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Unter diesem Titel berichtet Wissenschaft aktuell
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über eine Doktorarbeit des Niederländers Han Nijdam, in der er ein
Sühne- und Ausgleichssystem der Friesen beschreibt, die Lex Frisionum,
das im Mittelalter entstand und verhindert hat, dass die aus Südeuropa
bekannte Blutrache entstand. Dadurch entstand ein verbindliches und
immer weiter ausgeformtes Regelwerk über Bußgeldzahlungen nach
körperlichen Angriffen, Tötungen und sonstigen Verfehlungen.
Zwei Beispiele aus dem Artikel:
"Wenn ein
Edler einen anderen Edlen tötet, hat er 80 Solidi zu zahlen. Von dieser
Wiedergutmachung gehören zwei Teile den Nachkommen des Opfers und ein
Teil der übrigen Familie", heißt es beispielsweise in der Lex Frisionum.
"Wenn ein
Mann in eines anderen Mannes Bier pinkelt, dann hat er zwei Mal 15 Unzen
zu zahlen und muss 15 Eide schwören, dass er unschuldig ist."
Die Friesen siedelten im Mittelalter in den heutigen Niederlanden und in
Ostfriesland. Sie bildeten dörfliche Stämme, denen in der Tat ein
Häuptling vorstand. Dadurch verfügten sie über feste Familienverbände,
in denen das Wohl der Sippe stark im Gegensatz zum individuellen
Interesse ausgeprägt war.
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Die Meldung erinnert mich an ein spannendes Werk von Uwe Wesel, das ich
kurz nach meinem Examen las und das nur noch antiquarisch erhältlich ist
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Wesel betreibt darin „historische Rechtsanthropologie“ und schildert
anhand von historischen Quellen und Fallbeispielen von lebenden
Naturvölkern (Eskimo, Mbuti), dass sich materielle und Verfahrensrechte
zunächst als eine Art zwischenstaatliches Recht zum Ausgleich von
Ansprüchen und Schäden zwischen Sippen herausgebildet hat.
Individualrechte entstanden danach erst später in staatlichen Gebilden
zum Schutz von Eigentumsordnungen. Das bedeutete hingegen nicht, dass
jedem Rechte gewährt wurden. Privatrechtsordnungen dienten besonders zur
Sicherung der Leibeigenschaft, der Sklavenhaltung, des Patriarchats und
des Feudalismus. Das bekannteste historische Beispiel dafür ist das
Römische Recht.
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