Mit Strafrahmenwahl (
§ 260a Abs. 2 StGB), Einzelstraf- und Gesamtstrafbemessung
sowie Strafaussetzung hat das Tatgericht den vom Revisionsgericht
hinzunehmenden Rahmen des Vertretbaren nicht unterschritten. Die
Sanktionierung des Angeklagten ist nach Art und Gesamtumfang der Taten
und angesichts des Gesamttatzeitraums sehr,
indes bei dem Prozessverhalten des Angeklagten und seiner sozialen
Einbindung nicht unvertretbar milde. Dass
das Urteil einem Verständigungsvorschlag
der Strafkammer entsprach, dem die Staatsanwaltschaft nicht zugestimmt
hatte, begründet für sich keinen Rechtsfehler ...
(1) |
Für das Vorliegen eines minder schweren Falles ist
entscheidend, ob
das Gesamttatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der
Täterpersönlichkeit
vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in
einem Maße abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten
erscheint
(2) |
|
Die knappen
Hinweise des BGH überraschen dem ersten
Anschein nach
(1): Der Angeklagte wurde
vom LG Berlin wegen 22 Fälle der
gewerbsmäßigen Bandenhehlerei zu Einzelstrafen von jeweils 8 Monaten
Freiheitsstrafe und schließlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2
Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Der "Gesamtumfang der Taten", "Gesamttatzeitraum" und das
"Prozessverhalten", auf die der BGH hinweist (
links), werden nicht näher ausgeführt.
Zu der
ausgeurteilten Strafe wäre auch das Schöffengericht befugt gewesen (
§§ 24 Abs. 2,
25,
28
GVG). Das Landgericht hat jedenfalls seine Zuständigkeit angenommen
(
§ 74 GVG) und das Verfahren vor der großen Strafkammer eröffnet (
§§ 207 Abs. 1,
210
Abs. 2 StPO). Das spricht dafür, dass nach den Ergebnissen der
Ermittlungen eine Freiheitsstrafe von mehr
als 4 Jahre in Betracht gekommen ist.
Die gewerbsmäßige Bandenhehlerei wird von
§ 260a Abs. 1 StGB mit Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis 10 Jahre
bedroht. Hier sind minder schwere Fälle im Sinne von
§ 260a Abs. 2 StGB angenommen worden, deren Strafrahmen von 3
Monaten bis 7 Jahre 6 Monate Freiheitsstrafe reicht (
§ 49 Abs. 1 StGB). Der minder schwere Fall ist eine Ausnahme für die
Fälle, in denen in einer Gesamtschau alle wesentlichen
Strafzumessungskriterien (
§ 46 Abs. 2 StGB) zu Gunsten des Angeklagten sprechen und die Tat
sich deutlich vom Durchschnitt vergleichbarer Taten abhebt [
links unten,
(2)].
Mit Einzelfreiheitsstrafen von 8 Monaten hat das Gericht jedenfalls
nicht die mildesten vom Strafrahmen zugelassenen Strafen ausgeurteilt.
|
Die Gesamtstrafe wird durch die Erhöhung der verwirkten höchsten Einzelstrafe
gebildet (Einsatzstrafe,
§§ 53,
54 StGB). Sie darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen und
ist auf 15 Jahre Freiheitsstrafe begrenzt (
§ 54 Abs. 2 StGB). Bei gleichartigen Serientaten ist eine
zurückhaltende Erhöhung der Einsatzstrafe geboten, wenn zwischen den
einzelnen Taten ein enger zeitlicher, sachlicher und situativer
Zusammenhang besteht
(3).
Andererseits fordert die Rechtsprechung eine besonders tiefe Begründung,
wenn die Gesamtstrafe das 2 1/2-fache der Einsatzstrafe erreicht
(4)
oder - mehr noch - sich der Summe der Einzelstrafen nähert
(5).
An diese Vorgaben hat sich das erkennende Gericht gehalten und die
Einsatzstrafe verdreifacht auf 2 Jahre Gesamtfreiheitsstrafe.
Schließlich wurde die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe zur
Bewährung ausgesetzt. Das lässt
§ 56 Abs. 2 StGB ausnahmsweise bei Freiheitsstrafen bis höchstens 2
Jahre zu, wenn nach der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des
Verurteilten besondere Umstände vorliegen.
Hier wurden
also mehrere Ausnahmen der Strafzumessung zugrunde gelegt:
Der Strafrahmen wurde gemildert durch die Annahme minder schwerer Fälle.
Mit zwei Jahren Freiheitsstrafe wurde auf das Höchstmaß von Strafe
erkannt, bei der eine Strafaussetzung zur Bewährung noch in Betracht
kam.
|
|
Bei
Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr muss nicht nur die Erwartung
bestehen, dass der Angeklagte ohne die Verbüßung allein durch die
Verurteilung von künftigen Straftaten absehen wird, sondern es müssen in
einer Gesamtschau besondere Umstände aus der Tat und der Person
hervortreten.
Danach
entsteht der Eindruck, dass das erkennende Gericht alle noch zulässigen
Ausnahmen angewandt hat, um dem Angeklagten entgegen zu kommen.
Das Geschmäckle wird noch dadurch unterstrichen, dass das Gericht
genau das "sehr milde" Ergebnis zum Gegenstand einer Verständigung
gemacht hatte, dem die Staatsanwaltschaft nicht zustimmte.
Die
Strafzumessung und die dazu gebotene Gesamtschau obliegt jedoch allein
dem erkennenden Gericht (Tatrichter). Das Revisionsgericht darf sie nur
im Hinblick auf Rechtsfehler, Lücken, innere Widersprüche, Denkfehler und
Widersprüche zu sicheren Erfahrungswerten überprüfen. Die
Staatsanwaltschaft muss deshalb vor allem in der Hauptverhandlung um
ihre Positionen streiten und nicht erst in der Revision. Zum Streit
gehören dann auch bestimmte Notbremsen, wenn sie angezeigt sind (
§§ 24 Abs. 1,
244 Abs. 3 StPO)
(6).
|
Es bleibt
das dumpfe Gefühl, dass in diesem Fall das Landgericht mit dem Motiv,
nicht vom BGH aufgehoben zu werden, "Papa Gnädig" gespielt hat. Die
Einzelheiten des Sachverhalts wurden jedoch nicht veröffentlicht, das
Hehlergut und sein Straßenpreis sowie nähere Angaben zur Person des
Angeklagten sind unbekannt und hinzunehmen.
Dennoch bleibt auffällig, dass der Angeklagte hier besonders gut
weggekommen ist, was der BGH in anderen Fällen mit harschen Worten
kritisiert
(7)
oder milde unkommentiert lässt
(8).
Ebenso mahnt er immer wieder vor einer zu unkritischen Übernahme schön
gefärbter Einlassungen
(9)
und vor der unwürdigen Anbiederung gegenüber dem Angeklagten
(10).
Besorgniserregend ist, dass das Gericht gegen den Willen der
Staatsanwaltschaft "durchentschieden" hat. Das spricht für eine
Konfrontationsstimmung, von der ich hoffe, dass sie sich auch in Berlin
auf Einzelfälle beschränkt.
|