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Oktober 2009
03.10.2009 Literatur
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift die Mühen der praktischen Naturphilosophen
 

  

 

 

 

 

 
Die Geographen unterteilen die kugelige Erdoberfläche in Längen- und in Breitenkreise. Die Breitenkreise orientieren sich am Äquator. Ihre Ausgangslinie (Nulllinie) führt - per Definition - durch den Londoner Stadtteil Greenwich. Ihre Werte orientieren sich an den Himmelsrichtungen Ost und West. Anhand des Sonnenstandes oder des Sternenhimmels kann man seinen Standort auf der geographischen Breite recht gut feststellen. Nur: Wie weit ist man jedoch vom Äquator in Richtung nach Norden oder Süden positioniert, also auf welchen Längenkreis befindet man sich?

Ohne präzise Uhren, Sextanten und genaue Seekarten war noch vor einigen Jahrhunderten die präzise Navigation auf See ziemlich ausgeschlossen (1).

Idealisierende oder polarisierende Prosa zu historischen Themen ist nicht mein Ding - dachte ich. Es gibt aber Ausnahmen dort, wo die Auseinandersetzungen mit der Natur die Leute fast zum Wahnsinn getrieben haben, bis sie die Naturgesetze endlich begriffen und damit beherrschbar gemacht haben. Nicht so, dass man sie umgehen könnte, sondern so, dass man ihre Wirkungen versteht und mit ihnen umgehen kann.

Durch das Buch habe ich mich gequält und dennoch markiert es eine Linie der Belletristik, die sich ernsthaft mit den Mühen der früheren Naturphilosophen um das Begreifen der Welt auseinander setzt: Umberto Eco, Die Insel des vorigen Tages (2).

Die "Naturphilosophie" bedarf einer Erklärung: Ihr geht es um das Begreifen der Welt und der Mechanismen, wie sie funktioniert. Klassische Naturphilosophen sind Denker, Ärzte, Astronomen, Experimentatoren und Lehrer in Einem.
 

 
Der Plot von "Der Insel des vorigen Tages" basiert auf der Navigation entlang den Längengeraden. Dazu werden das Gekröse von Hunden und andere unappetitliche Methoden verwendet. Eco schreibt - wie immer - kenntnisreich, aber ohne Begeisterung. Nach meinem Geschmack: Ein gutes Thema, aber eine schlechte Umsetzung durch Eco (man kann nicht immer glänzen).

Kehlmann widmet sich hingegen zwei Zeitgenossen, dem weltumtriebigen Alexander von Humboldt und dem ortsfesten Mathematiker Gauß (3). Während sich Humboldt durch den Dreck in aller Welt wühlt und überall Messungen vornimmt, um sie sich zu unterwerfen, beschränkt sich Gauß auf seine sozialen und Kopf-Leistungen. Als beide sich treffen, stoßen Welten und Gemeinsamkeiten aufeinander.

Die filigranen Persönlichkeiten von Humboldt beschreibt Kehlmann (etwas mehr) und von Gauß (etwas weniger). Humboldt ist nach außen gekehrt, aktiv, neugierig, unbeherrscht und häufig unfreundlich. Unfreundlich ist auch Gauß, der lieber ein überschaubares soziales Umfeld um sich hat.

Beide verbindet die Neugier an der Erkenntnis. Sie dienen der Aufklärung und wollen die Welt begreifen. Und beide fallen immer wieder in die Strukturen des Gewohnten zurück, um sich dann in den Grenzen des ihnen Möglichen daraus befreien zu wollen.

Das Buch hat mir sehr gefallen.
 

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Das scheint auch für "Die Entdeckung des Lichts" von Bönt zu gelten (3). Er beschreibt die Lebensgeschichten von Michael Faraday und Albert Einstein im Zusammenhang mit ihren Überlegungen über die Natur des Lichts. Ich bin noch am Lesen und begeistert davon, wie Bönt Faradays Lebensgeschichte beschreibt, die ich bislang nur mit den Stichworten "Magnetismus" und "Käfig" zusammengebracht habe. Der Aufstieg eines wachen Londoner Jungen aus dem Proletariat bis hinauf in die geachtete bürgerliche Schicht habe ich mit ihm nicht verbunden.
 

 

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(1) Hans Erb, Die Macht der genauen Uhren, Swissboardyachting, 05.12.2005

(2) Umberto Eco, Die Insel des vorigen Tages, Hanser Verlag 1995;
Die Insel des vorigen Tages
Bestellung bei

(3) Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Rowohlt 2005;
Die Vermessung der Welt;
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(3) Ralf Bönt, Die Entdeckung des Lichts, DuMont 2009;
Bestellung bei
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018