Anweisung, Überweisung, Hawala |
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Anweisung, Überweisung, Hawala |
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ungenutztes Assessoire im Innenhof der Nebenstelle
der StA Hannover
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Sicherungssysteme
verbriefte Forderung
abstrakte Anweisung
Valutaverhältnis
Deckungsverhältnis
Zuwendungsverhältnis
Überweisung
Hawala
"unechte" Hawala
Hawala im deutschen Recht
Anmerkungen
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Seit Jahrtausenden stehen die Handeltreibenden und
Kaufleute vor dem Problem, wie sie ihre wertvollen Tauschobjekte vor
Verlust und Überfällen sichern können.
Das Notengeld ist bis 1975 mit
Edelmetallreserven hinterlegt gewesen (
Bretton-Woods-System) und seither zu einer reinen Garantie des ausstellenden Staates
ohne marktgängige Sicherungen geworden. Nur noch selten präsentieren die Münzen ihren
Tauschwert in sich selber und verkörpern Geldscheine eine Inhaberurkunde,
auf deren Vorlage die ausstellende Notenbank die Aushändigung eines
entsprechenden Gegenwertes verspricht.
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Sicherungssysteme |
verbriefte Forderung |
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Die Kaufleute mussten also eigene Systeme entwickeln, um sich gegen die
Gefahren ihrer Kauffahrten zu sichern.
Bei der Erkundung neuer Märkte gab es keine Alternative zum Risiko.
Die Tauschobjekte mussten auf dem Hinweg mitgeschleppt werden in der
Hoffnung, auf dem Rückweg marktgängige und profitable Tauschwerte nach
Hause bringen zu können.
Als die Handelswege und -beziehungen jedoch gefestigt waren, konnten
einfachere Verfahren zum Einsatz kommen. Das gilt (und galt) jedenfalls
dann, wenn die beteiligten Personen und Institutionen aufeinander
vertrauen. Das beste Vertrauen entsteht dann, wenn beide Seiten
voneinander abhängig sind.
Statt Tauschwerte führten die Handelsreisenden verstärkt Wertpapiere
bei sich, die einen entfernten Partner (Angewiesener) dazu
verpflichteten, dem Überbringer (Anweisungsempfänger) mit ortsüblicher
Währung oder Sachwerten auszustatten. Die dadurch entstehenden
Forderungen wurden zwischen den Beteiligten entweder auf Guthabenbasis
oder als Kredit verrechnet (
Kontokorrent).
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Die bekanntesten Formen verbriefter Forderungen sind die
Noten
(Geldscheine),
die
Schecks und die
Wechsel
.
Wer mit "seinem Namen bürgen" konnte (Wortstamm:
Bürge, also
derjenige, der mit seinem eigenen Vermögen für die Schulden eines
anderen einsteht), konnte auch Urkunden ausstellen, in denen er sich zu
einer bestimmten Leistung gegenüber jedermann verpflichtet. Solche
Urkunden nennt man
Inhaberpapiere. Jeder, der dieses Papier vorlegt, hat
das Recht auf die versprochene Gegenleistung. Die wichtigsten, noch
heute allgemein verwendeten Formen sind das Papiergeld (Schuldner:
Notenbank), der Scheck (Schuldner: Aussteller, manchmal auch noch die
Bank, die den Scheck drucken ließ und ausgegeben hat [Garantiefunktion]), und der Wechsel,
den der Schuldner ausstellt. Werden der Scheck oder der Wechsel von
verschiedenen Leuten weiter gereicht, können sie alle für die verbriefte
Forderung haftbar werden (
Indossament).
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abstrakte Anweisung |
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Großansicht
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Die
Anweisung, wie sie auch das
Bürgerliche Gesetzbuch - BGB - kennt, löst sich von der körperlichen
Übergabe von Urkunden. Sie besteht aus einem Dreiecksverhältnis, in dem
der Schuldner einer Forderung nicht unmittelbar an den Gläubiger leistet,
sondern sich dazu eines Dritten bedient, zum Beispiel einer Bank.
Die schuldrechtliche Beziehung zwischen dem Schuldner und dem
Gläubiger wird als Valutaverhältnis bezeichnet.
In ihm besteht zwar ein Tauschverhältnis (Grundvertrag), ohne dass aber
eine direkte, persönliche Leistung erfolgen muss.
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Großansicht, Fachworte
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Deckungsverhältnis, Zuwendungsverhältnis |
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Großansicht
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Großansicht
Zwischen dem Anweisenden und dem Angewiesenen besteht ein
Deckungsverhältnis (siehe links außen), dem ein Grundgeschäft zugrunde
liegt, das den Angewiesenen zu einer Leistung verpflicht.
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Dabei kann es sich um einen Schadenersatzanspruch oder eine Vorleistung
(Guthaben) des Anweisenden handeln oder um eine Darlehnszusage des
Angewiesenen, zum Beispiel im Rahmen eines üblichen Vertrages über die
Führung eines Girokontos mit einer Bank.
Im Zuwendungsverhältnis zahlt oder bucht
der Angewiesene zugunsten des Anweisungsempfängers (siehe links innen).
Die Anweisung ist damit abgeschlossen und die Leistung des Schuldners an
den Gläubiger über einen Dritten bewirkt.
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Überweisung |
Großansicht
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Die
Überweisung ist ein typisches
Bankgeschäft und erweitert die Anweisung. Sie verfügt nämlich über
zwei verschiedene Deckungsverhältnisse.
Das erste Deckungsverhältnis besteht wie gehabt zwischen dem
Kontoinhaber (Anweisenden) und seiner kontoführenden Bank (Angewiesener,
siehe unten ganz links).
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Das zweite
Deckungsverhältnis besteht zwischen den beteiligten Banken, die jeweils
die Konten des Anweisenden und des Anweisungsempfängers führen (unten
Mitte). Zwischen ihnen besteht ein Abrechnungsverhältnis, in dem sie
alle ihre gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten
verrechnen (Kontokorrent).
Das ändert am Zuwendungsverhältnis (unten rechts) nur, dass die "Bank
2" nicht im Auftrag des Anweisenden handelt, sondern im Rahmen ihrer
Vertragspflichten zu der "Bank 1", ohne eine eigene vertragliche
Verbindung zu dem Anweisenden zu haben.
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Großansicht
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Großansicht
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Großansicht
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Hawala |
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"Hawala" ist nicht das einzige,
öffentliche Geldtransfersystem, das unabhängig vom normalen Bankverkehr
existiert. In Pakistan wird es "hundi" genannt, in China ist es das "fei
ch'ein" und in Lateinamerika das "Kolumbianische System"
.
Das
Hawala-Finanzsystem ist preisgünstig (0,5 bis 1,25 % vom
Überweisungsbetrag), ist schnell und einfach. Ich wende mich an meinen
örtlichen Hawaladar, übergebe ihm das Geld für einen ausländischen
Zahlungsempfänger und nenne ihm womöglich noch ein Kennwort, mit dem
sich der Zahlungsempfänger authentifizieren muss. Der Hawaladar nimmt
dann den Kontakt zu seinem Gewährsmann im Zielgebiet auf, der entweder
direkt oder über einen weiteren Gewährsmann die Auszahlung vornimmt. Die
Einnahmen und Ausgaben werden zwischen den beteiligten Hawaladaren
verrechnet oder bei Gelegenheit ausgeglichen. |
Das Hawala-System
ist ein beachtlicher Wirtschaftsfaktor mit starken Finanzströmen. „Laut
einem Bericht des Commonwealth sollen es jährlich zwischen 100 bis 300
Milliarden Dollar sein. In Indien davon alleine zwischen 10 und 20
Milliarden und in Pakistan rund 5 Milliarden. In den USA soll der Umsatz
des IMTS (Informal Money Transfer Systems) 4 bis 10 Prozent des GDPs (Bruttosozialprodukt)
ausmachen und in Europa, so wird geschätzt, 7 bis 16 Prozent.“
(Hackensberger).
Das System basiert auf Vertrauen. Hawaladare, die sich auf kriminelle
Geschäfte einlassen oder unzuverlässig sind, werden aus den
Handelsbeziehungen ausgeschlossen.
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Großansicht
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Das
Hawala-Finanzsystem funktioniert prinzipiell genau so wie die
Überweisung, nur dass es sich um ein (im islamischen Recht anerkanntes)
informelles Finanzsystem handelt, das von Banken unabhängig ist und
jährlich mehrere Hundert Milliarden Dollar bewegt
Anstelle von Banken übernehmen Hawaladare die Aufgabe in den Deckungs-
und Zuwendungsverhältnissen (siehe links). Mit zwei Unterschieden: Sie
zahlen in bar und sind äußerst kostengünstig.
Wie bei der Überweisung findet auch bei der Hawala kein körperlicher
Transport von Vermögen statt. Der Überweisungsbetrag wird zwar in bar
eingenommen und die Auszahlung in bar bewirkt. Die Forderungen und
Verbindlichkeiten zwischen den Hawaladaren werden hingegen verrechnet (Kontokorrent)
und erst beim Rechnungsabschluss in echten Werten ausgeglichen (siehe
unten links).
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"unechte" Hawala |
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Im
Zusammenhang mit international tätigen kriminellen Organisationen
dürften überwiegend Syndikatsstrukturen nach dem Vorbild der Hawala zum
Einsatz kommen (
Syndikat), nicht aber das Hawala-Finanzsystem selber. Ich nenne sie
deshalb "unechte Hawala", weil sie eher die Form eines Filialsystems
nachbilden, in dem der Forderungsausgleich in einer Art "Konzernbilanz"
erfolgt.
Wegen dieser Form sind sie den Auslandsniederlassungen der Banken und
internationalen Speditionen (
Inkassodienste, Nachnahme) nicht unähnlich.
Syndikate sind
vertikal organisierte Strukturen, die die gesamte Produktions- und
Absatzkette abdecken. Im Zusammenhang mit kriminellen Organisationen
umfassen sie nicht nur die planmäßige Abwicklung krimineller Handlungen,
sondern darüber hinaus auch die Sicherung des kriminellen Gewinns und
die Bezahlung (und Versorgung) der arbeitsteilig Beteiligten (einschließlich
ihrer Angehörigen im Fall ihrer Verletzung, Tötung oder Inhaftierung)
.
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Das Hawala-Prinzip funktioniert auch ohne
ein strukturiertes Netzwerk zwischen den
Hawaladaren, wenn gewachsene Vertrauensstrukturen
vorhanden sind, die auf einer ethnischen Zugehörigkeit, familiären
Bindungen oder anderen Beziehungen beruhen, die eine Zusammengehörigkeit
entstehen lassen.
Was soll mich
davon abhalten, meinem Cousin hier in
Deutschland Geld zu geben, damit er seinen
Bruder in der Heimat bittet, meinem dort lebenden
Vater einen entsprechenden Betrag
zu geben?
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Hawala im deutschen Recht |
Großansicht
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Zivilrechtlich handelt es sich bei der Hawala um eine nach dem Vorbild
der Überweisung erweiterte Anweisung nach den
§§
783 ff. BGB.
Die Hawala ist somit grundsätzlich als legales Geschäft anerkannt und auch nicht
als solche verboten.
Der Hawaladar kann sich jedoch im Einzelfall strafbar machen, wenn er
sich leichtfertig an einer Geldwäsche beteiligt (
§ 261 StGB) oder ansonsten bewusst die Straftaten anderer
unterstützt.
Eine Besonderheit weist jedoch das deutsche Recht auf:
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Die Annahme und Weiterleitung des Überweisungsbetrages ist eine "Durchführung
des bargeldlosen Zahlungsverkehrs und des Abrechnungsverkehrs (Girogeschäft)"
im Sinne von
§ 1
Abs. 1 Nr. 9 Kreditwesengesetz - KWG - und deshalb ein
Bankgeschäft nach dem KWG.
Die gewerbsmäßige Ausübung von Bankgeschäften bedarf nach
§ 32
Abs. 1 S. 1 KWG einer schriftlichen Genehmigung der
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - BaFin. Dies gilt
auch dann, wenn der Hawaladar das Geschäft in einem Umfang betreibt, der
einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert.
Dazu reichen eine präzise Buchführung und gut dokumentierte Korrespondenz
aus.
Handelt der Hawaladar ohne (schriftliche) Erlaubnis, so macht er sich
gemäß
§ 54
Abs. 1 Nr. 2 KWG strafbar und kann mit Geldstrafe oder mit
Freiheitsstrafe bis höchstens 3 Jahre bestraft werden.
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Anmerkungen |
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Schecks, Wechsel:
Das
deutsche
Scheckgesetz von 1933 und das deutsche
Wechselgesetz von 1933 beruhen auf internationalen Übereinkommen und
gelten gleichlautend fast überall auf der Welt.
Der diskontfähige Wechsel ist nicht nur ein Ersatz für ein
Zahlungsmittel, sondern ist auch als kurzfristiges (3 Monate)
Kreditinstrument anerkannt, weil er, wenn er bestimmte Förmlichkeiten
erfüllt, von der Bundesbank mit einem Standardzins (
Diskontsatz) verpfändet wird.
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Hawala:
Alfred Hackensberger, Das Banksystem der Armen, Telepolis 21.05.2004
Thomas Pany, Auf der Jagd nach
den Schätzen von Terror, Inc., Telepolis
18.03.2004;
ders., "Der Krieg ist unser Leben", Telepolis
22.03.2004;
ders., Das barmherzige Geld aus der Wüste, Telepolis 26.03.2004;
ders., Bankiers der Bombenleger, Telepolis 29.03.2004
Sündikat:
In irgendeinem Comic war insoweit die Rede von einem "Sündikat". Das ist
ein wirklich schönes Wortspiel gewesen.
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Cyberfahnder |
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© Dieter
ochheim,
11.03.2018 |