In
Deutschland herrscht noch der Glaube, dass die Mafia eine Geschichte von
Pizzabäckern sei. Die echt gefährliche Mafia ist hingegen jene der über
jeden Verdacht erhabenen "weißen Kragen" (colletti bianchi): eine Mafia
die Wirtschaftskriminalität betreibt und Geld investiert, sogar in
ökologische Windanlagen; eine Mafia, die inzwischen aus Menschen besteht,
die studiert haben und enge Kontakte zu Politikern pflegen.
Roberto Scarpinato bei
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06.08.2011
Roberto
Scarpinato ist ein italienischer "Mafia-Jäger". Er sieht starke
Aktivitäten der Mafia in Deutschland besonders im Bereich des
Kokain-Handels und im Baugewerbe, wo besonders Bauunternehmen der
sizilianischen Cosa Nostra mit Dupingpreisen die Mitbewerber verdränden,
wobei sie vor allem Steuern und Sozialabgaben "sparen" und Geld über
viele Zwischenstationen waschen
(1).
Auch mit der hiesigen Strafverfolgung und ihren
Möglichkeiten geht er zu Gericht und fordert schnelles und nachhaltiges
Handeln. Die Instrumente gegen die Geldwäsche und zur Telefonüberwachung
seien unterentwickelt und deshalb wenig brauchbar.
90
Prozent der Ermittlungen gegen die Mafia <beruhen in Italien>
auf Erkenntnissen, die durch Telefonüberwachung und Lauschangriff
gewonnen werden. Ohne diese Mittel sei das eiserne mafiöse Gesetz des
Schweigens (Omertà) nicht zu brechen.
Ob die
Bewertungen des Kollegen aus Italien wegen der hiesigen Strafverfolgang
ganz richtig sind, ist fraglich. Seine Warnungen sind hingegen ernst zu
nehmen. Auch in Italien wurde die Mafia zunächst nur als ein
Hirngespinst angesehen und es bedurfte vieler bedauerlicher Toter, bis
ernsthaft gegen sie vorgegangen wurde.
Scarpinato blickt noch weiter und weist auf die
neuen Reichen in Russland und in China. Ihr unerklärlicher Reichtum
sollte neugierig machen, warnte er in einer Rede vor 120 Kriminalbeamten,
Juristen, Mitarbeitern des Finanzamts und Journalisten.
Die
Perspektiven eines ausländischen Strafverfolgers sind interessant, weil
er Erscheinungsformen und Strukturen anhand eigener und hier ungewohnten
Erfahrungen beurteilt. Das ist immer hilfreich, weil so die
eingefahrenen Gedankenwege und Strategien verlassen und in Frage
gestellt werden. Die Konsequenzen daraus müssen aber hier gezogen werden
- und hoffentlich nicht nur von einem Publikum von 120 Leutchen.
(1)
Davide Brocchi, Deutschland - ein Mafia-Paradies?
Telepolis 25.07.2011
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