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Dezember 2009
22.12.2009 gewerbliche Schutzrechte
     
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Ausgehend von 60 Cent Nettogewinn an einem legalen Download, etwa bei Musicload oder iTunes, erläutert DRS den Musikschaffenden, um wieviel lukrativer es sei, wenn der Song illegal in der Tauschbörse steht.
Wörtlich heißt es in dem Dokument: "Der Ertrag bei erfassten und bezahlten illegalen Downloads ist das 150-fache! Das bedeutet: Wenn 1250 Rechtsverletzer erfasst werden, die zahlen, müssten zur Erwirtschaftung des entsprechenden Ertrags 150 000 Downloads legal verkauft werden."
(1)
 
 
Die ganze damals in Planung befindliche Rahmenvereinbarung mit DigiProtect ist ein "no-cost"-Projekt für die Rechteinhaber. Im Fax steht ein entlarvender Satz: "Das Projekt ist von DigiProtect als "Joint Venture" geplant, bei dem keine Vertragspartei die andere mit irgendwelchen Kosten belastet." (2)
 
 

 
An dem Geschäftsmodell sind drei Parteien beteiligt:

ein Inhaber von urheberschaftlichen Verwertungsrechten,

  ein Recherchedienst, der sich auf die Durchforstung von File- oder Filesharing-Dienste spezialisiert hat, und

ein Rechtsanwalt, der die Forderungen geltend macht und eintreibt.

Holger Bleich spricht insoweit in von der Abmahn-Industrie (1), die sich leichtere und bessere Erträge durch Abmahnungen als durch normales kaufmännisches Handeln verspricht.

Bleich zitiert vorsichtig. Das unterscheidet ihn von der monatlichen Abmahnstatistik bei 1aparty.de. Dort werden die bei zahnarzt-dr-mueller.com abgelegten PDF-Dokumente säuberlich verlinkt, zusammen mit einem   Organigramm zur Abmahnung.

Er berichtet von von einer Antragsflut bei dem Landgericht Köln wegen IP-Auskünfte im Zusammenhang mit schutzrechtlichen Ansprüchen, die bis September 2009 auf 2.824 Anträge angestiegen und im Einzelfall bis zu 11.000 dynamische IP-Adressen betreffen würden. 11.000 Abgemahnte versprächen übern Daumen einen Umsatz von 5,5 Mio. €. Wenn - erfahrungsgemäß - ein Viertel aller Abgemahnten klaglos zahlen, dann könnte ein Fünftel des Erlöses an die Rechteinhaber ausgekehrt und der Rest gut zwischen Recherchedienst und Anwalt verteilt werden. Für alle ein gutes Geschäft.

Breite Ausführungen widmet Bleich der Frage, ob die abmahnenden Anwälte überhaupt Gebühren nach dem RVG abrechnen dürfen, wenn solche vereinbarungsgemäß gar nicht erst entstehen (siehe Zitate links).
  

 
Bleich offenbart seine Quellen sehr zurückhaltend.

Eine wichtige Spur führt zu gulli.com. Dort werden mehrere Artikel veröffentlicht, die sich auf den Recherchedienst DigiProtect einschießen (3). Es wird aus einer Anwaltskorrespondenz berichtet, auf der auch das Zitat links unten fußt. Die Quelle dafür findet man nur über einen Umweg: Thomas Stadler (4) hat sie verlinkt (5).

Das obere Zitat berührt eine frühere Gulli-Meldung (6). Sie nimmt Bezug auf eine PowerPoint-Präsentation mit verräterischen Aussagen, die inzwischen verschwunden sei. An sie (7) gelangt man über einen Link bei 6t8.org (8).

In seinem Fazit (S. 157) fordert Bleich nach dem Gesetzgeber. Er befürchtet in meinen Worten, dass die kaltschnäuzige Praxis der Abmahn-Industrie immer mehr die berechtigten Interessen der Schutzrechteinhaber unkenntlich mache:

Bei den Bürgern muss zwangsläufig der Eindruck entstehen, machtlos skrupellosen Geschäftemachern gegenüberzustehen. Wie aber soll in diesem Klima ein Unrechtsbewusstsein für die illegale Weitergabe von Werken entstehen?

Gewerbliche Schutzrechte sind wichtig, um den Geschäftemachern, die sich mit fremden Federn schmücken und damit Gewinn machen, das Handwerk zu legen.

Das Internet bietet allen eine Plattform, den Geschäftemachern, den Altruisten, den kleinen Ferkeln, die ihre Vorteile suchen, und den Unbedarften, die blindlings in die Fallen der Abzocker tapsen.

Das Recht der Schutzrechte hat sich zu einem Sanktionsapparat für Rechteverwerter ohne das Augenmaß entwickelt, das den Chancen des Internets angemessen wäre. Es entwickelt sich zunehmend zu einem Hemmschuh für freie Meinungen und Impulse, weil es die Angst vor unangemessenen Forderungen und aufwändigen Abwehrverhandlungen fördert.

Eine demokratische Gesellschaft muss zu einem gewissen Grad auch Regelverstöße und Frechheiten akzeptieren, die ein fester Bestandteil von Kultur sind. Der Gesetzgeber ist in der Tat gefragt, die Grenzen dafür abzustecken.
 

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(1) Holger Bleich, Die Abmahn-Industrie, c't 1/2010, S. 155

(2) ebd., S. 157

 
(3) u.a. DigiProtect: Geld regiert die Abmahn-Welt? gulli.com 14.11.2009;
Der DigiProtect-Leak: Infos zur Artikelreihe, gulli.com 14.11.2009

Markus Kompa, Schlappe für Filesharing-Massenabmahndienstleister DigiProtect, Telepolis 04.02.2010
Gericht stellt Erlösmodell der Abmahn-Industrie in Frage, Heise online 04.02.2010

(4) Thomas Stadler, Die Abrechnungspraxis der Filesharing-Abmahnanwälte, 11.12.2009

(5) http://88.80.16.63/leak/davenport-lyons-and-kornmeier-monetary-and-working-correspondence.pdf

(6) Digi Rights Solutions: Abmahnungen einträglicher als verkaufte Musik? gulli.com 17.10.2009

(7) http://88.80.16.63/leak/digi-rights-solutions-filesharing.pdf

(8) Abmahnung is the new Geschäftsmodell, 6t8.org 14.10.2009
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018