Im Monat
Juli 2011 sind knapp 1.000 PDF-Dokumente vom Cyberfahnder herunter
geladen worden. Der jüngste Aufsatz über die Ermittlungen im Internet
belegt mit 96 Downloads nur den vierten Rang. Mehr als doppelt so viele
Aufrufe kommen auf die Präsentation aus dem Mai, die die Grundlagen für
den Aufsatz lieferte und natürlich oberflächlicher bleiben musste.
"Skimming" ist ungeachtet aktueller Moden der
Dauerrenner und wird eng verfolgt von dem Arbeitspapier "Durchsuchung
und Beschlagnahme", das hoffnungslos überaltert ist. Eine beachtliche
Position hat das Arbeitspapier "Cybercrime" mit 102 Downloads erreicht.
Schade ist es um die Aufsätze "Eskalationen" und
"Eine kurze Geschichte der Cybercrime", die beide wertvoll sind, weil
sie das Potenzial der Cybercrime und der Konflikte im Internet
ausloten und verständlich machen. Das gilt auch für die "Netzkommunikation",
die immerhin 49 Downloads erfahren hat.
Die Summe
der Top 20 PDF-Downloads bringt es zwar nur auf 961. "Knapp 1.000"
klingt natürlich besser und schmeichelt auch mehr. Das ist die eine
Seite. Auf der anderen Seite steht die schweigende juristische Gemeinde.
Sie jubelt und äußert sich nicht. Schlegel hat sich für eine nette
Headline bedankt (Onlinedurchsuchung light)
(1),
Tyszkiewicz
(2)
und Seidl und Fuchs
(3)
für die nette technische Inspiration. Jedenfalls beim Thema Skimming
hätte ich mehr erwartet und zwar auch eine Auseinandersetzung mit
juristischen Fragen. Wenn schon ein renomierter Bundesrichter sagt: "Wenn
ich über Skimming schreiben wollte, dann könnte ich auch nur bei Ihnen
abschreiben."
(4)
Ansonsten
ist der Cyberfahnder für das juristische Alltagsgeschäft ein Punker, der
wahrgenommen, aber niemals ernsthaft diskutiert wird. Warum? Ich
veröffentliche meine Gedankenarbeit nicht in Zeitschriften und
Verlagswerken, sondern nur frei zugänglich und kostenlos im Internet. "Sowas"
nennt man Open Source und kann man in der juristischen Fachliteratur
allenfalls zitieren, um sich lexikalische Ausführungen zu ersparen,
nicht aber zum Gegenstand einer ernsthaften Auseinandersetzung machen.
Warum mache ich das trotzdem?
Einerseits bin ich neugierig und will Prozesse und Erscheinungsformen
nicht einfach nur mit neuen Namen versehen, sondern verstehen.
Wenn ich sie dann verstanden habe, will ich sie auch dokumentieren und
für mich konservieren. Insoweit ist der Cyberfahnder auch ein
Zettelkasten, auf den ich im Berufsalltag hemmungslos zurück greife
(5).
Andererseits will ich auch kein Herrschaftswissen bunkern. Ich werde vom
Staat nicht fürstlich, aber auskömmlich bezahlt, und deshalb hat die
Allgemeinheit ein gewisses Anrecht darauf, zwar nicht auf mein
personenbezogenes Spezial-, wohl aber an meinem personenunabhängigen
Fachwissen teilnehmen zu dürfen.
"Gibst Du
damit der Gegenseite nicht zu viel Angriffsfläche?", bin ich schon
mehrfach gefragt worden. Meine Antwort ist: Eher nein. Besonders bei
Skimming-Verfahren habe ich mehreren Verteidigern gesagt, dass ich mit
offenem Visir kämpfe und sie meine Ansichten und Einschätzungen - im
Allgemeinen - offen nachlesen können. Das hat die Streite eher
besänftigt und auf das notendige Maß verringert.
Das kann sich ändern. Zwar nervend, aber lächerlich sind die
gebetsmühligen Wiederholungen, ich würde serienmäßige
Vorratsdatenabfragen wollen, um die nicht schwere Kriminalität verfolgen
zu können. Davon bin ich weit entfernt. Ich verlange zugunsten der
einfachen und mittleren Kriminalität die Vorratsdatenspeicherung, damit
die Bestandsdaten überhaupt abgefragt werden können. Dagegen sagt auch
das BVerfG überhaupt nichts. Bewegungsprofile anhand von Verkehrsdaten
brauchen wir wirklich nur wegen der schweren
Kriminaliät - und auch dagegen hat das BVerfG nichts.
Meine Meinungsäußerungen können natürlich mit den Methoden des Social
Engineering auf ihren Kerngehalt reduziert und dann gezielt missbraucht
werden. Diese Gefahr ist da. Gegenwärtig überwiegt noch der Gegeneffekt.
Strafverfolger bekommen Mut und Anregungen vom Cyberfahnder und das
bestätigen mir die Reaktionen aus dem polizeilichen Bereich. Solange dem
nur abstrakte Befürchtungen entgegen stehen, hat das offene Konzept des
Cyberfahnders noch immer seine Berechtigung.
(1)
Stephan Schlegel, "Online-Durchsuchung light" – Die
Änderung des § 110 StPO durch das Gesetz zur Neuregelung der
Telekommunikationsüberwachung, hrr-strafrecht.de Januar 2008
(2)
Goya Gräfin Tyszkiewicz, Skimming als Ausspähen von
Daten gemäß § 202a StGB? hrr-strafrecht.de April 2010
(3)
Alexander Seidl, Katharina Fuchs, Zur
Strafbarkeit des sog. "Skimmings", hrr-strafrecht.de Juni/Juli 2011
(4)
Ein solcher Satz brennt sich in den Innenschädel ein und ich werde nicht
sagen, von wem er stammt.
(5)
Eine Kollegin begründete eine Sofortige Beschwerde gegen einen
Nichteröffnungsbeschluss und wir vereinbarten Arbeitsteilung unter ihrem
Namen. Sie lieferte die Fakten (und damit zweifellos die Hauptarbeit)
und ich habe mit der Rechtsprechung des BGH wegen der Anforderungen an
freisprechenden Urteilen auf den Beschluss des Landgerichts gekeult. Das
gab Anerkennung von der vorgesetzten Generalstaatsanwaltschaft: "Da
steckt richtig Arbeit drin!"
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