Cybercrime | Ermittlungen | TK & Internet | Literatur | intern | Impressum |
Dezember 2010 |
|
|
|||||||
sehr mildes Urteil |
|
Zu der ausgeurteilten Strafe wäre auch das Schöffengericht befugt gewesen ( §§ 24 Abs. 2, 25, 28 GVG). Das Landgericht hat jedenfalls seine Zuständigkeit angenommen ( § 74 GVG) und das Verfahren vor der großen Strafkammer eröffnet ( §§ 207 Abs. 1, 210 Abs. 2 StPO). Das spricht dafür, dass nach den Ergebnissen der Ermittlungen eine Freiheitsstrafe von mehr als 4 Jahre in Betracht gekommen ist. Die gewerbsmäßige Bandenhehlerei wird von § 260a Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 10 Jahre bedroht. Hier sind minder schwere Fälle im Sinne von § 260a Abs. 2 StGB angenommen worden, deren Strafrahmen von 3 Monaten bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe reicht ( § 49 Abs. 1 StGB). Der minder schwere Fall ist eine Ausnahme für die Fälle, in denen in einer Gesamtschau alle wesentlichen Strafzumessungskriterien ( § 46 Abs. 2 StGB) zu Gunsten des Angeklagten sprechen und die Tat sich deutlich vom Durchschnitt vergleichbarer Taten abhebt [ links unten, (2)]. Mit Einzelfreiheitsstrafen von 8 Monaten hat das Gericht jedenfalls nicht die mildesten vom Strafrahmen zugelassenen Strafen ausgeurteilt. |
An diese Vorgaben hat sich das erkennende Gericht gehalten und die Einsatzstrafe verdreifacht auf 2 Jahre Gesamtfreiheitsstrafe. Schließlich wurde die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Das lässt § 56 Abs. 2 StGB ausnahmsweise bei Freiheitsstrafen bis höchstens 2 Jahre zu, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Verurteilten besondere Umstände vorliegen. Hier wurden also mehrere Ausnahmen der Strafzumessung zugrunde gelegt: Der Strafrahmen wurde gemildert durch die Annahme minder schwerer Fälle. Mit zwei Jahren Freiheitsstrafe wurde auf das Höchstmaß von Strafe erkannt, bei der eine Strafaussetzung zur Bewährung noch in Betracht kam. |
||
|
||||
Bei Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr muss nicht nur die Erwartung bestehen, dass der Angeklagte ohne die Verbüßung allein durch die Verurteilung von künftigen Straftaten absehen wird, sondern es müssen in einer Gesamtschau besondere Umstände aus der Tat und der Person hervortreten. Danach entsteht der Eindruck, dass das erkennende Gericht alle noch zulässigen Ausnahmen angewandt hat, um dem Angeklagten entgegen zu kommen. Das Geschmäckle wird noch dadurch unterstrichen, dass das Gericht genau das "sehr milde" Ergebnis zum Gegenstand einer Verständigung gemacht hatte, dem die Staatsanwaltschaft nicht zustimmte.
Die
Strafzumessung und die dazu gebotene Gesamtschau obliegt jedoch allein
dem erkennenden Gericht (Tatrichter). Das Revisionsgericht darf sie nur
im Hinblick auf Rechtsfehler, Lücken, innere Widersprüche, Denkfehler und
Widersprüche zu sicheren Erfahrungswerten überprüfen. Die
Staatsanwaltschaft muss deshalb vor allem in der Hauptverhandlung um
ihre Positionen streiten und nicht erst in der Revision. Zum Streit
gehören dann auch bestimmte Notbremsen, wenn sie angezeigt sind (
§§ 24 Abs. 1,
244 Abs. 3 StPO)
(6). |
Es bleibt das dumpfe Gefühl, dass in diesem Fall das Landgericht mit dem Motiv, nicht vom BGH aufgehoben zu werden, "Papa Gnädig" gespielt hat. Die Einzelheiten des Sachverhalts wurden jedoch nicht veröffentlicht, das Hehlergut und sein Straßenpreis sowie nähere Angaben zur Person des Angeklagten sind unbekannt und hinzunehmen. Dennoch bleibt auffällig, dass der Angeklagte hier besonders gut weggekommen ist, was der BGH in anderen Fällen mit harschen Worten kritisiert (7) oder milde unkommentiert lässt (8). Ebenso mahnt er immer wieder vor einer zu unkritischen Übernahme schön gefärbter Einlassungen (9) und vor der unwürdigen Anbiederung gegenüber dem Angeklagten (10). Besorgniserregend ist, dass das Gericht gegen den Willen der
Staatsanwaltschaft "durchentschieden" hat. Das spricht für eine
Konfrontationsstimmung, von der ich hoffe, dass sie sich auch in Berlin
auf Einzelfälle beschränkt. |
|||
Anmerkungen | ||||
(2) BGH, Beschluss vom 13.02.2001 - 4 StR 23/01 (3) BGH, Urteil vom 18.09.1995 – 1 StR 463/ 95 (4) Zum Beispiel BGH, Urteil vom 21.03.2006 - 1 StR 61/06
(5)
Zum Beispiel
BGH, Beschluss vom 21.09.2009 - 2 StR 266/05; |
(6) Verständigung #2; BGH, Beschluss vom 05.10.2010 - 3 StR 287/10
(7)
der Gerichtshof rockt;
(8)
Mittäterhaftung bestätigt;
(9)
Beweiswürdigung im Revisionsverfahren; |
|||
Cyberfahnder | ||||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |