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Mai 2009
02.05.2009 Kriminalität
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift kein Zwischenbescheid über Rechtsfragen
 

 
Der Angeklagte hat keinen Anspruch darauf, vom erkennenden Gericht einen Zwischenbescheid über die Bewertungen des Gerichts in Bezug auf Rechtsfragen zu erhalten (1).

In dem zugrunde liegenden Fall hat der Angeklagte ein Beweisverwertungsverbot wegen seiner früheren Aussagen bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft und vor Gerichten geltend gemacht, weil er nicht vollständig über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe belehrt worden sei. Das erkennende Gericht hat über die Umstände der Vernehmungen frei Beweis erhoben, einen Zwischenbescheid über seine Schlüsse und die aufgeworfene Rechtsfrage hingegen verweigert.

Das BVerfG sieht auch keine Notwendigkeit dazu und hebt hervor, dass eine derartig bindende Erklärung des Gerichts allein deshalb nicht verlangt werden könne, weil sich seine Bewertungen im Lichte der übrigen Beweise noch bis zur Schlussberatung ändern könnten.

Interessant an der Begründung ist weniger die Entscheidung in der Sache als die Abwägungen, die das BVerfG wegen der individuellen Freiheitsrechte des Angeklagten, den Anforderungen an ein rechtsstaatliches und faires Verfahren sowie schließlich das Recht der Allgemeinheit an einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege unternimmt. Die entsprechenden Passagen werden unten zitiert.
 

 
Auch aus praktischer Sicht ist der Beschluss zu begrüßen. In jedem Fall, in dem sich das erkennende Gericht über eine vorläufige Bewertung des Prozessstoffes nach Aktenlage oder aufgrund der bereits abgeschlossenen Beweiserhebung äußern muss, macht es sich angreifbar und werden Befangenheitsanträge provoziert ( §§ 24 ff. StPO). Besonders dann, wenn sie nicht durchgreifen, führen sie zu Verzögerungen und Mehraufwänden.

Eine weise Entscheidung hat der Gesetzgeber mit dem § 305 StPO getroffen, indem er grundsätzlich die Beschwerde gegen solche Beschlüsse des Gerichts ausschließt, die der Urteilsfällung vorausgehen. Unsinnige Streite über die Eröffnung der Hauptverhandlung werden dadurch vermieden ( § 203 StPO).

Wegen der Fortdauer einer angeordneten Untersuchungshaft muss das Gericht hingegen ständig prüfen, ob die Gründe für die Haft noch immer bestehen oder aufgrund der erhobenen Beweise anders bewertet werden müssen (abgeleitet u.a. aus § 268b StPO). Deshalb besteht eine beliebte Verteidigungsstrategie in länger dauernden Strafverfahren darin, durch Anträge zur Untersuchungshaft und zur Beweiserhebung das Gericht aus der Reserve zu locken und zu angreifbaren Äußerungen zu bewegen.

Durch die Entscheidung des BVerfG wird jedenfalls eine weitere Fehlerquelle ausgeschlossen. Entgegen dem Gesetzeswortlaut hat nämlich das Gericht das letzte Wort ( § 258 Abs. 2 StPO).
 

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Das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren wurzelt im Rechtsstaatsprinzip in Verbindung mit den Freiheitsrechten des Grundgesetzes, insbesondere in dem durch ein Strafverfahren bedrohten Recht auf Freiheit der Person ( Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und in Art. 1 Abs. 1 GG, der es verbietet, den Menschen zum bloßen Objekt eines staatlichen Verfahrens herabzuwürdigen (vgl. BVerfGE 57, 250 <274 f.>), und den Staat zu korrektem und fairem Verfahren verpflichtet (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>). An dem Recht auf ein faires Verfahren sind diejenigen Beschränkungen zu messen, die von den speziellen Gewährleistungen der grundgesetzlichen Verfahrensgrundrechte nicht erfasst werden (vgl. BVerfGE 57, 250 <274>; 109, 13 <34>).
 
 

 
 
Als ein unverzichtbares Element der Rechtsstaatlichkeit des Strafverfahrens gewährleistet das Recht auf ein faires Verfahren dem Beschuldigten, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe der staatlichen Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. BVerfGE 38, 105 <111>). Die Bestimmung der verfahrensrechtlichen Befugnisse und Hilfestellungen, die dem Beschuldigten nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens im Einzelnen einzuräumen und die Festlegung, wie diese auszugestalten sind, sind in erster Linie dem Gesetzgeber und sodann - in den vom Gesetz gezogenen Grenzen - den Gerichten bei der ihnen obliegenden Rechtsauslegung und -anwendung aufgegeben. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht - auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte - ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde (vgl. BVerfGE 57, 250 <276>; 64, 135 <145 f.> (2) ).
 
 

 
 
Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfGE 47, 239 <250>; 80, 367 <375>). Das Rechtsstaatsprinzip, das die Idee der Gerechtigkeit als wesentlichen Bestandteil enthält (vgl. BVerfGE 7, 89 <92>; 74, 129 <152>; stRspr), fordert nicht nur eine faire Ausgestaltung und Anwendung des Strafverfahrensrechts. Es gestattet und verlangt auch die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222> (3)). Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden (vgl. BVerfGE 33, 367 <383>; 46, 214 <222> (3); stRspr).
 
 

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(1) BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 2025/07 -

(2) ungesicherte Quelle

(3) im Internet nicht verfügbar
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018