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Gescheiterte
Taten, Rücktritt vom Versuch und Straffreiheit
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Aufsatz als PDF-Dokument:
Dieter
Kochheim, Die goldene Brücke, 30.12.2011 |
Grundsätzlich ist erst die erfolgreiche Straftat strafbar. "Erfolg" in
diesem Sinne ist die vollständige Erfüllung aller gesetzlichen
Tatbestandsmerkmale. Mit anderen Worten: Die vollendete Tat.
Die Gefährlichkeit eines Vergehens unterstreicht der Gesetzgeber dadurch,
dass er die Strafbarkeit des Versuchs einzeln anordnet (
§§ 12 Abs. 2,
23
Abs. 1 StGB). Dem Versuch geht die Vorbereitungshandlung
voraus, die
grundsätzlich straflos ist, wenn der Gesetzgeber nicht auch sie als
Straftat definiert. Beispiele dafür sind der Umgang mit
Fälschungswerkzeugen (
§ 149 StGB), der Hackerparagraph (
§ 202c StGB) oder, etwas versteckter, die Übermittlung von Schadcode
(
§ 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB).
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Danach
kann der Einzelne nur bei Vorliegen individueller Schuld strafrechtlich
zur Verantwortung gezogen werden. Darüber hinaus erfordert er, dass
Tatbestand und Rechtsfolge gemessen an der Idee der Gerechtigkeit
sachgerecht aufeinander abgestimmt sein müssen (...). Letzteres bedeutet,
dass die einen Täter treffenden Folgen einer strafbaren Handlung zur
Schwere der Rechtsgutsverletzung und des individuellen Verschuldens in
einem angemessenen Verhältnis stehen müssen, dass also die im Einzelfall
verhängte Sanktion schuldangemessen sein muss.
(1) |
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Die
besondere Gefährlichkeit von Verbrechen ergibt sich bereits daraus, dass
sie mit einer Mindeststrafe von 1 Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind (
§ 12 Abs. 1 StGB). Ihr Versuch ist immer strafbar
( § 23
Abs. 1 StGB) und ihre im Vorbereitungsstadium angesiedelte
Verabredung auch (
§ 30 StGB).
Damit
reagiert der Gesetzgeber auf besonders gefährliche Tathandlungen. Die
Grenzen dafür setzt das BVerfG beim verfassungsrechtlichen
Schuldgrundsatz [siehe Kasten
(links);
(1)].
Mit den
Regeln über den Rücktritt vom Versuch will der Gesetzgeber den zögernden
oder reuigen Täter bei der Abkehr unterstützen, indem er straffrei
bleibt, wenn er von der weiteren Tatausführung absieht oder durch "Zutun"
die Tatvollendung verhindert oder das Opfer zu retten versucht (
§§ 24,
31 StGB).
Die Lehrmeinungen und Rechtsprechung dazu werden
verständlich
(2), wenn man sich vergegenwärtigt, dass es den
Rücktrittsregeln um die Verhinderung besonders schwerwiegender Taten
geht. Ihnen geht es um den Schutz des Opfers. Sie sind das Spiegelbild für die Hervorhebung der Strafbarkeit im
Vorbereitungs- und Versuchsstadium und bauen dem Täter eine "goldene
Brücke", um glimpflich davon zu kommen.
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Versuch |
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Eine
Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur
Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt ( § 22 StGB). Das ist spätestens
der Fall, wenn der Täter das erste zum Tatbestand gehörende Merkmal
erfüllt und die Tat als Ganzes vollenden will.
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Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser
Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares
Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der
Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur
Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen
und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn
der Täter subjektiv die Schwelle zum „ jetzt geht es los“ überschreitet,
es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur
tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne
Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Dabei ist im
Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die
strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu
nehmen
(3). |
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Mit seinen Ausführungen [Kasten
(links)] spricht der BGH
(3)
auf die gemischt subjektiv-objektive Theorie an. Ihr geht es darum,
nicht allein den Täterwillen wegen einzelner Tatbestandsmerkmale zu
betrachten, sondern die objektiven Umstände einzubeziehen, um zu
entscheiden, ob der Täter zur Angriffshandlung als Ganze ansetzt. "Jetzt
geht es los" heißt, dass der Täter nicht mehr hadert, sondern die Tat
ausführen will, auch wenn ihm dabei klar ist, dass er sie in mehreren
Handlungsschritten ausführen muss.
Der Versuch wird einerseits durch die Vollendung abgeschlossen. Mit ihr
sind alle Tatbestandsmerkmale des Gesetzes erfüllt, auch wenn die
geplanten Tathandlungen andauern, zum Beispiel weil die gestohlene Beute
erst noch in ein Versteck gebracht werden muss (Beendigung der Tat).
Andererseits kann der Täter auch von sich aus die Tatvollendung
abbrechen oder sie aus anderen Gründen scheitern. Zu unterscheiden ist
dabei nach den äußeren Umständen und den inneren Motiven des Täters.
Der
böswillige Täter, der nur das untaugliche Mittel wählt, ist nur bedingt
schutzwürdig. Deshalb ist er bereits nach
§ 23
Abs. 3 StGB bestrafbar, wobei das Gericht die Strafe mildern oder von ihr
absehen kann (untauglicher Versuch).
Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen der Tatplan des Täters
zwar tauglich, aber fehlgeschlagen ist. Insoweit kommt es darauf an, ob
seine Tatmittel aufgebraucht sind, ihm alternative Handlungen zur
Tatverwirklichung zur Verfügung stehen oder er seinen Tatplan reuig
abbricht.
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unbeendeter und beendeter Versuch |
§ 24
Abs. 1 S. 1 1. Alternative StGB ist anwendbar auf den
unbeendeten Versuch. Der Täter
könnte die Tat weiter ausführen und erlangt Straffreiheit allein dadurch,
dass er die weitere Tatausführung unterlässt. |
§ 24
Abs. 1 S. 1 2. Alt. StGB betrifft den
beendeten Versuch. Dem
Täter stehen in diesem Stadium keine greifbaren Handlungsmöglichkeiten
für die Tatvollendung zur Verfügung. Er erlangt dann Straffreiheit, wenn er durch
“Zutun” die Tatvollendung (Erfolgseintritt) verhindert. |
§ 24
Abs. 1 S. 2 StGB spricht darauf an, dass Dritte oder
Besonderheiten im Einzelfall die Tatvollendung verhindern. In diesem
Fall wird der Täter straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft
bemüht, die Vollendung zu verhindern. |
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Auf das Stadium des Versuches spricht
§ 24 StGB mit den Regeln über den
strafbefreienden Rücktritt an. Drei Stadien gilt es zu unterscheiden
unbeendeter Versuch: Straffreiheit durch Abbruch.
beendeter Versuch: Straffreiheit durch Zutun, also Verhinderung der
Vollendung.
die Vollendung wird durch Umstände verhindert, die der Täter nicht
beeinflussen kann: Straflosigkeit durch freiwilliges und ernsthaftes
Bemühen.
Ein Versuch
ist dann als unbeendet anzusehen, wenn der Täter noch nicht alles getan
hat, was nach seiner Vorstellung zur Herbeiführung des Erfolges
erforderlich oder möglicherweise ausreichend ist
(4).
Der Täter kann hier allein durch das Unterlassen weiterer Handlungen (ohne
Zutun) vom Versuch strafbefreiend zurücktreten ( § 24 Abs. 1 S. 1 1.
Alt. StGB). Er hätte seine Böswilligkeit weiter ausleben
können, hat davon abgesehen und dem Opfer die Folgen erspart. Er wird
straffrei, weil er das Opfer verschont hat.
Beendet ist der Versuch, wenn der Täter nach seiner letzten Tathandlung
mit der nach den Umständen nicht fernliegenden Möglichkeit rechnet, dass
es zur Vollendung keiner weiteren Tathandlung mehr bedürfe
(5).
Er hat sozusagen seine Böswilligkeit ausgelebt und hält es nicht für
nötig, weiter aktiv zu werden. Diese innere Haltung bedarf keiner
Belohnung durch Straffreiheit.
Dabei reicht es, dass er die
tatsächlichen Umstände erkennt, die diesen
Erfolgseintritt nach der Lebenserfahrung nahelegen (...); er braucht weder die Gewissheit des Erfolgseintritts zu
haben noch muss er den Erfolgseintritt jetzt noch wollen oder billigen
(6).
Für die
Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuchs und damit für
die Voraussetzungen eines strafbefreienden Rücktritts <kommt es>
darauf
an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen
Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für
möglich hält (sog. Rücktrittshorizont;
(7) ).
Nach gefährlichen Gewalthandlungen und schweren Verletzungen, deren Wirkungen
der Täter wahrgenommen hat, liege es auf der Hand, dass er die
lebensgefährdende Wirkung und die Möglichkeit des Erfolgseintritts
erkennt (...). An die für die Annahme eines unbeendeten Versuchs
erforderliche Voraussetzung, dass der Täter den Erfolgseintritt (noch)
nicht für möglich hält, sind nach dieser Rechtsprechung daher strenge
Anforderungen zu stellen
(8).
Vereinfacht
gesagt: Wer mit einer Pistole einem anderen in den
Bauch schießt, mit einem Messer zur Beinschlagader hin oder mehrere
Zentimeter tief in den Oberkörper sticht oder mit festem Schuhwerk mit
voller Wucht gegen die Schläfe des am Boden liegenden Gegners tritt,
geht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass der
andere stirbt. Solche Rohheiten verdienen keine Straffreiheit, weil der
Täter einfach nicht weiter macht.
Um die
Wohltat der Straffreiheit zu erlangen, muss der Täter beim Rücktritt vom beendeten Versuch aktiv werden
und den drohenden tatbestandlichen Erfolg abwenden. Das setzt ein
inneres Umdenken voraus, Reue, um etwas zu tun, was vielleicht sein
Handeln nicht ungeschehen werden lässt, aber mildert. Er muss dem von
ihm ausgegangenen Geschehen entgegen wirken und eine neue Kausalkette in
Gang setzen, die für die Nichtvollendung der Tat mindestens
mitverantwortlich ist ( § 24 Abs. 1 S. 1
2. Alt. StGB).
Wenn er sich dazu entschlossen hat, ist es gleichgültig, zu welchen Mitteln
des Zutuns sich der Täter ebtscheidet:
Dass daneben andere, vom Willen des Täters unabhängige Umstände zur
Verhinderung der Tatvollendung beigetragen haben, steht einem
strafbefreienden Rücktritt ebenso wenig entgegen, wie die Möglichkeit,
etwas anderes oder mehr zu tun, um die Vollendung mit größerer
Sicherheit zu verhindern
(9).
Eines in Einzelheiten ausgefeilten Planes bedarf er dazu nicht
(10).
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fehlgeschlagener Versuch |
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Ein
strafbarer
fehlgeschlagener Versuch liegt dann vor, wenn der Erfolgseintritt - für
den Täter erkanntermaßen -
objektiv
nicht mehr möglich ist oder der Täter ihn nicht mehr für möglich hält
(11). Das ist dann der Fall,
wenn nach
anfänglichem Misslingen ein Weiterhandeln nicht mehr möglich ist, weil
die eingesetzten Tatmittel erschöpft sind (...) oder andere Tatmittel
zur unmittelbaren Fortführung des Versuchs entweder nicht zur Verfügung
stehen oder vom Täter nicht erfolgversprechend eingesetzt werden können
(12).
Der
fehlgeschlagene Versuch ist nach den Grundsätzen des beendeten oder
unbeendeten Versuchs zu behandeln. Er umfasst zunächst die Fälle, in
denen der Täter unfreiwillig nicht zur Tatvollendung gelangt, weil er
bei der Tatausführung überwältigt wird. Daran scheitert jeder Rücktritt.
Wenn der
ursprüngliche Tatplan nicht gelingt und dem Täter keine
Fortsetzungsalternative zur Verfügung steht, ist der Versuch beendet und
bedarf es des aktiven Zutuns des Täters, um strafbefreiend
zurückzutreten. Stellt sich ihm eine ernsthafte Alternative, kann er zum
Beispiel das zu Boden gefallene Messer wieder aufheben oder an seiner
Stelle das Opfer würgen, ist der Versuch noch unbeendet und kann er ohne
Zutun strafbefreiend zurücktreten. Nicht jede andere Möglichkeit
eröffnet tatsächlich eine Alternative (siehe
unten zur Unfreiwilligkeit wegen psychischen Unvermögens)
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Der
Angeklagte stach seine Ehefrau mit einem Messer ins Herz. Als seine
Stieftochter das Zimmer betrat, griff er diese ebenfalls mit
Tötungsvorsatz an und verletzte sie lebensgefährlich. Er ließ dann von
dem Mädchen ab, weil inzwischen der Stiefsohn gekommen war. Auf diesen
stach er ebenfalls in Tötungsabsicht ein. Nachdem der Stiefsohn geflohen
war, griff der Angeklagte wiederum seine Ehefrau und dann die
Stieftochter an. Das Mädchen wehrte sich mit einem Sitzpolster. Der
Angeklagte ließ von ihm ab und bestieg ein Auto, um sich umzubringen.
(13) |
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Das soll
auch dann der Fall sein, wenn der Täter seine Täterschaft nicht mehr
geheim halten kann, weil er von Zeugen oder sogar Vertrauten beobachtet
wird und auf diese mit Tötungsabsicht losgeht
(13).
Sinn und
Zweck der Strafbefreiung durch Rücktritt ist der Schutz des Opfers. Der Leitsatz zu
(13) [Kasten
(links)] greift deshalb etwas zu kurz. Ein bereits morchelnder Täter
geht auf seine Zuschauer los, um seiner Entdeckung zu entkommen. Das
geht nur, wenn er sie umbringt.
Statt nur einen Mord müsste der Täter drei Morde ausführen. Er tut
nichts, um den Erfolg seiner Angriffe zu verhindern oder abzumildern,
sondern ergibt sich nach zwei weiteren Mordentscheidungen seinem
Schicksal, weil der ursprüngliche Tatplan nicht funktioniert hat, und
verschwindet. Dafür verdient er keine Straffreiheit. Er dürfte nur die
Konsequenz aus der Übermacht der Realität gezogen, weil er nicht alle
drei Angehörigen unbemerkt töten konnte. Das spricht nicht für einen bewussten,
gewissensgesteuerten Rücktritt, sondern ist ein Glücksfall für die Opfer.
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"Denkzettel" |
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Ein strafbefreiender Rücktritt vom
unbeendeten Versuch ist <im Interesse des Opferschutzes> auch in den
Fällen möglich, in denen der Täter von weiteren Handlungen absieht, weil
er sein außertatbestandsmäßiges Handlungsziel erreicht hat
(14).
Dabei ging es um einen Messerstecher, der sein Opfer in bedingter
Tötungsabsicht stach. Der Stich hätte unbehandelt binnen 24 Stunden zum
Tode geführt. Der Täter sah von weiteren Tathandlungen ab, weil ihm der
verpasste "Denkzettel" nun genügte. Der wesentliche Begriff ist die "bedingte
Tötungsabsicht", mit der der Täter die Tötung des Opfers billigend in
Kauf nahm. Es war ihm sozusagen egal, ob das Opfer starb, weil ihm die
zugefügte Verletzung genügte. Die gefährliche Körperverletzung (
§ 224 StGB) hatte er vollendet, aber von der weiter gehenden
Tötungsabsicht hat er abgelassen.
Käme es nur auf den "Denkzettel" an, wäre der Tötungsversuch objektiv
beendet, weil der einmalige Stich zum Tode geführt hätte, und könnte der
Täter nur durch "Zutun" strafbefreiend zurücktreten. Die Tötung war aber
nicht sein finales Ziel, er nahm sie nur als nahe liegende Folge in Kauf.
Unter diesen Umständen kann ein unbeendeter Versuch mit der Folge
vorliegenden, dass der Täter ohne jedes eigene Zutun strafbefreiend
zurück tritt ( § 24 Abs. 1 S. 1 1.
Alt. StGB).
Das Ergebnis passt auch zu dem Leitbild vom Opferschutz, das an weiteren
Messerstichen möglicherweise unverzüglich gestorben wäre.
Ein
strafbarer fehlgeschlagener Versuch liegt aber dann nicht vor, wenn der
Täter die Tat, wie er weiß, mit dem bereits eingesetzten oder den zur
Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln noch vollenden kann
(15).
So ist zu
prüfen, ob er freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgegeben hat.
Das ist davon abhängig, ob der Angeklagte subjektiv (noch) in der Lage
war, das zur Beendigung des Versuchs Notwendige zu unternehmen (...).
Dabei ist von Unfreiwilligkeit wegen psychischen Unvermögens nur dann
auszugehen, wenn beim Täter innere Hemmungen solcher Art auftreten, die
für ihn einen zwingenden Grund darstellen, von der Vollendung der Tat
abzusehen. Zweifel an der Freiwilligkeit sind zugunsten des Angeklagten
zu lösen
(16).
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mehraktiger Versuch |
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Beim
mehraktigen Versuch ist der Versuch insgesamt unbeendet (Gesamtbetrachtungslehre),
wenn der Täter glaubt, dass zur Tatausführung weitere Tätigkeiten
unerlässlich sind, und wenn die vorgenommenen Einzelakte in einem
engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang stehen, so dass sie eine
natürliche Hanlungseinheit bilden (
§ 52 Abs. 1 StGB)
(17).
Die Rechtsprechung reagiert damit vorrangig auf Erpressungen, bei denen
sich zum Beispiel die Geldübergabe über einen längeren Zeitraum
erstrecken kann und der Täter womöglich mehrfach zur Übernahme ansetzt.
Fließt dabei der Lebensvorgang von einem Ansetzen zum nächsten, bilden
sie eine Handlungseinheit, von der der Täter ohne Zutun strafbefreiend
zurücktreten kann.
Nach der Rechtsprechung liegt eine natürliche Handlungseinheit vor, wenn
zwischen einer Mehrheit gleichartiger strafrechtlich erheblicher
Verhaltensweisen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher
Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch
für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint,
und wenn die einzelnen Betätigungsakte auch durch ein gemeinsames
subjektives Element miteinander verbunden sind
(18).
Eine Tat im Rechtssinne liegt vor, wenn die der Tatbestandsvollendung
dienenden Teilakte einen einheitlichen Lebensvorgang bilden, wobei der
Wechsel des Angriffsmittels nicht von entscheidender Bedeutung ist. Ein
einheitlicher Lebensvorgang in diesem Sinne ist gegeben, wenn die
einzelnen Handlungen in engem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang
stehen. Dieses Erfordernis besteht bei Erpressung auch dann, wenn durch
die Einzelakte, die auf die Willensentschließung des Opfers einwirken
sollen, letztlich nur die ursprüngliche Drohung durchgehalten wird (...). Die tatbestandliche Einheit der Erpressung endet dort, wo
der Täter nach den Regelungen über den Rücktritt nicht mehr
strafbefreiend zurücktreten kann, d. h. entweder bei der vollständigen
Zielerreichung oder beim fehlgeschlagenen Versuch. Ein Fehlschlag in
diesem Sinne liegt vor, wenn der Täter nach dem Misslingen des
vorgestellten Tatablaufs zu der Annahme gelangt, er könne die Tat nicht
mehr ohne zeitliche Zäsur mit den bereits eingesetzten und anderen
bereit liegenden Mitteln vollenden (...), und deshalb ein erneutes
Ansetzen notwendig ist, um zum gewünschten Ziel zu gelangen
(19).
Ausschlaggebend ist der Tatplan des Täters und der enge zeitlich-räumliche
Zusammenhang seiner Ausführungshandlungen. Bricht er die Vollendung
wegen Erfolglosigkeit ab, um später neu Anzusetzen, handelt es sich um
mehrere Taten.
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Anstiftung zu einem Verbrechen |
Wer einen anderen zur Begehung eines
Verbrechens auffordert, setzt damit in jedem Falle Kräfte in Richtung
auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung, über die er nicht mehr die
volle Herrschaft behält (BGHSt 1, 305, 309). Die Gefahr der Tatbegehung
besteht erst recht, wenn der Bestimmungsversuch erfolgreich war. Will
der Anstifter diesen Erfolg verhindern, muss er alle Kräfte anspannen,
um die Tat abzuwenden (BayObLG JR 1961, 269, 270). Er muss das aus
seiner Sicht Notwendige und Mögliche vollständig tun; es reicht nicht
aus, dass er nur die Wirkung seiner Beeinflussung zeitweise unschädlich macht
(BayObLG aaO; Roxin aaO § 31 Rdn. 26). Insbesondere liegt ein
ernsthaftes Bemühen, den Erfolg zu verhindern, nur vor, wenn der
Anstifter alle Kräfte anspannt, um den Tatentschluss des Angestifteten
rückgängig zu machen und er dadurch die Gefahr beseitigt, dass dieser
die Tat begeht. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn ... der
Anstifter nur glaubt, einen anderen erfolgreich zur Tatbegehung bestimmt zu haben, dieser aber nicht wirklich
tatbereit ist.
(20) |
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Besondere
Anforderungen erhebt der BGH gegen den Anstifter wegen eines Verbrechens
(
§ 30 StGB)
(20).
Er kann nur unter aktivem Zutun strafbefreiend zurücktreten (
§ 31 StGB), was ihm alle gebotenen Kräfte abverlangt. Das Zitat
links bedarf keines weiteren Kommentars.
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Fazit |
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Die
Rechtsprechung zu den verschiedenen Formen des abgebrochenen Versuchs
musste sich in den meisten Fällen mit der Gewaltkriminalität auseinander
setzen. Aus der Spruchpraxis der Tatsachengerichte entsteht dabei gelegentlich
der Eindruck, dass den Tätern zu sehr entgegen gekommen wird, weil es
scheint, dass jeder (behauptete) Gewissensbiss zum Anlass eines
strafbefreienden Rücktritts genommen wird.
Das
Gericht muss aber nicht jeden Unsinn glauben, hat der BGH schon mehrfach betont
(21).
Mit der
Strafbarkeit des Versuchs reagiert der Gesetzgeber auf besonders
gefährliche Formen der Kriminalität. Sie ist eine Ausnahme vom sonst
geltenden Erfolgsunrecht. Deshalb ist es auch gerechtfertigt, den Täter,
der freiwillig seinen böswilligen Plan aufgibt, im Interesse des
Opferschutzes zu begünstigen. Beim unbeendeten
Versuch geht das so weit, dass der Täter einfach nur von der weiteren
Tatausführung Abstand nehmen muss, um wegen der noch nicht vollendeten
Tat straffrei zu werden.
Hat der
Täter keine ernsthafte Handlungsalternative, greift der
beendete Versuch. Um von ihm strafbefreiend
zurückzutreten, bedarf es des aktiven Zutuns des Täters, also einer
tätigen Reue. Sie muss nicht optimal und kann eine von mehreren,
möglicherweise sogar geeigneteren Möglichkeiten sein.
Der
unbeendete Versuch privilegiert den Täter äußerst stark, so dass der BGH
bei sehr rohen und gefährlichen, erkennbar tödlichen Gewalthandlungen
zur Zurückhaltung mahnt. Das führt nicht etwa dazu, dass der unbeendete
Versuch verstellt werde, sondern nur zu der Frage, ob der Täter
tatsächlich eine Notwendigkeit gesehen hat, das Tatziel durch weitere
Handlungen zu fördern. Das zieht sich hin bis zum
"Denkzettel",
wobei der BGH die Straffreiheit noch einmal um ein Stück erweitert hat.
Bei
mehraktigen Vermögens- und Erpressungsdelikten stellen sich die Probleme
beim Versuch in doppelter Hinsicht. Bewegt sich ein lügender Betrüger
noch im straflosen Vorbereitungsstadium oder erstrebt er schon die
Tatvollendung als Ganze
(22)? Welchen Tatplan hat er und welche Vorstellungen
davon, welche Tathandlungen er noch leisten muss und vor allem, wann und
wo? Die Schwierigkeiten im Einzelfall sind vorprogrammiert.
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versuchte Cybercrime |
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Die
aufgezeigten Probleme betreffen auch die Cybercrime. Welchen Zweck
verfolgt der Täter mit der Verbreitung von Malware? Sie arbeitet
meistens
automatisch und bedarf wahrscheinlich nicht mehr seines Zutuns.
Der Einsatz von Onlinebanking-Trojanern erfolgt
inzwischen vollständig automatisch
(23).
Ihre Strafbarkeit wegen vollendeter Delikte tritt in drei Stufen ein.
Mit der erfolgten Einspeisung in den angegriffenen Computer ist bereits
die Computersabotage vollendet (
§ 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB), mit dem erfolgreichen Einnisten und
Tarnen der Malware folgt die Vorbereitung des Computerbetruges in
Tateinheit mit Computersabotage (
§§ 303b Abs. 1 Nr. 1,
263a
Abs. 3 StGB) und mit dem erfolgreichen Einsatz bei der Manipulation
des Onlinebanking-Vorgangs wird in aller Regel ein besonders schwerer
Computerbetrug in Tateinheit mit einer besonders schweren Fälschung
beweiserheblicher Daten vollendet (
§§ 263a Abs. 2,
263
Abs. 3 Nr. 1,
269
Abs. 3,
267
Abs. 3 Nr. 1 StGB). Das Täterhandeln besteht allein darin, die
Malware per Spamming zu verbreiten oder in Pharmen zur Injektion bereit
zu halten und einen C & C-Server für die Steuerung zu betreiben. Damit
ist der Versuch wegen aller 3 Tatvollendungsstufen beendet, weil es
eines weiteren Zutuns des Täters nicht mehr bedarf.
Anders sieht es bei der Verbreitung von Malware
aus, die Backdoors zur Industriespionage schaffen sollen [Night Dragon
(24)].
Hier fehlt das Element des Betruges, so dass die Einspeisung der Malware
und ihre Einnistung nur als Computersabotage zu behandeln ist (
§ 303b StGB), wobei auch hier der Versuch der Computersabotage mit
der Verbreitung der Malware und dem Betrieb eines C & C beendet ist. Die
finale (weitere) Tat ist jedoch erst mit dem erfolgreichen Ausspähen von
Daten vollendet (
§ 202a Abs. 1 StGB), was eines eigenen Handelns des Täters bedarf.
Diese Strafnorm kennt keine Strafbarkeit des Versuchs. Wenn es um
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht, greift jedoch die
Versuchsstrafbarkeit nach
§ 17
Abs. 3 UWG
(25).
Die
Auseinandersetzung mit den Fragen des Versuchs im Bereich der Cybercrime
bedarf einer tiefen Auseinandersetzung mit den Tatabläufen, -zielen und
den selbständigen Prozessen, die die Malware ausführt.
Gewaltkriminalität ist in aller Regel einfacher zu begreifen.
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Anmerkungen |
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(1)
Zum Skimming:
BVerfG, Beschluss vom 18.03.2009 - 2 BvR 1350/08,
Rn 6.
(2)
Hilfreiche Einführung, u.a. zum hier nicht behandelten Wahndelikt:
Waltraud Nolden, Das Versuchsdelikt, go-jura.de
09.03.2001.
(3)
BGH, Beschluss vom 07.11.2007 - 5 StR 371/07, Rn 17
(4)
BGH, Beschluss vom
28.03.1995 - 4 StR 106/95, Rn 5
(5)
1) Ebenda
(4).
2)
BGH, Beschluss vom 19.05.1993 -
GSSt 1/93, Rn 22.
(6)
Ebenda
(5.2), Rn 35.
(7)
Ebenda
(5.2), Rn 21.
(8)
Ebenda
(5.2), Rn 35.
(9)
BGH, Urteil vom 07.11.1984 - 2 StR 521/84
(10)
BGH,
Beschluss vom 29.01.2002 - 4 StR 520/01, S. 34
(11)
Ebenda
(5.2), Rn 21.
Siehe auch:
BGH, Urteil vom 10.04.1986 - 4 StR 89/86, Rn 6;
BGH, Urteil vom 20.05.2009 - 2 StR 576/08.
(12)
Ebenda
(5.2), Rn 36.
(13)
Unklar:
BGH, Beschluss vom 11.05.1993 - 5 StR 242/93.
(14)
Ebenda
(5.2), Rn 39.
(15)
BGH, Urteil vom
12.11.1987 - 4 StR 541/87, Rn 9
(16)
Ebenda
(15), Rn 10.
Zum Zweifelsatz:
Im Zweifel für den Angeklagten, 21.11.2011.
(17)
BGH, Urteil vom 10.04.1986 - 4 StR 89/86, Rn 6
(18)
BGH, Urteil vom
30.11.1995 - 5 StR 465/95, Rn 28 (Dagobert)
(19)
Ebenda
(18), Rn 29.
(20)
BGH, Urteil vom 14.06.2005 - 1 StR 503/04, S. 9
(21)
BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, Rn 25
(22)
Vorbereitung und Versuch beim Betrug, 08.02.2011;
BGH, Beschluss vom 12.01.2011 - 1 StR 540/10.
(23)
Dieter
Kochheim, IuK-Strafrecht, 29.10.2011, S. 55
(24)
Ebenda
(23), S. 33.
(25)
Ebenda
(23), S. 62.
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |