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Juni 2010
26.06.2010 Gesetzgebung
     
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Durchsuchungen und Beschlagnahmen in einem Ermittlungsverfahren gegen Presseangehörige sind verfassungsrechtlich unzulässig, wenn sie ausschließlich oder vorwiegend dem Zweck dienen, die Person des Informanten zu ermitteln (...). Auch wenn die betreffenden Angehörigen von Presse oder Rundfunk nicht Zeugen, sondern selbst Beschuldigte sind und der Schutz des § 97 Abs. 5 StPO deshalb nicht besteht, dürfen in gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren wegen einer Beihilfe zum Dienstgeheimnisverrat Durchsuchungen nach § 102 StPO sowie Beschlagnahmen nach § 94 StPO zwar zur Aufklärung der ihnen zur Last gelegten Straftat angeordnet werden, nicht aber zu dem vorrangigen oder ausschließlichen Zweck, Verdachtsgründe insbesondere gegen den Informanten zu finden. Andernfalls könnte der von der Pressefreiheit umfasste Informantenschutz unterlaufen werden.
BVerfG (1)
  
Kritisch anzumerken ist hier, dass in etlichen Formulierungen in der Begründung des Referentenentwurfs ein tiefes Misstrauen gegenüber den Strafverfolgungsbehörden offenbar wird und dass schon in der Problemstellung unzutreffend massenweise Verstöße gegen die verfassungsrechtlich verankerte Pressefreiheit durch Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden suggeriert werden. Die Strafverfolgungsbehörden achten sorgfältig auf die verfassungsgerichtlichen Vorgaben bei Ermittlungsverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses. Dementsprechend gering ist die Anzahl der geführten Verfahren, noch geringer die Zahl der Verurteilungen.
DRB (2)
 

 
Die Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung und von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat. Sie wird von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet, dessen Schutzbereich diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit einschließt, ohne welche Presse und Rundfunk ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Medienangehörigen und ihren Informanten (2).

Der Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG) (3) schlägt die Schaffung eines neuen Absatzes in § 353b StGB vor, der die Pressevertreter von der strafrechtlichen Haftung als Teilnehmer an einem Geheimnisverrat freistellen soll:
Beihilfehandlungen einer in § 53 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 der Strafprozessordnung genannten Person sind nicht rechtswidrig, wenn sie sich auf die Entgegennahme, Auswertung oder Veröffentlichung des Geheimnisses oder des Gegenstandes oder der Nachricht, zu deren Geheimhaltung eine besondere Verpflichtung besteht, beschränken.

Diese Einschränkung der Strafbarkeit ist nicht neu, sondern bereits vom BVerfG in dem Cicero-Urteil festgesetzt worden (1). Deshalb hält der Deutsche Richterbund die Neuregelung für unnötig (2).

Grundsätzliche Rechtsfragen sollen vom Gesetzgeber und nicht von der Rechtsprechung geklärt werden. Deshalb teile ich die Kritik des DRB in diesem Punkt nicht.

Nur zur Klarstellung: Kein Pressevertreter darf einen Geheimnisträger zum Geheimnisverrat anstiften oder bei der Beschaffung von Geheimnissen tätig unterstützen. Solche Handlungen betrachten sowohl das BVerfG wie auch der Rederentenentwurf als strafbar.
 

 
  Gut finde ich hingegen die kritische Anmerkung des DRB (Kasten links unten).

Ich kann nicht ausschließen, dass die in der Strafverfolgung tätigen Polizisten, Staatsanwälte und Richter Fehler machen. Einen generellen Freibrief kann es deshalb nicht geben.

Andererseits sticht der DRB den Finger in die richtige Wunde. Vor allem die Staatsanwaltschaften und die Justiz erhalten von ihren obersten Bundesverwaltungen und der gesetzgebenden Gewalt äußerst wenig Rückendeckung und eher von Misstrauen geprägte Vorgaben. Die Berichtspflichten in den §§ 100b, 100e und 100g StPO sind mehr als ein drohender Fingerzeig in diese Richtung (4). Die Distanzierung der obersten Gewaltverantwortlichen könnte als ein Ausdruck schlechten Gewissens angesehen werden. Er wäre von der Erkenntnis geprägt, Aufgaben bedenkenlos auf den nachgeordneten Apparat zu schieben, ohne dafür auch die sachlich und personell nötigen Ressourcen zu geben. Den Effekt davon nennt man Arbeitsverdichtung.

Strafverfolger sind nicht gut, aber auch nicht schlecht bezahlte Profis mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss, die ihr Handwerk gelernt haben. Das gerät manchmal in Vergessenheit und das vielfach mit einer ganz fatalen Folge: Besonders bei der Polizei und in der Justiz brauchen wir engagierte und gleichzeitig stand- und prinzipienfeste Demokraten. Sie haben tief gehende Eingriffsbefugnisse und müssen ihr Handeln nicht nur an Gesetz und Verfassung, sondern auch an Moral, Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit ausrichten. Sie und ihre Alltagssituation zu ignorieren kann bestenfalls Gleichgültigkeit gegenüber Staat, Gesellschaft und Wirtschaft provozieren.

Das kann nicht gut sein.
 

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(1) BVerfG, Urteil vom 27.02.2007 - 1 BvR 538, 2045/06 (CICERO), Rn. 61.

(2) Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG), 23.06.2010

(3) Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht (PrStG), 15.02.2010
 

 
(4) Solche Regeln zur Justizverwaltung gehören entweder in das Gerichtsverfassungsgesetz oder besser noch in ein Justizverwaltungsgesetz, das es nicht gibt. Viele Erleichterungen wären zu erwarten, wenn die Durchführung einschließlich der abschließenden Mitteilungs-, aufbewahrungs- und Verwertungsregeln für alle verdeckten (geheimen) geheimdienstlichen, polizei- und strafverfahrensrechtlichen Maßnahmen in einem Gesetz zusammengefasst würden, um die Praxis zu vereinheitlichen.
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018