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Juli 2012

01.07.2012 Hells Angels
zurück zum Verweis Der Hells Angels Charter in Hannover hat sich aufgelöst

 


Quelle: redneck woman2010@flickr

Wie gefährlich ist der Club?

 Am 27.06.2012 hat der hannoversche Charter der Hells Angels unerwartet und ohne offensichtlichen Grund seine Auflösung verkündet. Aus diesem Anlass hat Ulrike Heitmüller einen guten Bericht bei Telepolis veröffentlicht.

Ulrike Heitmüller, Sind diese Rocker wirklich so gefährlich? Oder steckt da etwas ganz anderes dahinter? Telepolis 30.06.2012

Heitmüller fasst die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit zusammen, das macht den Wert ihres Beitrages aus, und stellt die richtigen Fragen, die sie aber nicht beantwortet.

Der Motorclub wurde 1948 in den USA vor allem von Kriegsheimkehrern gegründet und hat jetzt in 32 Ländern selbständige Charter. Die Hells Angels bilden eine Subkultur mit eigenen Regeln und starker Abschottung nach außen. Vor allem in den USA wird ihnen nachgesagt, "Einprozenter" zu sein. Dieser Begriff geht auf eine Äußerung der „American Motorcyclist Association“ zurück, wonach nur ein Prozent der Biker gewalttätig und kriminell seien.
 
Ein bemerkenswerter Bericht über das Innenleben des amerikanischen Clubs stammt von Jay Dobyns, der die Hells Angels zwei Jahre lang als verdeckter Ermittler erforschte.
 
Jay Dobyns, Nils Johnson-Shelton, Falscher Engel. Mein Höllentrip als Undercover-Agent bei den Hells Angels, riva 2010;
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Vladimir Putin, Präsident des Charters in Moskau
Quelle: BleiBlog

Auch über die deutsche Hells Angels-Szene ist vereinzelt berichtet worden, so zum Beispiel von dem unfreiwilligen Aussteiger aus dem Charter in Kassel, Ulli Detrois. Ein harter Junge, der streckenweise mit tränenden Augen den schönen Zeiten nachtrauert und auf seine alten Kumpels ganz böse ist.
 
Bad Boy (Ulli Detrois), Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus
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Rockerromantik einerseits, Nachtleben, Bandenkriege und rohe Gewalt andererseits prägen das Bild der hiesigen Hells Angels, die sich nie in die Karten kucken lassen und sich als Staat im Staate abschotten, ihre eigenen Regeln nach innen durchsetzen und nach außen hin die bärigen Jungs spielen.

Heitmüller verknüpft die Frage nach der Gefährlichkeit der Hells Angels mit Zuhälterei und Menschenhandel und fragt, wieviele Engel tatsächlich in diesem Geschäft sind und ob das für die Prostituierten wirklich schlecht ist, von den starken Jungs vor randalierenden Freiern geschützt zu werden. Wenn sie weiter recherchiert hätte, dann würde sie wahrscheinlich nur einen kleinen Teil der Jungs in dem Geschäft ermitteln.

Sie ist auf einer falschen, zu oberflächlichen Fährte. Man muss kein Zuhälter sein, um an der Prostitution zu verdienen. Mindestens ebenso gut kann man verdienen, wenn man Bordelle verpachtet oder Sicherheitsdienstleistungen erbringt. Nicht umsonst heißt es in Türsteherkreisen, dass der, der die Tür beherrscht, auch das Geschäft hinter der Tür beherrscht.

Die Frage nach der Gefährlichkeit muss also anders angegangen werden und zwar strukturell. Kann sich eine Gesellschaft einen Staat im Staate leisten, der offen seine Selbständigkeit durch Kutten, martialisches Auftreten und demonstrative Gewaltbereitschaft zeigt? Der seine eigenen Regeln aufstellt und selbständig durchsetzt?
  

Laut Hanebuth bestand das Vermögen der hannoverschen Hells Angels aber aus sechs Biergarnituren und einer Tresenanlage.
Der Mann aus der Wedemark bestätigte der NP, dass "drei, vier Mitglieder" zu anderen Hells-Angels-Chartern gewechselt sind, "es gab Transfers".
 

Mirjana Cvjetkovic, Nur Freunde, kein Verein, Neue Presse 30.06.2012, S. 12
 

In Hannover wurden die Hells Angels zeitweilig tatsächlich von Teilen der Presse und der Öffentlichkeit im Übrigen gelobt, hofiert und als "gute" Ordnungsmacht angesehen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es keine kurdischen Bandenkriege mehr gäbe und Ruhe im Kiez herrsche. Unter der Leitung ihres Präsidenten Hanebuth machte der Club eine beachtliche Öffentlichkeitsarbeit, brachte eine eigene Kiez-Zeitung heraus und vermarktete ein eigenes Bier (81). Der Presse zeigten sie das lustige Rockerleben mit Bier, Mädels und Grillwürstchen, überschipperten das Steinhuder Meer und demonstrierten Präsenz mit ihren Kutten und ihren Harley Davidsen-Maschinen. Hanebuth selber wird nachgesagt, der heimliche HA-Präsident für ganz Deutschland gewesen zu sein, dessen Wort gefragt war und galt.

In dieser Position muss man nicht mehr drohen; es reicht ein freundschaftlicher Rat.

Die Gefährlichkeit des Clubs zeigt sich nicht darin, dass seine Leute im Nachtleben arbeiten, sondern in der gelebten Subkultur außerhalb der Rechtsordnung und mit einem angemaßten Gewaltanspruch. Er greift im Kleinem beim selbstgerechten Auftreten, bei peinlichen Pöbeleien gegenüber zu neugierigen Presseleuten und im Verborgenen, wenn es darum geht, rivalisierende Gangs zu vermöbeln, womit zuletzt der Charter in Bremen bekannt geworden ist. Das kann sich eine selbstbewusste Demokratie nicht bieten lassen und die Polizei in Hannover auch nicht. Spätestens seit dem Herbst 2011 hat sie den Hells Angels Grenzen aufgezeigt und sie aus der Öffentlichkeit vertrieben. An den Türen, an denen zuvor der Club "Sicherheit" signalisierte, waren zwar noch immer dieselben Leute zu sehen, aber ohne die Insignien der Hells Angels.

Auf die weiteren Entwicklungen in Hannover darf man gespannt sein. Die Präsenz der Hells Angels als Institution hat jedenfalls ein Ende und das ist gut so. Ihre bisherigen Members werden wahrscheinlich ihr Alltagsleben fortsetzen und ihr Geld damit verdienen, was sie schon vorher taten - nur ohne die Kutte dabei zu tragen. Ob ein Machtvakuum entsteht, das anderere Rockergruppen oder Geschäftemacher ausfüllen wollen, bleibt offen. Spekulationen lohnen sich vorerst nicht.

Die Polizei in Hannover kann kurz durchatmen und hat die einmalige Chance, alle anderen Subkulturen abzuwehren, die an die Stelle der Rocker gelangen wollen.
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018