Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist weder
rechtsmissbräuchlich erhoben noch verstößt dessen Einlegung unter einem
anderen rechtlichen Gesichtspunkt gegen das Gebot eines
rechtsstaatlichen Strafverfahrens. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs unterliegt die Befugnis der Verfahrensbeteiligten,
nach einer vorausgegangenen Verständigung das Rechtsmittel der Revision
einzulegen, keinen Einschränkungen (
BGH, Urteil vom 28. August 1997 - 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195;
BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - GSSt 1/04,
BGHSt 50, 40). Dies gilt nicht nur für die Rechtsmittelbefugnis des
Angeklagten, sondern uneingeschränkt auch für diejenige anderer
Verfahrens-beteiligter (...). Das nach Erlass des angefochtenen Urteils in Kraft getretene Gesetz
zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (...) hat an dieser Rechtslage nichts geändert. (1) |
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Das Gericht
kann in der Hauptverhandlung den Stand des Verfahrens mit den
Verfahrensbeteiligten erörtern, soweit dies geeignet erscheint, das
Verfahren zu fördern (
§ 257b StPO). Dabei dürfen sich die Verfahrensbeteiligten auch über
die Gegenstände der Beweisaufnahme und über das Strafmaß verständigen (
§ 257c StPO). Das sind die zentralen Vorschriften, die seit 2009 den
"Deal" in der gerichtlichen Hauptverhandlung regeln [ (2) Einzelheiten
siehe
rechts]. Ausgeschlossen ist es hingegen, dass der Angeklagte nach einer
Verständigung auf sein zulässiges Rechtsmittel verzichtet.
Man kann bezweifeln, ob die seit einem Jahr geltenden Regeln die
Strafverfahren erleichtert haben. Sie haben jedenfalls durch ihre
Formenstrenge neue Fehlerquellen geschaffen.
Die
Stellung des Angeklagten haben sie deutlich gestärkt und - böswillig
formuliert - zu folgender Verteidigungsstrategie geführt:
zunächst wird das Gericht an eine ausgehandelte Höchststrafe gebunden
dann
wird an der geständigen Einlassung des Angeklagten so gefeilt, dass das
Gericht nicht umhin kommt, unterhalb der Höchststrafe zu bleiben
die Einlassung erfolgt dann in Form einer Prozesserklärung seines
Verteidigers (3),
der sich der Angeklagte kopfnickend anschließt
dadurch hat das Gericht nur wenig Substanz für das schriftliche Urteil
das
rächt sich dann, wenn der Angeklagte gegen das Urteil Rechtsmittel
einlegt
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Das
Verzichtsverbot ist bereits seit Jahren vom BGH gefordert und
durchgesetzt worden. Unlängst hat er bestätigt, dass auch die
Staatsanwaltschaft nach einer Verständigung Rechtsmittel einlegen kann [ (1);
siehe
links oben].
Man kann sich natürlich fragen, was eine Verständigung soll, wenn
sich die Beteiligten nicht an ihr Wort halten müssen. Oder anders
ausgedrückt: Mit unzuverlässigen Partnern gibt es künftig keine
Verständigung; das muss sich nur rumsprechen.
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