Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren
gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie
ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des
Informanten zu ermitteln (...). Auch wenn die betreffenden Angehörigen
von Presse oder Rundfunk nicht Zeugen, sondern selbst Beschuldigte sind
und der Schutz des
§ 97 Abs. 5 StPO deshalb nicht besteht, dürfen in gegen sie
gerichteten Ermittlungsverfahren wegen einer Beihilfe zum
Dienstgeheimnisverrat Durchsuchungen nach
§ 102 StPO sowie Beschlagnahmen nach
§ 94 StPO zwar zur Aufklärung der ihnen zur Last gelegten Straftat
angeordnet werden, nicht aber zu dem vorrangigen oder ausschließlichen
Zweck, Verdachtsgründe insbesondere gegen den Informanten zu finden.
Andernfalls könnte der von der Pressefreiheit umfasste Informantenschutz
unterlaufen werden.
BVerfG
(1) |
Kritisch anzumerken ist hier, dass in etlichen
Formulierungen in der Begründung des Referentenentwurfs ein tiefes
Misstrauen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden offenbar wird und dass
schon in der Problemstellung unzutreffend massenweise Verstöße gegen die
verfassungsrechtlich verankerte Pressefreiheit durch
Staatsanwaltschaften und
Polizeibehörden suggeriert werden. Die Strafverfolgungsbehörden achten
sorgfältig auf die verfassungsgerichtlichen Vorgaben bei
Ermittlungsverfahren
wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Dementsprechend gering ist die
Anzahl der geführten Verfahren, noch geringer die Zahl der
Verurteilungen.
DRB
(2) |
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Die
Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche
demokratische Grundordnung und von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat.
Sie wird von
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet, dessen Schutzbereich
diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit einschließt, ohne
welche Presse und Rundfunk ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen
können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der
Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Medienangehörigen und ihren
Informanten
(2).
Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit
im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG)
(3)
schlägt die Schaffung eines neuen Absatzes in
§ 353b StGB vor, der die Pressevertreter von der strafrechtlichen
Haftung als Teilnehmer an einem Geheimnisverrat freistellen soll:
Beihilfehandlungen einer in
§ 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung
genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die
Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes
oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung
besteht, beschränken.
Diese Einschränkung der Strafbarkeit ist nicht neu, sondern bereits
vom BVerfG in dem Cicero-Urteil festgesetzt worden
(1).
Deshalb hält der Deutsche Richterbund die Neuregelung für unnötig
(2).
Grundsätzliche Rechtsfragen sollen vom Gesetzgeber und nicht von der
Rechtsprechung geklärt werden. Deshalb teile ich die Kritik des DRB in
diesem Punkt nicht.
Nur zur Klarstellung: Kein Pressevertreter darf einen Geheimnisträger
zum Geheimnisverrat anstiften oder bei der Beschaffung von Geheimnissen
tätig unterstützen. Solche Handlungen betrachten sowohl das BVerfG wie
auch der Rederentenentwurf als strafbar.
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Gut finde ich hingegen die kritische Anmerkung des DRB (Kasten
links unten).
Ich kann nicht ausschließen, dass die in der Strafverfolgung tätigen
Polizisten, Staatsanwälte und Richter Fehler machen. Einen generellen
Freibrief kann es deshalb nicht geben.
Andererseits sticht der DRB den Finger in die richtige Wunde. Vor
allem die Staatsanwaltschaften und die Justiz erhalten von ihren
obersten Bundesverwaltungen und der gesetzgebenden Gewalt äußerst wenig
Rückendeckung und eher von Misstrauen geprägte Vorgaben. Die
Berichtspflichten in den
§§ 100b,
100e und
100g StPO sind mehr als ein drohender Fingerzeig in diese Richtung
(4).
Die Distanzierung der obersten Gewaltverantwortlichen könnte als ein
Ausdruck schlechten Gewissens angesehen werden. Er wäre von der
Erkenntnis geprägt, Aufgaben bedenkenlos auf den nachgeordneten Apparat
zu schieben, ohne dafür auch die sachlich und personell nötigen
Ressourcen zu geben. Den Effekt davon nennt man Arbeitsverdichtung.
Strafverfolger sind nicht gut, aber auch nicht schlecht bezahlte
Profis mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss, die ihr Handwerk
gelernt haben. Das gerät manchmal in Vergessenheit und das vielfach mit
einer ganz fatalen Folge: Besonders bei der Polizei und in der Justiz
brauchen wir engagierte und gleichzeitig stand- und prinzipienfeste
Demokraten. Sie haben tief gehende Eingriffsbefugnisse und müssen ihr
Handeln nicht nur an Gesetz und Verfassung, sondern auch an Moral,
Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit ausrichten. Sie und ihre
Alltagssituation zu ignorieren kann bestenfalls Gleichgültigkeit
gegenüber Staat, Gesellschaft und Wirtschaft provozieren.
Das kann nicht gut sein.
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(1)
BVerfG, Urteil vom 27.02.2007 - 1 BvR 538, 2045/06
(CICERO), Rn. 61.
(2)
Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf für ein
Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG),
23.06.2010
(3)
Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im
Straf- und Strafprozessrecht (PrStG), 15.02.2010
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(4)
Solche Regeln zur Justizverwaltung gehören entweder in das
Gerichtsverfassungsgesetz oder besser noch in ein
Justizverwaltungsgesetz, das es nicht gibt. Viele Erleichterungen wären
zu erwarten, wenn die Durchführung einschließlich der abschließenden
Mitteilungs-, aufbewahrungs- und Verwertungsregeln für alle verdeckten
(geheimen) geheimdienstlichen, polizei- und strafverfahrensrechtlichen
Maßnahmen in einem Gesetz zusammengefasst würden, um die Praxis zu
vereinheitlichen.
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