... Trio (ist) eine Sprache, die in
Surinam und in Brasilien gesprochen wird. Das Besondere an Trio ist,
dass die Grammatik die Sprecher zwingt, den Wahrheitsgehalt einer
Äußerung kenntlich zu machen. ...
In Surinam ... ist die Amtssprache Niederländisch. ... So kam es ...
einmal dazu, dass ein Staatsbeamter ... sagte: "Ich habe gesagt, dass
wir eine Schule bauen werden, aber jetzt hat sich erwiesen, dass wir
dafür kein Geld haben." Der Dolmetscher vergaß, beim Verb "gesagt" die
so genannte Frustrativ-Endung anzuhängen. Diese Endung ... gibt darüber
Auskunft, ob der Sprecher nach bestem Wissen etwas sagt oder nur vom
Hörensagen etwas kennt oder schon weiß, dass die Äußerung nicht wahr
ist. Durch das Versäumnis ... entstand ... der Eindruck, als habe der
Beamte schon während des Versprechens gewusst, dass keine Schule gebaut
würde.
... Im Trio muss man ... in der Verbform angeben, ob man (etwas z.B.)
selbst gesehen hat oder ob man es vom Hörensagen oder durch indirekte
Beweise weiß. In den meisten Standardsprachen ist diese Präzision nur
mit langen Nebensätzen möglich und wird eigentlich auch nur in der
Fachsprache von Juristen angestrebt. Dass das Trio solche
Unterscheidungen macht, ist umso erstaunlicher, als die (noch etwa
2.200) Sprecher dieser Sprache Landbewohner sind, die von der Jagd und
dem Ackerbau leben. ...
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Florian
Rötzer berichtet von den Bemühungen Chinas um die Reinhaltung der
chinesischen Sprache
(2).
Dabei geht es besonders darum,
die willkürliche Verwendung englischer Worte und Akronyme in
Publikationen aller Art zu unterbinden. Hierzu sollen
Übersetzungen ... den grundlegenden Übersetzungsregeln gehorchen,
Eigennamen sowie wissenschaftliche und technische Begriffe sollten ins
Chinesische übersetzt werden.
Rötzer hat
recht damit, wenn er darauf verweist, dass Sprachen sich schon immer
gewandelt haben, Einflüssen anderer Kulturen, neuen Lebensumständen und
Moden ausgesetzt waren. Starre Regeln für Grammatik und Rechtschreibung
entstanden erst in den Nationalstaaten und sind in Deutschland mit
großen Namen wie Duden
(3)
und Grimm
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verbunden.
Sprachregeln sind Übereinkünfte - oder sollten es jedenfalls sein, um
das Verständnis und die Verständigung zu erleichtern. Das gilt besonders
für die Schriftsprache, die keine Interaktion, keine Nachfragen des
Empfängers und keine Wiederholung in anderen Worten kennt. Verständnis
wird aber nicht durch bemühtes Einsprachen oder durch gedrechselte
Grammatiken erreicht. Das eine führt zu lächerlichen Wortungeheuern wie
die "geflügelte Jahresendzeitfigur" aus DDR-Tagen und das andere zu
Schülerqualen
(5).
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Fachwörtern und Fremdwörtern.
Beide haben ihre Berechtigung dann, wenn sie für einen präzisen Inhalt
stehen, der in der eigenen oder in der Umgangssprache nicht zum Ausdruck
kommt oder erst durch weitere Erklärungen herausgearbeitet werden kann.
Das gilt besonders für die Fachwörter, die jedenfalls in einem
fachbezogenen Zusammenhang verwendet werden müssen, um Missverständnisse
zu vermeiden.
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Das ist
kein Freibrief für immer neue Wortschöpfungen, die ihren präzisen und
beschreibenden Inhalt vermissen lassen. Besonders hervor tun sich damit
die IT-Avantgardisten und Management-Berater, die frei von jeder
Systematik und jedem Sinnzusammenhang für jeden Furz einen neuen
englischsprachigen Begriff einführen. Das ist keine Fachsprache, sondern
Unsinn. Darüber hat sich unlängst auch Igor Muttik ausgelassen
(6).
Wenn es um
die Informationstechnik oder das Internet geht, dann ist die englische
die führende Sprache. Die dabei gebildeten Fachwörter dürfen Geltung in
jeder Sprache verlangen und müssen in einer fachlichen
Auseinandersetzung genannt und richtig verwendet werden. Keinem Leser ist mit
zutreffenden und guten Erklärungen in der eigenen Sprache gedient, wenn
ihm nicht zugleich die Fachwörter genannt werden. Nur sie erkennt er in
anderen Texten und Gesprächen wieder und kann dann auch etwas mit den
gelesenen Erklärungen anfangen.
Fachwörter
zeichnen sich durch eine fachliche Logik, Systematik und Tradition aus.
Die beiden letzten Kriterien fehlen den wilden Fachwortbildnern in aller
Regel.
Noch schlimmer sind die wilden Fremdwortverwender, die einfache
sprachliche Aussagen durch Fremdwörter ersetzen. Das schlimmste, was ich
insoweit erlebt habe, war ein Vortrag des inzwischen emeritierten
Professors Wiethoelter: Eine Aneinanderreihung von Fremdwörtern, deren
Sinn als einzelnes Wort ich verstand, aber ihren Zusammenhang nicht
mehr.
Man sollte
meinen, wer spricht, will sich verständlich machen. Dazu gehört auch der
bewusste und sparsame Umgang mit fremden Wörtern. So verstanden habe ich
Verständnis für den chinesischen Vorstoß.
15.01.2011: Eine nette Sammlung verkorkster Anglizismen gibt es hier:
Christian Töpfer, Schlimm: Das Business-Denglisch der
Chefs, tecchannel 15.01.2011
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