Schaden für Viele und das baldige Ende für Serienbetrüger im Internet
Am
13.07.2012 hat das Landgericht Hannover zwei junge Männer im "Burschenalter"
(bis um die 30 Jahre alt) wegen serienmäßigen Betruges verurteilt.
Gemeinsam hatten sie zwischen Juni 2010 und März 2011 aktuelle
Mikroelektronik und Pkw-Felgen vorwiegend bei eBay angeboten und dann
unter falschen Namen und gefakten E-Mail-Adressen die Interessenten zur
Vorkasse oder zur Nachnahme überredet, ohne die Waren zu liefern oder
einfach nur Schummel-Pakete verschickt, die vor allem mit Mehl und mit
Bauschaum gefüllt waren. Die Zahlungen gingen auf im Internet
angemeldete Mule-Accounts ein, also auf Bankkkonten, die von getäuschten,
arbeitsuchenden Polen oder unter Verwendung falscher Personalpapiere
eingerichtet worden waren.
Dem Haupttäter warf die Anklage mindestens 100
Betrugstaten und 7 Urkundenfälschungen in Bezug auf portugiesische
Identitätskarten vor. Er laminierte die gedruckten Fälschungen und
versah sie mit einer professionellen Druckpresse mit einem faustgroßen
Prägesiegel. Dann verwendete er sie zur Eröffnung von Bankkonten unter
falschen Namen und fingierten Adressen - vorzugsweise in Abbruchhäusern,
in denen plötzlich ein frischer Briefkasten mit den Phantasienamen
angebracht war.
Auf das besondere Interesse der
Staatsanwaltschaft stieß dieser Angeklagte aber, weil er auch
Schusswaffen erwarb und zum Kauf anbot. Die spezialisierte Plattform
dafür ist eGun und der Handel mit Waffen ist dort nicht ganz so einfach
wie auf anderen Handelsplattformen, weil der Käufer immer auch eine
Waffenbesitzkarte nachweisen muss, damit sich der Verkäufer absichern
kann. Wie kommt man an eine Abbildung einer existierenden
Waffenbesitzkarte? Indem man selber Waffen zum Verkauf anbietet, vom
potenziellen Käufer eine digitale Kopie der waffenrechtlichen Erlaubnis
verlangt und dann seine Identität für eigene Waffenkäufe missbraucht.
Auf diese Art und Weise hatte der Angeklagte
mehrere erlaubnispflichtige Pistolen, einen einfachen Revolver ("Dobble-Action"),
ein Repetiergewehr und Munition erworben. Sein umfassendes Geständnis
half ihm und brachte ihm dennoch im Ergebnis vier Jahre
Gesamtfreiheitsstrafe ein.
Das
Ermittlungsverfahren führte dazu, dass sich die Polizei in Hannover
intensiv mit einem kleineren und jetzt nicht mehr bestehenden
Carding-Board beschäftigte. In diesem Board war der Angeklagte Member
gewesen und zunächst hatte er angegeben, von einem Administrator des
Boards zu seinen Fälschungen und Waffenkäufen überredet und mit den
erforderlichen Werkzeugen ausgestattet worden zu sein. Die Polizei
wertete einen Dump des Boards aus, den die rivalisierenden "Happy
Ninjas" gehackt und ins Internet gestellt hatten, setzte einen
Verdeckten Ermittler zur Beobachtung des laufenden Boards ein und
ermittelte die Identität der wesentlichen Akteure unter Nutzung aller
Ermittlungsinstrumente, die die Strafprozessordnung für diese Formen der
Kriminalität zur Verfügung stellt.
§
263 Abs. 3 Nr. 2 StGB sieht einen besonders schweren Fall des
Betruges darin, dass der Täter in der Absicht handelt, durch die
fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die
Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen. Das führt dazu,
dass auch "kleinere" Betrügereien - wie hier mit Schäden zwischen 100
und 1.700 € - zu Einzelstrafen von mindestens 6 Monaten führen. Bei
gleichartigen Taten ist zwar eine großzügige Gesamtstrafe zu bilden. Die
40 Taten des bislang unbestraften Mitangeklagten, der einen Schaden von
weniger als 15.000 € verursacht hat, waren deshalb auch mit Geständnis
zwei Jahre Freiheitsstrafe wert. Hinzu kam, dass er auch gewerbsmäßig
handelte (
§ 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB).
Der
Haupttäter hat in seiner Jugend seine virtuelle Karriere mit
Onlinespielen begonnen und der psychiatrische Sachverständige, der ihn
untersucht und begutachtet hat, fand bei ihm behandlungswürdige
Verfestigungen dissozialen Verhaltens. Er ist aber in der Lage gewesen,
seine verschiedenen Aktivitäten im Virtuellem und im Realem genau zu
trennen, ohne dass er das Eine mit dem Anderen verband. Seine Ehefrau
erfuhr erst nach seiner Festnahme von seinen erfolgreichen Samenspenden
und der Tatsache, dass sein Gehalt nicht aus einer Berufstätigkeit als
Ingenieur stammt.
Die hier
gegebenen Informationen sind alle in einer öffentlichen Hauptverhandlung
offenbart und besprochen worden. Nur deshalb darf ich überhaupt über sie
reden.
Ich habe
viel in diesem Verfahrens gelernt.
Online-Spiele geben dem Protagonisten eine bestimmte Macht, tollerieren
Tricks und Regelwidrigkeiten, wenn sie nicht direkt verboten sind, und
selbst wenn man verliert, dann verliert man nur einzelne von mehreren
Leben oder man kann mit einer neuen Identität völlig neu beginnen.
Lügen gehört zum Leben Spiel. Selbst wenn "Loverboy"
ständig der Gefahr eines altersbedingten Herzinfakts ausgesetzt ist, so
ist er doch der heißeste Hecht weit und breit (höre Radio-Werbung).
Reale Misserfolge werden durch virtuelle Omnipotenzen ersetzt.
Ausbildung abgebrochen? Im Studium gescheitert? Na und? Muss das die
Partnerin wissen? (Ja!) Ich ertrüge oder erpresse mir auf andere Weise
das Gehalt, das die Umgebung von mir erwartet.
Die
virtuelle Welt setzt Schranken. Administratoren schimpfen, flamen und
fordern Wohlverhalten. Sanktioen über den Ausschluss hinaus bleiben aus
und werden nicht köperlich erfahrbar. Kein Schmerz, kein Knast.
Das
mit dem fehlenden Schmerz stimmt nicht ganz. Gelegentlich kommt es doch
vor, dass ein brastiger Partner aus dem Virtuellem ins Reale wechselt
und den Gegner verhaut oder ihm eine Knarre an den Kopf setzt, um Geld
abzunehmen, das eigentlich für ein Geschäft bestimmt war.
Die
Carder haben sich eine eigene Falle gebaut. Mindestens seit 12 Jahren,
als cadersplanet entstand, haben sie in einem unkontrollierten
Subuniversum agiert, in das sie sich nach ihren kriminellen Aktionen
immer wieder zurückziehen konnten. Je weiter sie mit ihren Angriffen in
die Realität griffen, desto lästiger wurden sie und desto mehr werden
sie in ihrem vermeintlichen Sherwood Forrest unter Druck gesetzt.
Es
gibt den alten Spruch, dass der Krug solange zum Brunnen geht, bis er
bricht. Das gilt auch für das Carding. Irgendwann machen die Täter einen
fatalen Fehler. Wenn sie nicht richtig gut waren und reich geworden sind,
dann scheitern sie zunächst an der Kranken- und später an der
Rentenversicherung. Zwischendurch könnte auch die Steuerfahndung
nachhaltig ärgerlich werden.
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