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Juli 2010
04.07.2010 10-07-09 Grundrechte
     
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Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle, soweit ihnen der Bundesgesetzgeber mit förmlichem Gesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt hat, im Rang eines Bundesgesetzes (...). Diese Rangzuweisung führt dazu, dass deutsche Gerichte die Europäische Menschenrechtskonvention wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben. Die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer Zusatzprotokolle sind in der deutschen Rechtsordnung aufgrund dieses Ranges in der Normenhierarchie kein unmittelbarer verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG; § 90 Abs. 1 BVerfGG). Ein Beschwerdeführer kann insofern vor dem Bundesverfassungsgericht nicht unmittelbar die Verletzung eines in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen Menschenrechts mit der Verfassungsbeschwerde rügen. Die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention beeinflussen jedoch die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte können auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes dienen, sofern dies nicht zu einer - von der Europäischen Menschenrechtskonvention selbst nicht gewollten (vgl. Art. 53 EMRK) - Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt (...). (1)
 

 
Seit mehreren Jahren besteht ein Kompetenzstreit zwischen dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und dem Bundesverfassungsgericht über die Auslegungshoheit bei den Menschenrechten. Der EuGH meint, er stehe über allen nationalen Gerichten der Europäischen Union, und das BVerfG setzt dagegen, dass es die Hüterin der Grundrechte ist. Soweit es um die Menschenrechtskonvention und ihre Auslegung gehe, handele es sich um einfaches Bundesrecht, das dem Grundgesetz nachgeordnet ist. Der EuGH könne bei der Auslegung helfen, nicht aber für sich beanspruchen, über dem Nationalen Verfassungsgericht zu stehen.

Es geht um einen tragischen und schmerzlichen Fall: Die Mutter eines bei einem Verkehrsunfall getöteten Sohnes verlangt nach Strafverfolgung und benennt aus ihrer Sicht die Verdächtigen aus einer politischen Sekte. Die Strafverfolgungsbehörden meinen hingegen, alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft zu haben und die von der Streiterin gezogenen Schlüsse nicht beweisen zu können.

Die streitende Mutter beruft sich auf die Menschenrechtskonvention und das BVerfG nimmt das zum Anlass, deren "nur" bundesrechtliche  Bedeutung hervorzuheben. Das Gericht führt zudem die Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen an strafrechtlichen Ermittlungen aus und watscht mehrfach den Anwalt ab, der die Frau im Verfahren vor dem BVerfG vertreten hat.
 

 
Die Ermittlungen müssen zum einen prompt, umfassend, unvoreingenommen und gründlich sein (...). Sie müssen darüber hinaus geeignet sein, zur Identifizierung und Bestrafung der verantwortlichen Person zu führen (...). Nicht jeder Ermittlungsfehler führt jedoch zu einer Verletzung von Art. 2 EMRK, sondern nur ein Fehler, der den Untersuchungszweck gefährdet, Todesursache und verantwortliche Person festzustellen (...). (2)
 

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(1) BVerfG, Beschluss vom 04.02.2010 - 2 BvR 2307/06, Rn 21.

(2) Ebenda, Rn 20.
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018