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allgemeine Änderungen (1)
Ermittlungsgericht - Konzentration
allgemeine Änderungen (2)
polizeiliche Beobachtung
Zweckbindung von Akteninhalten
Sichtung externer Speichermedien
Onlinedurchsuchung light.
Eine unscheinbare Gesetzesänderung
bewirkt eine erhebliche Erleichterung
der Strafverfolgungspraxis.
Zweckbindung
Verwertung verdeckter Ermittlungsergebnisse
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Konzentration gerichtlicher Entscheidungen im Ermittlungsverfahren
Fazit (Teil 1)
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Das
Gesetz
zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter
Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Gesetzentwurf
vom 27.06.2007, hier zitiert als E [Seite]) wurde vom Bundestag am 09.11.2007 verabschiedet und
tritt mit Wirkung vom 01.01.2008 in Kraft. Soweit die Regelungen die
Vorratsdatenhaltung betreffen bestimmt das Gesetz eine Übergangszeit
bis zum 01.01.2009.
Die breite öffentliche Diskussion über die Speicherungspflichten in
Bezug auf die Verkehrsdaten bei der Nutzung des Internets und der
Kommunikationsdienste hat in den Hintergrund treten lassen, dass die
Neuregelungen auch viele andere Bereiche des Ermittlungsrechts betreffen.
Als eine der wichtigsten Neuerungen dürfte sich die
Konzentration der ermittlungsgerichtlichen Entscheidungen erweisen,
auf die hier eingegangen wird.
Im folgenden Text sind die
Änderungen mit Gelb unterlegt.
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§ 98 StPO
...
(1) 1 Beschlagnahmen dürfen nur durch das Gericht
... angeordnet werden. 2 Die Beschlagnahme nach § 97 Abs. 5 Satz 2 in
den Räumen einer Redaktion, eines Verlages, einer Druckerei oder einer
Rundfunkanstalt darf nur durch das Gericht
angeordnet werden.
(2) 1 Der Beamte, der einen Gegenstand ohne
gerichtliche Anordnung beschlagnahmt hat, soll binnen drei Tagen
die richterliche Bestätigung beantragen ... 2 Der Betroffene kann
jederzeit die gerichtliche Entscheidung beantragen. 3 Solange die
öffentliche Klage noch nicht erhoben ist, entscheidet das
nach § 162 Abs. 1 zuständige Gericht. 4 Ist die
öffentliche Klage erhoben, entscheidet das damit befasste Gericht. 5 Der
Betroffene kann den Antrag auch bei dem Amtsgericht einreichen, in
dessen Bezirk die Beschlagnahme stattgefunden hat; dieses leitet den
Antrag dem zuständigen Gericht zu. 7 Der Betroffene ist über
seine Rechte zu belehren.
(3) Ist nach erhobener öffentlicher Klage die Beschlagnahme durch die
Staatsanwaltschaft oder eine ihrer Ermittlungspersonen erfolgt, so ist
binnen drei Tagen dem Gericht von der
Beschlagnahme Anzeige zu machen ...
...
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§ 162 StPO
(1) 1 Erachtet die Staatsanwaltschaft die
Vornahme einer gerichtlichen Untersuchungshandlung für erforderlich, so
stellt sie ihre Anträge bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie oder
ihre den Antrag stellende Zweigstelle ihren Sitz hat. 2 Für gerichtliche
Vernehmungen und Augenscheinnahmen ist das Amtsgericht zuständig, in
dessen Bezirk diese Untersuchungshandlungen vorzunehmen sind, wenn die
Staatsanwaltschaft dies zur Beschleunigung des Verfahrens oder zur
Vermeidung von Belastungen Betroffener dort beantragt.
(2) Das Gericht hat zu prüfen, ob die
beantragte Handlung nach den Umständen des Falles gesetzlich zulässig
ist.
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Mit der
Neufassung des
§
162 StPO und den Änderungen in § 98
StPO stärkt der Gesetzgeber die Rolle des Ermittlungsrichters am Ort
der Staatsanwaltschaft. Diesem Gericht werden jetzt die örtliche
Zuständigkeit für alle gerichtlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit
Ermittlungsmaßnahmen übertragen. Die einzige Ausnahmen gelten für
gerichtliche Vernehmungen und Augenscheineinnahmen (siehe Text) und für
die Anordnung der akustischen Wohnraumüberwachung (
§§ 100c,
100d StPO).
Absatz 1 wird zu einer Konzentrationsregelung umgestaltet, der
zufolge die Staatsanwaltschaft Anträge auf gerichtliche
Untersuchungshandlungen grundsätzlich bei dem Amtsgericht zu stellen
hat, in dessen Bezirk sie ihren Sitz hat ... Durch diese praktisch
bedeutsame Regelung wird die Bestimmung der ermittlungsgerichtlichen
Zuständigkeit erheblich vereinfacht und beschleunigt, was nach
derzeitiger Rechtslage nur in den Verfahren möglich ist, in denen
mehrere Untersuchungshandlungen vorzunehmen sind. Auch kann auf diese
Weise die notwendige Bereitstellung eines gerichtlichen
Bereitschaftsdienstes ... besser sichergestellt werden ... Durch die
Konzentration der Zuständigkeit kann auch eine Kompetenzbündelung gerade
für die Anordnung von Ermittlungsmaßnahmen mit technischem Hintergrund
und dadurch eine Verbesserung des Rechtsschutzes Betroffener erreicht
werden. (E 65)
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Die
Änderungen im Hinblick auf zeugnisverweigerungsberechtigte Personen und
die Stärkung des sie betreffenden Beschlagnahmeverbots waren im
Gesetzgebungsentwurf enthalten, wurden aber nicht wirksam.
Eine
umfassende Änderung stellt in der Tat die neue Konzentration der
ermittlungsgerichtlichen Entscheidungen auf das Gericht am Sitz der
Staatsanwaltschaft dar. Das erleichtert und beschleunigt nicht nur die
Entscheidungsprozesse, wie der Gesetzesentwurf zu Recht ausführt,
sondern wird die Gerichtsorganisation und Rechtspraxis zu erheblichen
Änderungen bewegen müssen.
Der Gesetzeswortlaut steht jedoch im Widerspruch zu den vollmundige´n
Ankündigungen des Gesetzgebers. Wegen der Untersuchungshaft besteht noch
immer eine vorrangige Zuständigkeit des Tatortgerichts, die erst dann
zum Standortgericht wechselt, wenn auch weitere richterliche
Entscheidungen beantragt werden. Das ist unglücklich formuliert!
Im Ergebnis ist eine Steigerung der Fallzahlen zu erwarten, die die
Ermittlungsrichter am Sitz der Staatsanwaltschaft zu bearbeiten haben.
Sie sind künftig zum Beispiel für alle Durchsuchungsbeschlüsse (
§ 105 StPO), Beschlagnahmen ( § 98
StPO) und Anordnungen wegen der Untersuchungshaft (
§ 114 StPO) zuständig. Ich gehe davon aus, dass bereits nach der
geltenden Rechtslage solche Entscheidungen am
häufigsten von dem Gericht am Sitz der
Staatsanwaltschaft getroffen werden müssen, weil die zentralen
Justizeinrichtungen regelmäßig ihre Niederlassung im größten Ort des
Bezirkes haben.
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Aufgrund der Konzentration werden die kleineren Amtsgerichte im Umland
eines Landgerichts davon entlastet, Entscheidungen im
Ermittlungsverfahren zu treffen oder einen über die üblichen
Dienstzeiten hinausreichenden Bereitschaftsdienst einzurichten.
Allerdings werden sie am Wochenende und an den Feiertagen einen Richter
für die Vorführung beim nächsten Amtsgericht gemäß
§
115a Abs. 1 StPO bereitstellen müssen.
Auf die Ermittlungsgerichte mit dem künftigen Zuschnitt kommen
zusätzliche Aufgaben zu, die im Wesentlichen die Menge ihrer Fallzahlen
betreffen.
Der vom Gesetzentwurf erwarteten Spezialisierung und Qualifizierung der
Ermittlungsgerichte ist grundsätzlich zuzustimmen. Im Einzelfall mag der
am Ort der Ermittlunghandlung ansässige Richter ein besseres
Detailwissen über die Verkehrssituationen (z.B. wegen der vorläufigen
Entziehung der Fahrerlaubnis,
§
111a StPO) oder die gerichtsbekannten Personen und ihre Beziehungen
zueinander haben. Der einzige Nachteil der Neuregelung ist der, dass
wegen der auswärtigen Strafrichter keine Kenntnisse aus den
Entscheidungen über Ermittlungshandlungen und ihren Hintergründen
bestehen werden.
Der Gesetzentwurf mahnt erneut die Einrichtung eines gerichtlichen
Bereitschaftsdienstes an. Die insoweit noch immer bestehenden Defizite (Erreichbarkeit
eines Richters während der gesetzlich bestimmten Tageszeit,
§
104 Abs. 3 StPO) werden nach den jetzt geänderten
Zuständigkeitsregeln alsbald abgestellt werden müssen.
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