Plötzlich
standen zwischen allen Landeshauptstädten frisch in schwarz-rot-gold
gestrichene Masten, die quer durch alle Bundesländer hindurch schwere,
durchhängende und sirrende Kabel trugen. Verbunden waren sie mit
Asphaltwegen, zu beiden Seiten kilometerweit abgesperrt durch
unüberwindbare Zäune. Alle zehn Kilometer war ein Kontrollmast
entstanden, auf dessen Spitze ein Wachturm prangte. Jeder fünfte
Kontrollmast verfügte an seinem Grund über ein kleines Fort der
Bundespolizei mit allen nötigen Versorgungseinrichtungen. Sie
kontrollierte die abgesperrte Zone mit leichten Kampfpanzern. Im
Luftraum darüber sicherten Massen von fliegenden Drohnen die Kritische
Infrastruktur: Das Verbindungsnetz des Bundes. |
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11-02-16
2009 wurde
das Grundgesetz geändert und der Bund zur Einrichtung eines bundesweiten
Verbindungsnetzes verpflichtet, das alle Landesnetze verbindet (
Art 91c Abs. 4 GG). Die Einzelheiten regelt bekanntlich und immer
wieder ein Gesetz
und das ist das Gesetz über die Verbindung der informationstechnischen
Netze des Bundes und der Länder - kurz:
IT-NetzG. Es regelt die nötigen Definitionen, Beteiligungen und
nennt den vorübergehenden Verantwortlichen:
Deutschland Online Infrastruktur e. V. - DOI-Netz e. V. Wir wären
nicht in Deutschland, wenn es nicht auch dafür einen Verein gäbe.
Nun darf
man nicht glauben, dass mit einem "Netz" wirklich ein "Netz" aus Kabeln
gemeint wäre. Wir sind in Deutschland und hier haben wir die schnöde
physikalische Basis schon lange hinter uns gelassen. Für die Wege und
Kabel sind die gewerblichen Carrier zuständig. Daran werden allenfalls
eigene Router angeschlossen, aber auch das ist falsch: Es werden
allenfalls neben den Routern der Carrier eigene Bundesrouter gestellt
und wenn es schlecht kommt, auf den Routern der Carrier eine
bundeseigene Software installiert, die den eigenen Datenverkehr
verschlüsselt, tunnelt und verwaltet. Darüber wurde hier bereits
berichtet:
Overlay-Netze der öffentlichen Verwaltung, 30.03.2008.
Das
Zauberwort dafür ist
MPLS
(1).
Das dahinter stehende Konzept ist gut, bemüht sich um eine ganz starke
Verschlüsselung, um Lastenausgleich und alternatives Routing. Wenn aber
der Carrier ausfällt, ihm wegen Zahlungsunfähigkeit der Hahn abgedreht
wurde, zu viele Bagger seine Kabel gekappt oder Hacker die
Kontrolle über ihn übernommen haben, dann wird es duster für das
aufgesetzte Konzept. Besonders schlimm wird es, wenn der Angreifer wie
bei der Quellen-TKÜ den Verarbeitungsprozess im MPLS-Router selber
abhört und manipuliert.
Das DOI
beschränkt sich auf das Overlay. Drumherum werden die Sicherheitsfragen
kompetent und unangreifbar benannt (MS: adressiert) und gelöst
(2).
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Das Problem
ist die grundlegende, physikalische Infrastruktur. Wenn sie angegriffen
und als Sprungbrett zur Overlay-Infrastruktur missbraucht werden kann,
dann nutzen alle feinsinnigen Konzepte in der abgehobenen Ebene nichts
mehr, weil sie in ihrem Kern getroffen werden können.
Der
Cyberfahnder fantasiert 'mal wieder rum, ist die Reaktion, die ich
darauf erwarte.
Ich traue Kriminellen und anderen Internet-Aktivisten einiges zu, auch
Witz und punktuelle Genialität. Deshalb habe ich mir abgewöhnt, sie zu
unterschätzen.
Ich habe mich auf die Analyse spezialisiert. Mir reicht es zu wissen,
was andere anstellen können, ohne das selber machen zu können oder zu
müssen.
Dadurch kann ich Tendenzen und Analogien miteinander verbinden und
benennen. Mit diesen Prognosen mag ich nicht immer richtig gelegen haben
und habe sie auch korrigiert. Grundsätzlich aber gilt und hat sich zu
häufig bewahrheitet:
Es macht nicht immer Spaß, Recht zu behalten.
Das geschieht aber nur zu häufig.
Fazit
Macht Euer Verbindungsnetz! Regelt den Zugang und den Datentransport!
Erwartet aber nicht, dass Ihr damit - trotz Zugangsregelung,
Verschlüsselung und Tunnelung - sicher vor Angriffen, dem Abhören oder
der Manipulation seid. Das würde mindestens nach einer eigenen
physikalischen Infrastruktur verlangen, nach Wachtürmen und Panzern.
Nicht, dass wir das schon heute zwingend bräuchten. Perspektivisch
hingegen ganz sicher.
Weil: Es macht nicht immer Spaß, Recht zu behalten.
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