelt und kann allenfalls aus dem Beamtenrecht beim Polizisten und aus seiner verfassungsrechtlichen Stellung beim Richter abgeleitet werden. Das ist Kasuistik und weit entfernt von geschriebenem Recht. "Pflichten" kann auch der BGH nicht daraus machen. Nehmen wir das obiter dictum als freundlichen Appell an die Professionalität der Beamten und Richter und streichen das Wort "Pflicht". Dann wird ein Schuh draus und ein Anspruch, den jeder Funktionsträger in der Exekutive und in der Judikative an sich selber stellen sollte. Eine "Pflicht" besteht jedenfalls nicht, auch wenn der geschätzte 1. Strafsenat das sagt. Ein Beschuldigter hat seiner Frau "etwas Schlimmes" angetan. Danach verließ er sie lebend und weiß nicht, dass sie inzwischen an den Folgen verstorben ist. Darf die Polizei die Tatsache des Todes in der Beschuldigtenvernehmung verschweigen? Der BGH bestätigt, dass der Vernehmungsbeamte nicht sein vollständiges Wissen offenbaren muss, wenn er den Beschuldigten vernimmt ( §§ 136, 136a StPO) (2). Er muss ihm aber den Grund und die Tat erklären, die ihn in die Rolle des Beschuldigten gebracht hat (3). Dazu gehört auch, dass das Opfer an der schlimmen Behandlung gestorben ist: Hier geht es aber um die „Tat“ als solche, nicht deren rechtliche Bewertung. Unbeschadet der - stets gegebenen, praktisch besonders bei polizeilichen Vernehmungen bedeutsamen - Möglichkeit, aus ermittlungstaktischen Gründen nicht stets jedes schon bekannte Detail offen zu legen, ist dem Beschuldigten der ihm vorgeworfene Sachverhalt zumindest in groben Zügen zu eröffnen (...). Hinsichtlich der Ausgestaltung der Eröffnung im Einzelnen hat also der Vernehmende einen gewissen Beurteilungsspielraum. Dessen Grenzen sind jedoch überschritten, wenn dem Beschuldigten eines Gewaltdelikts der Tod des Opfers nicht eröffnet wird. Ohne Hinweis auf diesen die Tat prägenden Gesichtspunkt ist sie nicht einmal in groben Zügen eröffnet. Der ohnehin nicht sehr klare Hinweis, es gehe um das „Schlimme“, was der Beschuldigte dem Tatopfer angetan habe, reicht daher nicht aus. (1) BGH, Urteil vom 21.03.2012 1 - StR 43/12, Rn 15 (2) BGH, Beschluss vom 06.03.2012 - 1 StR 623/11, Rn 43
(3)
Das polizeiliche Lehrbeispiel ist das rechtlich falsche "Verkehrsquiz".
Verkehrsteilnehmer dürfen von der Polizei anlasslos angehalten werden (
§ 36 Abs. 5 StVO). Dann ist die Ansage aber "Allgemeine
Verkehrskontrolle". Gibt es einen Anlass, zum Beispiel eine
Geschwindigkeitsüberschreitung, so ist das zu sagen. Falsch ist
jedenfalls: "Wissen Sie, was Sie gerade falsch gemacht haben?" Verkehrsquiz eben. |
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Motivforschung: Mögliche Rache | |||
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28.04.2012 Auch soweit die Strafkammer darauf hingewiesen hat, dass die Nebenklägerin ein Rachemotiv für eine Falschbelastung des Angeklagten gehabt habe, liegt kein Rechtsfehler vor. Die Existenz eines solchen Motivs besagt zwar für sich genommen noch nicht, dass die Nebenklägerin aus diesem Rachegedanken heraus tatsächlich einen unwahren Vorwurf erhoben hat. In der Zusammenschau mit weiteren Umständen, wie dem auffälligen Verhalten der Nebenklägerin nach dem 6. April 2009, die anfangs noch unbeeinträchtigt weiter mit dem Angeklagten zusammengearbeitet hatte, später aber angeblich schwer traumatisiert war, gewinnt das Vorhandensein eines Falschbelastungsmotivs jedoch an Beweisbedeutung. Für hart Gesottene ein Beispiel mit erheblichem Ekelfaktor: Blasen- und Analkatheter bei einer 17-Jährigen. Der vom BGH gezogene Schluss rückt die Verhältnisse wieder ins rechte Licht (2): Jedoch kommt es bei objektiv, also allein gemessen an ihrem äußeren Erscheinungsbild, eindeutig sexualbezogenen Handlungen auf die Motivation des Täters nicht an. Gleichgültig ist deshalb, ob er die Handlung etwa aus Wut, Sadismus, Scherz oder Aberglaube vornimmt. Auch eine sexuelle Absicht des Täters ist bei solchen Handlungen - im Unterschied zu äußerlich ambivalenten Handlungen - nicht erforderlich. Insoweit reicht es aus, wenn sich der Täter der Sexualbezogenheit seines Handelns bewusst ist ( BGHR StGB § 178 Abs. 1 Sexuelle Handlung 6; BGH NStZ-RR 2008, 339, 340; ...). |
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Tataufklärung nach Geständnis | |||
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28.04.2012 Das deutsche Strafprozessrecht wird von dem Grundsatz beherrscht, dass die Gerichte von Amts wegen den wahren Sachverhalt aufzuklären haben ( § 244 Abs. 2 StPO). Auf dieser Grundlage ( § 261 StPO) ist der Schuldspruch zu treffen und sind die entsprechenden Rechtsfolgen festzusetzen. Dieser Grundsatz darf - schon wegen der Gesetzesbindung des Richters ( Art. 20 Abs. 3 GG) - nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden. Es ist daher unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte - unter Umständen im Rahmen einer Verfahrensabsprache - geständig zeigt. Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein ( BGH, Urteil vom 10. Juni 1998 - 2 StR 156/98 ...). Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das abgelegte Geständnis mit dem Ermittlungsergebnis zu vereinbaren ist, ob es in sich stimmig ist und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 21/08 ...). Die Beschränkung der Beweiswürdigung im Wesentlichen auf den bloßen Hinweis, der Angeklagte sei geständig gewesen, genügt insbesondere dann nicht, wenn aufgrund der Komplexität und der zahlreichen Details des festgestellten Sachverhalts Zweifel bestehen können, dass der Angeklagte an das Tatgeschehen eine auch in den Einzelheiten genügende Erinnerung hat ( BGH, Beschluss vom 5. Dezember 1995 - 4 StR 698/95 ...). Es ist ja nicht so, dass ich dem ernsthaft widersprechen will. Nur weiß ich nicht, worüber sich der BGH wirklich erregt. Konsens ist ein beherrschendes Prinzip der Demokratie und des Rechtsstaats. Wenn es eine konsensuale Verständigung gibt und der Angeklagte dennoch Revision einlegt, muss eine gewisse böse Absicht jedenfalls in Gedanken bewegt werden. Dealgespräche haben einen typischen Ablauf und die schlechteren Richter eröffnen sie mit den Worten: "Na, Herr Staatsanwalt, was haben Sie sich denn so vorgestellt?" Alle Beteiligten setzen dabei ihr Pokerface auf und ich sage in aller Regel: "Das gesetzliche Höchstmaß der Freiheitsstrafe sind 15 Jahre" ( § 38 Abs. 2 StGB) oder: "Die Strafgewalt des Amtsgerichts reicht bis 4 Jahre Freiheitsstrafe" ( § 24 Abs. 2 GVG). Das löst immer Unmut bei allen Anderen aus. Viel schöner wäre es doch, wenn die übliche Strategie ziehen würde: Zunächst äußert die Staatsanwaltschaft ihre (völlig überzogenen) Strafvorstellungen, dann verständigt man sich auf eine Strafhöchstgrenze, die nach der Anklage gerade noch schuldangemessen ist, und zähneknirschend auf eine Strafmindestgrenze in Bezug auf die Vorwürfe in der Anklageschrift (Ob das mein Mandant mitmachen kann?). Dann kommt die formelhafte Erklärung des Verteidigers, dass die und die Anklagevorwürfe eingeräumt werden, die und die aber nicht oder anders. Gutes Recht, will man meinen. Damit wird aber immer mehr an der bindenden Zusage der Strafverfolgung gepuhlt und am Ende Rechtsmittel eingelegt mit der klaren Erkenntnis, dass der zweite Aufguss allein wegen Zeitablaufs billiger wird. Jede Abschwächung der Vorwürfe führt dann zur Strafverringerung, was wegen der Gesamtstrafe und der gebotenen Gesamtwürdigung keineswegs zwingend wäre. Solche Verständigungen, bei denen allein das Gericht oder die Staatsanwaltschaft die sinnbildlichen Hosen runter lassen müssen und dann ziemlich dumm dastehen, sind einem Rechtsstaat unwürdig und der BGH fördert das auch noch. Er könnte auch sagen: Der Angeklagte, der ein ernsthaftes Entgegenkommen veranlasst, kann zwar den rechtsstaatlichen Prozess überprüfen lassen, nicht aber die Beweiswürdigung, die gerichtliche Überzeugung und auch nicht die Strafzumessung. In anderem Zusammenhang macht das der BGH häufiger und das besonders dann, wenn er meint, dass der Angeklagte noch billiger nicht davon kommen darf. |
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strafrechtliche Haftung von Finanzagenten beim Phishing | |||
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Täterschaft und Beihilfe bei der Beutesicherung 28.04.2012 Das genügt dem BGH nicht, weil er nach einer genauen Tatbeteiligung beim Phishing fragt. Die Kontomanipulation ist ein Computerbetrug ( § 263a StGB), auf den die Grundsätze des Betruges anzuwenden sind ( § 263 StGB). Während beim Betrug ein menschlicher Irrtum erregt und missbraucht wird, wird beim Computerbetrug ein Datenverarbeitungsvorgang manipuliert. Beide Tatbestände verlangen aber noch mehr: Es muss zu einer Vermögensverfügung kommen, die in gleicher Höhe zu einem rechtswidrigen Vermögenszuwachs beim Täter führt (Stoffgleichheit). Die tatbestandliche Vollendung erfolgt deshalb in aller Regel, sobald das manipulierte Konto belastet und der angewiesene Betrag auf den Weg gebracht ist. Damit hat sich der Täter die Beute aber noch nicht gesichert und die Tat deshalb noch nicht beendet. Erst beim Eingang der Beute auf dem Mule-Account des Finanzagenten tritt die Beendigung ein, so dass dieser Finanzagent auch Gehilfe beim Computerbetrug ist. Was ist aber, wenn über mehrere Mule-Accounts die Beute weiter geleitet wird? Dann ist das Grunddelikt beendet und kommt keine Beihilfe mehr in Betracht, sondern eine strafbare Begünstigung ( § 257 StGB) (2):
Der neue Tatrichter wird bei der Bewertung der
Tatbeiträge der Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass Beihilfe nur
bis zur materiellen Beendigung der Haupttat, also bis zur endgültigen
Sicherung ihres Erfolges, möglich ist. Danach kommt nach Maßgabe des
§
257 Abs. 3 StGB eine Strafbarkeit wegen Begünstigung in Betracht. Von
einer materiellen Beendigung solcher Taten des Computerbetruges, bei
denen aufgrund einer Manipulation des Datenverarbeitungsvorgangs
Geldbeträge von Konten der Geschädigten auf Empfängerkonten geleitet
werden, ist auszugehen, sobald entweder das überwiesene Geld vom
Empfängerkonto abgehoben oder auf ein zweites Konto weiterüberwiesen
worden ist. Die fürsorglichen Belehrungen über die Natur der Beihilfe gehen noch etwas weiter (3): Fördert der Gehilfe dieselbe Tat durch mehrere Handlungen, dann bleibt es bei einer Beihilfetat. Fördert der Gehilfe mit einer Handlung mehrere Haupttaten, dann ist er auch nur einmal Gehilfe, auch wenn die Täter mehrere materielle Taten begehen. Leistet der Gehilfe allerdings nicht nur durch eine Beihilfehandlung zu verschiedenen Haupttaten, sondern zusätzlich zu jeder Haupttat noch durch weitere selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB, so stehen die Beihilfehandlungen für jede Haupttat im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander (vgl. BGH, Beschluss vom 4. März 2008 - 5 StR 594/07 ...; Beschluss vom 22. September 2008 - 1 StR 323/08 ...). Das hat Bedeutung, wenn über das Konto des Finanzagenten die Beute aus mehreren Taten geleitet wird: Sollte der neue Tatrichter daher feststellen, dass die Angeklagte E. nicht nur im Sinne einer Beihilfehandlung für mehrere Haupttaten Konten zur Verfügung gestellt oder einen Dritten als Empfänger von durch Computerbetrug erlangter Überweisungen gewonnen, sondern im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Haupttat durch das Abheben von Geldern vom ersten Empfängerkonto Hilfe geleistet hätte, hätte er auf dieser Grundlage von mehreren Beihilfetaten im Sinne des § 53 StGB auszugehen. Das ist zum Beispiel der Fall wenn der Angeklagte im Vorfeld dem früheren Mitangeklagten einen auf einen Aliasnamen ausgestellten Pass verschafft, ihn bei der Eröffnung zweier Konten unterstützt und "die Kontodaten an seinen Hintermann" weitergegeben, sondern auch den Transfer der Gelder überwacht und den früheren Mitangeklagten entsprechend unterrichtet. (4) Zu guter Letzt noch eine Variante: Wird die Beute aus mehreren Computerbetrugen zunächst gesammelt und dann in ihrer Summe weitergeleitet, ist das wieder nur eine Handlung des Finanzagenten und deshalb nur eine Beihilfetat. Kompliziert wird das dann, wenn in der Summe auch Beträge enthalten sind, die von anderen Finanzagenten zugeliefert wurden. Dann handelt es sich nämlich um eine einheitliche Tat der Begünstigung, weil die Täterschaft ( § 257 StGB) die Beteiligung ( § 27 Abs. 1 StGB) verdrängt. (1) Zitiert in BGH, Beschluss vom 28.02.2012 - 3 StR 435/11, Rn 3 (2) Ebenda (1), Rn 7 (3) Ebenda (1), Rn 8 |
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Rädelsführer und Hintermänner | |||
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28.04.2012 Der Rädelsführer muss danach eine führende Rolle mit beträchtlichem Einfluss in der Vereinigung spielen, auch wenn er seinerseits von Weisungen abhängig ist (2): Nach gefestigter, ursprünglich zu § 90a StGB aF entwickelter und später auf die §§ 129, 129a StGB übertragener Rechtsprechung ist Rädelsführer, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt. Entscheidend ist dabei nicht der Umfang, sondern das Gewicht, das der geleistete Beitrag für die Vereinigung hat. Besonders maßgebend ist eine Tätigkeit dann, wenn sie von Einfluss ist auf die Führung der Vereinigung im Ganzen oder in wesentlichen Teilen, wenn also der Täter, falls er nicht schon selbst zu den Führungskräften gehört, doch durch sein Tun gleichsam an der Führung mitwirkt (BGH, Urteil vom 2. Oktober 1963 - 3 StR 34/63, BGHSt 19, 109, 110). Der vom Täter ausgeübte Einfluss muss der Sache nach beträchtlich sein (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 37/64, BGHSt 20, 121, 123 f.). Eine rein formale Stellung innerhalb eines Führungsgremiums reicht für sich genommen noch nicht aus (LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 173 mwN). Liegen die genannten Voraussetzungen vor, so wird die Rädelsführerschaft andererseits nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Täter von Weisungen abhängig ist (BGH, Beschluss vom 25. Januar 1956 - 6 StR 100/55, bei Wagner GA 1960, 235). Hinzu kommt jetzt (3), dass der bestimmende Einfluss des Täters als Führungskraft bzw. als gleichsam an der Führung der Organisation mitwirkende Person sich auf die Vereinigung als solche richten, mithin etwa die Bestimmung der Organisationszwecke, -tätigkeiten oder -ziele, die ideologische Ausrichtung der Vereinigung, deren Organisationsstruktur oder sonstige Belange mit für die Vereinigung wesentlicher Bedeutung betreffen muss. Diese Auslegung des Tatbestandsmerkmals ist geboten aufgrund von dessen Sinn und Zweck, die dahin gehen, "Drahtzieher" (BGH, Urteil vom 12. Mai 1954 - 6 StR 30/54, BGHSt 6, 129, 130 mwN), Führungskräfte und solche Personen zu erfassen, die kraft einer Schlüsselstellung einen bestimmenden Einfluss haben (LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 129 Rn. 173), der hohen, im Vergleich zum jeweiligen Grundtatbestand deutlich gesteigerten Strafdrohung des § 129a Abs. 4 StGB (Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren in den Fällen des § 129a Abs. 1 und 2, Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren in den Fällen des § 129a Abs. 3 StGB) sowie der gesetzlichen Gleichstellung des Rädelsführers mit dem Hintermann. Für den Hintermann hingegen (4) ist kennzeichnend, dass er zwar - im Unterschied zum Rädelsführer - nicht Mitglied der Vereinigung ist, gleichwohl aber die Vereinigung als Außenstehender dadurch wesentlich fördert, dass er geistig oder wirtschaftlich maßgebenden Einfluss auf die Führung der Vereinigung hat (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1964 - 3 StR 37/64, BGHSt 20, 121, 123). In jüngerer Zeit häufen sich die Beiträge im Cyberfahnder, die sich mit kriminellen und terroristischen Vereinigungen befassen (5). Der Zusammenhang mit dem Cybercrime-Recht drängt sich dabei nicht auf dem ersten Blick auf. Den Anlass hat eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2011 gegeben: Die Angeklagten haben systematisch auf Streaming-Plattformen (Internet-Radio) rechtsradikale Musik gesendet, Volksverhetzung betrieben und Bombenbauanleitungen gegeben. Sie wurden deshalb u.a. wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung ( § 129 StGB) verurteilt (6). Auch andere Erscheinungsformen der Internetkriminalität von gewisser Dauer und personeller Konsistenz bestärken die Vermutung, dass sie von einer kriminellen Vereinigung betrieben werden. Das dürfte vor allem für geschlossene Boards in den Bereichen Carding und Kinderpornographie sowie für große, international betriebene Botnetze gelten. Die Strafverfolgung wegen krimineller Vereinigungen unterliegt einigen Besonderheiten. Es handelt sich um ein "Staatsschutzdelikt" nach § 74a Abs. 1 Nr. 4 GVG, für die das Gesetz besondere Strafkammern vorsieht, die bei dem Landgericht eingerichtet werden, bei dem örtlich auch ein Oberlandesgericht angesiedelt ist. Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft folgt der des Gerichts ( §§ 141, 143 Abs. 1 GVG), so dass nur bestimmte Staatsanwaltschaften zur Anklageerhebung berufen sind. Das ändert jedoch nichts an der allgemeinen Ermittlungsverpflichtung der Staatsanwaltschaft ( §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 2 StPO, § 143 Abs. 2 GVG). Darüber hinaus ist der jeweils vorgesetzte Generalstaatsanwalt auch dazu befugt, die Verfahrensführung selbst zu übernehmen (Devolutionsrecht) oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen (Substitutionsrecht) (7). Das führt zu der kurios wirkenden Folge, dass der beauftragte Beamte unmittelbar zum Mitarbeiter der "zunächst zuständigen" Staatsanwaltschaft wird und unter deren Namen zum Beispiel Anträge beim dort zuständigen Ermittlungsrichter stellen muss. Eine weitere Besonderheit weist § 129b Abs. 1 S. 3 StGB auf, wonach die Verfolgung von außereuropäischen Vereinigungen der ausdrücklichen Strafverfolgungsermächtigung des Bundesministeriums der Justiz voraussetzt (s.a. § 77e StGB). Das ist unlängst ein Problem gewesen, vor dem auch der BGH gestanden hat (8). Auch im materiellen Strafrecht gilt es einige Besonderheiten zu beachten, die ich bereits an anderer Stelle ausgeführt habe (8). Die Rechtsprechung zeigt eine gewisse Zurückhaltung, wenn es um die Verurteilung wegen Organisationsdelikte geht. Das beginnt bereits bei der Frage nach einer Bande. Dennoch bin ich sicher, dass sich das Problem mit der kriminiellen Vereinigung im Zusammenhang mit Internet-Straftaten immer häufiger stellen wird und die Staatsschutzkammern dadurch zu besonderen Kammern auch für das Internetstrafrecht werden. Ihre Zuständigkeit verdrängt zum Beispiel die der Jugendkammer ( § 74e Nr. 3 GVG), nicht aber die der Wirtschaftsstrafkammer ( § 74e Nr. 2 GVG). Das lässt noch lustige Zuständigkeitsstreite erwarten. (1) BGH, Urteil vom 16.02.2012 - 3 StR 243/11 (2) Ebenda (1), Rn 8 (3) Ebenda (1), Rn 9 (4) Ebenda (1), Rn 9
(5)
Grundlegend:
Die Vereinigung, 2007
(6)
Streaming. Kriminelle Vereinigung,, 15.06.2011; (7) Roland Hefendehl, Strafprozessrecht, Uni Freiburg 05.05.2006, S. 10
(8)
kriminelle Vereinigungen unter Dieben im Gesetz, 06.01.2012;
(9)
Dieter
Kochheim, IuK-Strafrecht, April 2012, S. 94. |
Cyberfahnder | |
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |