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Juli 2010
10.07.2010 10-07-17 Strafrecht
     
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Rücktritt vom Versuch

 
Ein strafbefreiender Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. StGB kommt zwar auch in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder "optimale" gewählt hat (...). Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich, oder jedenfalls mitursächlich wird (...). (1) <Rn 8>
§ 24 Abs. 1 Satz 2 StGB setzt voraus, dass der Täter alles tut, was in seinen Kräften steht und nach seiner Überzeugung zur Erfolgsabwendung erforderlich ist, und dass er die aus seiner Sicht ausreichenden Verhinderungsmöglichkeiten ausschöpft, wobei er sich auch der Hilfe Dritter bedienen kann (...). Allerdings sind, wenn - wie hier - ein Menschenleben auf dem Spiel steht, insoweit hohe Anforderungen zu stellen. Der Täter muss sich um die bestmögliche Maßnahme bemühen. Hilft er nicht selbst, so muss er sich zumindest vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige und Erforderliche veranlassen (...). (1) <Rn 10>
 

 
Dort, wo das Gesetz wegen Vergehen die Strafbarkeit des Versuchs anordnet (zum Beispiel in § 242 Abs. 2 StGB) und bei allen Verbrechen ( §§ 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB), muss die Straftat nicht erst vollendet sein, bis die Strafbarkeit eintritt. Es reicht, dass der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt ( § 22 StGB).

Der Gesetzgeber reagiert damit auf gefährliche und besonders schwere Straftaten, die er verhindert wissen will. Im Gegenzug wird der Täter von § 24 StGB besonders privilegiert: Er bleibt straffrei, wenn er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert.

Dabei kommt es auf die konkrete Tathandlung an, die dem Täter vorgeworfen wird. Ein Totschlag ( § 212 StGB) wird dadurch vollendet, dass das Opfer stirbt. Nimmt der Täter nach dem vierzigsten Messerstich von der weiteren Perforierung seines Opfers Abstand, so kann er zwar wirksam vom Totschlag zurücktreten, bleibt aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar ( § 227 StGB), wenn es später an den Folgen der Verletzungen stirbt. Die gefährliche Körperverletzung ( §§ 223, 224 StGB) ist bereits mit dem ersten Stich vollendet gewesen und § 227 StGB qualifiziert das Delikt zu einem selbständigen Verbrechen.
 

 
Besonders bei schweren versuchten Delikten wird in der Praxis intensiv über den Rücktritt gestritten. So verlangt der BGH, dass dem Täter nicht ohne Not die Straffreiheit des Rücktritts zugute kommen darf (2). Er wendet sich damit gegen ungeprüfte Unterstellungen zugunsten eines Angeklagten, die nur dann rechtsfehlerfrei sind, wenn der Tatrichter für sie reale Anknüpfungspunkte hat.

Besonders dann, wenn ein Menschenleben auf dem Spiel steht, lässt der BGH ein mehr oder weniger lustloses Ablassen von der weiteren Tatausführung nicht mehr genügen [siehe links, (1)]. Das gilt besonders dann, wenn der Tot durch Dritte verhindert werden soll und nicht durch das Handeln des Täters selber. Insoweit muss der Täter nicht irgendeine Hilfsmaßnahme suchen, um die schwere Folge zu verhindern, sondern muss die bestmögliche wählen und sich nach seinen Kräften vergewissern, ob die Hilfspersonen das Notwendige und Erforderliche veranlassen.
 

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(1) BGH, Urteil vom 20.05.2010 - 3 StR 78/10, Rn 8 ff.

(2) BGH, Urteil vom 20.05.2009 - 2 StR 576/08;
Grenzen des Rücktritts, 12.07.2009
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018