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Eine oft vorgebrachte Argumentation hinsichtlich der
Verfassungswidrigkeit lautet, dass ein Gesetz gegen einen im Grundgesetz
genannten Artikel verstößt. Auch hier wird gerne vereinfacht, etwa,
indem der betreffende Artikel als absolut angesehen wird.
Einschränkungen dieses Artikels sehen die Kritiker dann als
Gummiregelung oder als Heuchelei, übersehen jedoch, dass solcherlei
Einschränkungen notwendig sind.
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Ohne
Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum und die Unverletzlichkeit der
Wohnung könnte kein Opfer einer Entführung oder eines Brandes gerettet
werden. Ohne Beschränkung der Meinungsfreiheit und der Freiheit der
Religionsausübung könnte jeder Kindergärtner und Lehrer Scientology oder
anderen Mist predigen. Und ohne Eingriff in den Schutzbereich der
Familie könnten die meisten Kindesmissbräuche nicht verhindert werden.
Versöhnliche und differenzierende Worte kommen von Twister
(1).
Ich gebe ihr vollkommen recht.
Es gibt Fälle, in denen sich staatliche Gewalt gegen Grundrechte
durchsetzen muss. Das ist dann der Fall, wenn höherwertige Rechte den
Rücktritt geringer wertiger verlangen.
Umgangssprachlich handelt es sich dabei um die Verhältnismäßigkeit.
Das BVerfG löst den Widerspruch damit, dass die Bedeutung des einen
Schutzrechtes und die Tiefe des Eingriffs an der Bedeutung des jeweils
anderen Schutzrechtes und der Tiefe seiner Verletzung gemessen werden
muss. Dazu müssen Bedeutung und Eingriffstiefe jeweils einzelnen im
Lichte des anderen Rechts betrachtet und gegeneinander abgewogen werden.
Spötter - und durchaus wohlwollende - sprechen insoweit von der
Schaukeltheorie.
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Vor einer
Woche bin ich meinen Berichtspflichten nach den
§§ 100b Abs. 6 und
100g Abs. 4 StPO nachgekommen und war zunächst erschreckt über die
Vielzahl der Grundrechtseingriffe, die ich und meine drei Kollegen im
vergangenen Jahr veranlasst haben.
Bei genauer Betrachtung ging es um Brände, bei denen unbeteiligte
Menschen ums Leben gekommen sind, um Skimming-Angriffe, bei denen die
Täter sehr viel Geld erbeutet haben, um menschenverachtende
Arbeitsbedingungen, Zwangsprostitution, Raub, Hehlerei und besonders
schadenshohe Betrügereien und Urkundenfälschungen. Also um alles, was im
Straftatenkatalog des
§ 100a Abs. 2 StPO als besonders schwere Kriminalität definiert
wird.
Das hat mich dann wieder beruhigt.
Nun gut,
die
einstweilige Erschießung würde absolute und unveräußerliche
Grundrechte betreffen und das will (hoffentlich) niemand.
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