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Waren es zunächst
17.000
käufliche Datensätze, weitet sich der Skandal wegen des Missbrauchs
von persönlichen und vor Allem persönlichen Kontodaten aus. Die Rede ist
inzwischen von vier Millionen handelbaren Datensätzen
(2),
die sich für behauptete Vertragsabschlüsse und Einzugsermächtigungen
missbrauchen lassen. Wenn man die Daten sowieso schon hat, dann kann man
sich den lästigen Kundenkontakt und die nicht minder lästige
Überzeugungsarbeit sparen.
Ihre Quelle sollen zwei Klassenlotterien sein und sie sollen zudem
aus
Handyverträgen, Gewinnspielen, karitativen Betätigungen, Kunden- oder
Rabattkartensystemen, Online-Webformularen oder von Rechnern stammen,
die mit Trojanern ausgeforscht wurden.
Schuld an dem Skandal sind nicht nur die Täter, die bevorzugt unter den
schwarzen Schafen der
Callcenter vermutet werden
(3).
Ganz besonders Schuld daran sind die Wirtschaftsunternehmen, die ihr
Werbungsgeschäft und ihre Kundenbetreuung (Support) partout auf
Callcenter und externe Dienstleister übertragen müssen. Aus Kosten- und
Effektivitätsgründen, versteht sich. Dadurch wächst nicht nur die Gefahr,
dass die Beratungsqualität sinkt, sondern eben auch unternehmensinterne
und besonders Vertragsdaten in dritte Hände und damit außer Kontrolle
geraten.
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Im Zusammenhang mit dem IT-Management nennt man das - modern,
unkritisch und unangreifbar - First Level Support. Dahinter steckt die
Annahme, dass der erste Kundenkontakt mit Allround-Nichtfachleuten
bewirkt werden kann, wenn sie denn über eine gut bestückte
Wissensdatenbank verfügen. Daran und vor Allem an der Qualitätskontrolle
hapert es dann meistens und das nicht zuletzt aus Kostengründen. Der
Second Level Support, den die echten Fachleute ausüben, ist dann dünn
gesät, mit vielfältigen Aufgaben belastet und (im Interesse der
Arbeitnehmer: zu Recht) außerhalb der
Kernzeiten nicht erreichbar.
Spannend bleibt es für den Kunden, der erst durch den Anruf erfährt,
ob er im sächsischen, irischen oder indischen Zungenschlag als Erstes
danach gefragt wird, ob denn auch das grüne Lämpchen an seinem
beanstandeten DSL-Modem leuchtet.
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In Irland sollen sich Betrüger als Bankangestellte ausgegeben und
während der Geschäftszeit die Zahlungskarten-Lesegeräte in Supermärkten
gegen manipulierte Geräte ausgetauscht haben. Damit sollen die
Zahlungskartendaten von rund 10.000 Kunden ausgelesen und anschließend
im Ausland missbraucht worden sein
(4).
Weil das Kind einen eigenen Namen haben muss, nennt man diese Methode
POS-Skimming.
Das Kürzel bedeutet Point of Sale und meint die Lesegeräte im
Supermarkt, in der Tankstelle oder immer dort, wo man bargeldlos mit
seiner Zahlungskarte zahlen kann. Die Methode ist deshalb besonders
gemein, weil mit ihr nicht nur die Kartendaten, sondern gleich auch die
PIN abgegriffen werden kann. Somit verfügen die Täter über einen
kompletten
Dump,
der nur noch in die
Drop
Zone eines
Rogue
Providers übermittelt und dann weiter verarbeitet werden muss.
Ich nenne das kriminelle Verfahren, schlicht wie ich bin, einfach nur
eine austauschbare Variante des
Missbrauchs von Zahlungskartendaten im Zusammenhang mit der
modularen Cybercrime.
Von einer mehr klassischen Variante des Missbrauchs von
Zahlungskartendaten berichtete unlängst Svea Eckert
(5).
Sie berichtet von edel gekleideten Asiatinnen, die mit gefälschten
Ausweispapieren und Zahlungskarten auf hochwertige Einkaufstouren gehen
und dabei selber mehr Opfer als Täter sind.
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Das ist nichts Neues. Hochstapelei, Betrug, Fälschung und Abzocken
sind klassische Methoden der menschenschädigung, die auch schon ohne
Internet und bargeldlosem Zahlungsverkehr funktioniert haben. In der
Literatur bilden sie amüsante Geschichten, wenn sie vom Hauptmann von
Köpenick, von Felix Krull oder davon berichten, dass es nicht immer
Kaviar sein muss.
Wo bleibt das Positive, um mit Kästner zu fragen?
Ja, wo bleibt es denn, ist seine immer zeitgemäße Antwort.
07.12.2008: Für richtig teures Geld wird jetzt eine Datensammlung über
21 Millionen Bürger einschließlich ihrer Bankdaten angeboten
(6).
Die Daten sollen überprüft und gepflegt sein. Als Anbieter werden die
Mitarbeiter eines kleinen Callcenters vermutet:
Vermutlich bessern schlecht bezahlte Mitarbeiter ihr Gehalt auf, indem
sie Adressdaten kopieren und an Hintermänner weiterverkaufen. Diese
führen die Bank- und Adressdaten aus verschiedenen Quellen zusammen,
bereinigen sie um Doppelungen und bieten sie im großen Stil zum Kauf an
... Im Extremfall müssen die betroffenen Bürger damit rechnen, dass Geld
unaufgefordert von ihrem Girokonto abgebucht wird.
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(1)
Der Spruch stammt m.W. aus einer anonymen Flugschrift, die während der
Naziherrschaft ihren politischen Inhalt hinter einem Titelblatt
versteckte, das Werbung enthielt, hier für Kämme.
(2)
Illegaler Handel mit Kundendaten: Der "GAU" wird immer noch größer,
Heise online 19.08.2008
Vier
Millionen deutsche Kontendaten für 850 Euro, Heise online 18.08.2008
(3)
qualitätskontrollierter Kontomissbrauch
(4)
Betrüger haben Kreditkarten-Lesegeräte in irischen Geschäften
ausgetauscht, tecchannel 19.08.2008
(5)
Svea
Eckert, Online-Shops für Betrüger, Spiegel Wissen
23.06.2008;
danke für den Hinweis, Frau Eckert
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(6)
Kontonummern von 21 Millionen Bürgern auf dem Schwarzmarkt, Heise
online 07.12.2008
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