Eine Anordnung nach
§ 100a StPO erfordert zwar für sich betrachtet keinen
bestimmten Verdachtsgrad, sondern nur den „einfachen“ Tatverdacht einer
Katalogtat. Dieser Verdacht muss allerdings auf einer hinreichenden
Tatsachengrundlage beruhen. Dabei sind mit Blick auf das Gewicht des in
Rede stehenden Eingriffs in das Grundrecht aus
Art. 10 Abs. 1 GG Verdachtsgründe notwendig, die über vage
Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Es müssen Umstände
vorliegen, die nach der - auch kriminalistischen - Lebenserfahrung in
erheblichem Maße darauf hindeuten, dass jemand eine Katalogtat begangen
hat. Der Verdacht muss auf Grundlage schlüssigen Tatsachenmaterials
bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht
haben. [Leitsatz]
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Zu den Textvergleichen und den aus deren Ergebnissen gezogenen
Schlüssen hat der Senat bereits früher darauf hingewiesen, dass bei
Analysen von Bekennerschreiben vorgefundene Übereinstimmungen in
thematischer, stilistischer und textgestalterischer Hinsicht regelmäßig
Indizien mit einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert sind. [Rn
23]
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Durch
Beschluss vom 11.03.2010
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hat der Bundesgerichtshof bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit
verdeckter Ermittlungsmaßnahmen (
§ 101 StPO) festgestellt, dass sie rechtswidrig waren, weil zum
Zeitpunkt ihrer Anordnung und Durchführung ein ausreichender
Tatverdacht gegen den früheren Beschuldigten nicht bestand.
Das Gericht wiederholt dazu seine Rechtsprechung, dass im
Zusammenhang mit der Überwachung der Telekommunikation gemäß
§ 100a StPO zwar ein einfacher Tatverdacht ausreicht, dieser aber
durch weitere Tatsachen angereichert und abgesichert sein muss (
Anfangsverdacht).
Sprachanalysen anhand von Textvergleichen spricht der BGH einen
äußerst geringen Beweiswert zu. Sie sind jedenfalls für sich
alleine nicht geeignet, den gebotenen Verdacht zu begründen (siehe
links unten).
Wegen der
Begründungspflicht in Beschlüssen über Eingriffsmaßnahmen findet der BGH
hingegen versöhnliche Worte: Staatsanwaltschaft und Gericht müssen sich
darauf verlassen können, dass die Vorlageberichte der
Verfolgungsbehörden vollständig die bekannten Ermittlungsergebnisse
wiedergeben. Insoweit ist der Richter auch nicht gehindert, Teile aus
der Antragsschrift in seinen Beschluss zu übernehmen, wenn er die
rechtliche Beurteilung aus dem Antrag teilt. Damit trägt der BGH auch
der Tatsache Rechnung, dass die Beschlüsse im Ermittlungsverfahren
häufig unter Zeitdruck erfolgen müssen (siehe
Kasten rechts). Daraus folgt - zu recht - eine große Verantwortung der
Ermittlungsbehörden.
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Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen davon
ausgehen können, dass sie im Ermittlungsverfahren ihre Entscheidungen
auf der Grundlage aller maßgebenden, bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt
angefallenen Ermittlungsergebnisse treffen. Der Ermittlungsrichter ist
bereits von Verfassungs wegen verpflichtet, die Zulässigkeit der
beabsichtigten Maßnahme eigenständig zu prüfen (...). Entgegen der
Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten des früheren Beschuldigten
fehlt es an einer solchen eigenständigen Prüfung nicht ohne Weiteres
bereits dann, wenn der Ermittlungsrichter Passagen aus der
Antragsschrift der Staatsanwaltschaft wörtlich in seinen Beschluss
übernimmt. Denn stimmt der Ermittlungsrichter in seiner Einschätzung,
dass die Voraussetzungen für die Anordnung der von der
Staatsanwaltschaft beantragten Ermittlungsmaßnahmen vorliegen, mit
derjenigen der Antragstellerin überein, so ist er nicht verpflichtet,
dies durch eine eigene sprachliche Stilübung im Anordnungsbeschluss
selbstständig zu formulieren; vielmehr darf er insoweit durchaus
wörtlich auf die Ausführungen in der Antragsschrift zurückgreifen. Die
dem zugrunde liegende, unabdingbare, eigenständige Prüfung der
Anordnungsvoraussetzungen durch den Ermittlungsrichter muss allerdings
in der Praxis häufig unter großem Zeitdruck durchgeführt werden; der
Akteninhalt ist oft umfangreich. Die Erfüllung seiner Funktion als
Kontrollorgan der Ermittlungsbehörden (...) wird deshalb nicht
unerheblich erschwert und verzögert, wenn der Ermittlungsrichter nicht
annehmen kann, dass die Beweislage, soweit sie für die Entscheidung
relevant ist, in den Antragsschriften ohne erhebliche Lücken dargetan
ist. [Rn 26]
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