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Quelle: redneck woman2010@flickr
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Wie
gefährlich ist der Club?
Am
27.06.2012 hat der hannoversche Charter der Hells Angels unerwartet und
ohne offensichtlichen Grund seine Auflösung
verkündet. Aus diesem Anlass hat Ulrike Heitmüller einen guten Bericht bei Telepolis veröffentlicht.
Ulrike Heitmüller, Sind diese Rocker wirklich so
gefährlich? Oder steckt da etwas ganz anderes dahinter? Telepolis
30.06.2012
Heitmüller
fasst die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit zusammen, das macht den
Wert ihres Beitrages aus, und stellt die richtigen Fragen, die sie aber
nicht beantwortet.
Der Motorclub wurde 1948 in den USA vor allem
von Kriegsheimkehrern gegründet und hat jetzt in 32 Ländern selbständige
Charter. Die Hells Angels bilden eine Subkultur mit eigenen
Regeln und starker Abschottung nach außen. Vor allem in den USA
wird ihnen nachgesagt, "Einprozenter" zu sein. Dieser
Begriff geht auf eine Äußerung der „American Motorcyclist
Association“ zurück, wonach nur ein Prozent der Biker
gewalttätig und kriminell seien.
Ein
bemerkenswerter Bericht über das Innenleben des amerikanischen Clubs
stammt von Jay Dobyns, der die Hells Angels zwei Jahre lang als
verdeckter Ermittler erforschte.
Jay Dobyns, Nils Johnson-Shelton, Falscher Engel. Mein Höllentrip als
Undercover-Agent bei den Hells Angels, riva 2010;
Bestellung bei
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Vladimir Putin, Präsident des Charters in Moskau
Quelle:
BleiBlog |
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Auch über die deutsche Hells Angels-Szene ist vereinzelt berichtet
worden, so zum Beispiel von dem unfreiwilligen Aussteiger aus dem
Charter in Kassel, Ulli Detrois. Ein harter Junge, der streckenweise mit
tränenden Augen den schönen Zeiten nachtrauert und auf seine alten
Kumpels ganz böse ist.
Bad Boy (Ulli Detrois), Höllenritt: Ein deutscher Hells Angel packt aus
Bestellung bei 
Rockerromantik einerseits, Nachtleben, Bandenkriege und rohe Gewalt
andererseits prägen das Bild der hiesigen Hells Angels, die sich nie in
die Karten kucken lassen und sich als Staat im Staate abschotten, ihre
eigenen Regeln nach innen durchsetzen und nach außen hin die bärigen
Jungs spielen.
Heitmüller verknüpft die Frage nach der Gefährlichkeit der Hells Angels
mit Zuhälterei und Menschenhandel und fragt, wieviele Engel tatsächlich
in diesem Geschäft sind und ob das für die Prostituierten wirklich
schlecht ist, von den starken Jungs vor randalierenden Freiern geschützt
zu werden. Wenn sie weiter recherchiert hätte, dann würde sie
wahrscheinlich nur einen kleinen Teil der Jungs in dem Geschäft
ermitteln.
Sie ist auf einer falschen, zu oberflächlichen Fährte. Man muss kein
Zuhälter sein, um an der Prostitution zu verdienen. Mindestens ebenso
gut kann man verdienen, wenn man Bordelle verpachtet oder
Sicherheitsdienstleistungen erbringt. Nicht umsonst heißt es in
Türsteherkreisen, dass der, der die Tür beherrscht, auch das Geschäft
hinter der Tür beherrscht.
Die Frage nach der Gefährlichkeit muss also anders angegangen werden und
zwar strukturell. Kann sich eine Gesellschaft einen Staat im Staate
leisten, der offen seine Selbständigkeit durch Kutten, martialisches
Auftreten und demonstrative Gewaltbereitschaft zeigt? Der seine eigenen
Regeln aufstellt und selbständig durchsetzt?
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Laut Hanebuth bestand das Vermögen der hannoverschen Hells Angels
aber aus sechs Biergarnituren und einer Tresenanlage.
Der Mann aus der Wedemark bestätigte der NP, dass "drei, vier
Mitglieder" zu anderen Hells-Angels-Chartern gewechselt sind, "es gab
Transfers".
Mirjana Cvjetkovic, Nur Freunde, kein Verein, Neue Presse 30.06.2012, S.
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In Hannover wurden die Hells Angels zeitweilig tatsächlich von Teilen
der Presse und der Öffentlichkeit im Übrigen gelobt, hofiert und als "gute"
Ordnungsmacht angesehen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es keine
kurdischen Bandenkriege mehr gäbe und Ruhe im Kiez herrsche. Unter der
Leitung ihres Präsidenten Hanebuth machte der Club eine beachtliche
Öffentlichkeitsarbeit, brachte eine eigene Kiez-Zeitung heraus und
vermarktete ein eigenes Bier (81). Der Presse zeigten sie das lustige
Rockerleben mit Bier, Mädels und Grillwürstchen, überschipperten das
Steinhuder Meer und demonstrierten Präsenz mit ihren Kutten und ihren
Harley Davidsen-Maschinen. Hanebuth selber wird nachgesagt, der heimliche
HA-Präsident für ganz Deutschland gewesen zu sein, dessen Wort gefragt
war und galt.
In dieser Position muss man nicht mehr drohen; es reicht ein
freundschaftlicher Rat.
Die
Gefährlichkeit des Clubs zeigt sich nicht darin, dass seine Leute im
Nachtleben arbeiten, sondern in der gelebten Subkultur außerhalb der
Rechtsordnung und mit einem angemaßten Gewaltanspruch. Er greift im
Kleinem beim selbstgerechten Auftreten, bei peinlichen Pöbeleien
gegenüber zu neugierigen Presseleuten und im Verborgenen, wenn es darum
geht, rivalisierende Gangs zu vermöbeln, womit zuletzt der Charter in
Bremen bekannt geworden ist. Das kann sich eine selbstbewusste
Demokratie nicht bieten lassen und die Polizei in Hannover auch nicht.
Spätestens seit dem Herbst 2011 hat sie den Hells Angels Grenzen
aufgezeigt und sie aus der Öffentlichkeit vertrieben. An den Türen, an
denen zuvor der Club "Sicherheit" signalisierte, waren zwar noch immer
dieselben Leute zu sehen, aber ohne die Insignien der Hells Angels.
Auf die weiteren Entwicklungen in Hannover darf man gespannt sein. Die
Präsenz der Hells Angels als Institution hat jedenfalls ein Ende und das
ist gut so. Ihre bisherigen Members werden wahrscheinlich ihr
Alltagsleben fortsetzen und ihr Geld damit verdienen, was sie schon
vorher taten - nur ohne die Kutte dabei zu tragen. Ob ein Machtvakuum
entsteht, das anderere Rockergruppen oder Geschäftemacher ausfüllen
wollen, bleibt offen. Spekulationen lohnen sich vorerst nicht.
Die Polizei in Hannover kann kurz durchatmen und hat die einmalige
Chance, alle anderen Subkulturen abzuwehren, die an die Stelle der
Rocker gelangen wollen.
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