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Betrug und
Urkundenfälschung in verschiedenen Tatphasen
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Als
Kontoeröffnungsbetrug wird die Einrichtung eines Bankkontos unter
falscher Identität und Vorlage falscher Urkunden mit dem Ziel angesehen,
die Bank zu Zahlungen zu veranlassen, die weder durch Guthaben noch
durch den Zahlungswillen des Kontoinhabers gedeckt sind. Die rechtlichen
Konstellationen, die daraus entstehen, sind nicht so einfach, wie man
auf dem ersten Blick meint.
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Die übliche
Masche: Der Angeklagte fälschte
insbesondere Anmeldebestätigungen und
Verdienstbescheinigungen, unter deren Vorlage jeweils zunächst ein
Bankkonto eröffnet wurde. Später wurde - ebenfalls unter Vorlage
falscher Urkunden - ein Kreditvertrag abgeschlossen bzw. ein
Finanzierungsgeschäft getätigt <Rn 2>
(1).
Die erste Tathandlung - das noch nicht
betrügerische Eröffnen eines Kontos unter Gebrauch falscher Urkunden -
ist keine selbständige Tat <Rn 4>:
Wird eine gefälschte Urkunde dem ursprünglichen Tatplan entsprechend
mehrfach gebraucht, liegt indes nur eine Urkundenfälschung vor.
Die
Fälschung einer Urkunde und ihr planmäßiger Gebrauch in mehreren Fällen
führt zu einer deliktischen Einheit und somit zu einer einheitlichen Tat
(
§ 52 StGB) der Urkundenfälschung (
§ 267 StGB). Beim Kontoeröffnungsbetrug führt das zu einer weiteren
Verbindung mit dem Ziel der Vermögensschädigung der Bank. Es handelt
sich dann um eine Tat des Betruges in
Tateinheit mit Urkundenfälschung (
§§ 263,
267,
52 StGB).
Die
richtigen Schwierigkeiten entstehen immer beim Blick auf die Details.
Deshalb betrachten wir die einzelnen Tatschritte, wobei das Ziel des
Täters darin besteht, unter einer falschen Identität einen Kredit von
der Bank ausgezahlt zu bekommen (das ist beim Finanzierungsbetrug nicht
anders: Hier erlangt der Täter statt der Geldzahlung die finanzierte
Ware).
(1)
BGH, Beschluss vom 07.02.2012 - 3 StR 406/11
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Kontoeröffnung und Verfügungen unter einer Legende |
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18.03.2012
Die
beliebtesten gefälschten Urkunden sind Personalpapiere (Ausweise, Pässe, Identitätskarten), Meldebescheinigungen (die kann man auch "in echt"
kriegen, wenn man sich unter Vorlage des falschen Ausweises beim
Einwohnermeldeamt anmeldet) und Gehaltsbescheinigungen (auch "Lohntüten").
Die Herstellung der Fälschungen ist strafbar
(
§ 267 StGB). Im Bundle gerne genommen werden auch ausländische
Führerscheine.
Wird unter
falschen Personalien ein reines Guthabenkonto eröffnet, dann ist das nur
als Urkundenfälschung strafbar (Gebrauch einer falschen Urkunde) nach
§ 267 StGB. Auch der Täter, der unter einer falschen Identität
agiert, ist kontoberechtigt
(2):
Berechtigter Karteninhaber ist aber auch derjenige, der die Überlassung
der Karte unter Täuschung über seine Identität vom Kartenaussteller
erlangt hat.
Dieser
Anwendungsfall betrifft vor Allem die Täter, die unter einer falschen
Identität leben, sich ihre Legende einrichten und dazu auch Verträge für
den täglichen Bedarf schließen. Sie achten meistens sorgsam darauf, dass
jedenfalls ihre Legende schuldenfrei bleibt.
Lässt sich
für den Zeitpunkt der Kontoeröffnung kein Zahlungsunwille und keine
Täuschung über die Zahlungsfähigkeit des Kunden feststellen, dann
liegt kein Betrug vor
(
§ 263 StGB)
(3).
Entschließt er sich später dazu, das Konto zu missbrauchen, dann ist
nach der Art der Verfügung zu unterscheiden.
Setzt der
Täter eine Zahlungskarte in Schädigungsabsicht am Geldautomaten der Karten ausgebenden Bank
ein, begeht er weder einen Computerbetrug (
§ 263a StGB)
(4)
noch einen Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten im Sinne von
§
266b StGB
(5).
Er bleibt straffrei.
Setzt der
Täter eine Zahlungskarte in Schädigungsabsicht am Geldautomaten einer
anderen Bank ein, dann macht er sich nach
§
266b StGB strafbar. Diese Spezialvorschrift verdrängt den Betrug
(6).
Setzt der
Täter eine Zahlungskarte in Schädigungsabsicht im Lastschriftverfahren
ein (Point of sale ohne Zahlungsgarantie - POZ) begeht er einen Betrug
zum Nachteil des Akzeptanten
(
§ 263 StGB)
(7).
(2)
BGH, Beschluss vom 21.11.2001 - 2 StR 260/01, Rn 8
(3)
Kurzsachverhalt:
BGH, Beschluss vom
11.10.1988 - 1 StR 486/88.
(4)
(2), 1. Leitsatz.
(5)
(2), 2. Leitsatz.
(6)
(2), Rn 11. In dem Fall, dass der Kunde bei der Kontoeröffnung über
seine Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit trog, kann hierdurch ein
Betrug zum Nachteil der Karten ausgebenden Bank in Tateinheit mit
Scheckkartenmissbrauch eintreten (
§§ 263,
266b,
52 StGB);
(2), Rn 23.
(7)
(2), Rn 36.
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Urkundendelikte |
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18.03.2012
Kopien und
offensichtliche Abbilder von Urkunden können nicht als falsche Urkunde
gebraucht werden. Es bedarf immer einer verfälschten oder gefälschten Urkunde,
die im Rechtsverkehr vorgelegt wird
(8).
Fälschung und Gebrauch bilden eine mehraktige, aber einheitliche Tat.
Der mehrfache Gebrauch derselben gefälschten Urkunde führt in aller
Regel ebenfalls zu einer einheitlichen Tat
(9).
Die
Herstellung von auf den Besteller abgestimmter Papiere macht häufig
dessen Mitwirkung nötig (Benennung der Personalien, Passbild). Dadurch
wird er nicht nur zum Anstifter (
§ 26 StGB), sondern auch zum Gehilfen (
§ 27 StGB). Die Anstiftung ist aber die intensivere Form der Teilnahme und
verdrängt deshalb die Beihilfe.
Unabhängig
von dem Fälschungsdelikt ist auch die Verwahrung falscher (in- und
ausländischer) Ausweise, Aufenthaltspapiere und Fahrzeugpapiere strafbar,
wenn sie im Rechtsverkehr verwendet werden sollen (
§§ 276,
276a
StGB).
(8)
Einzelheiten:
Dieter
Kochheim, IuK-Strafrecht, 06.01.2012, S. 49.
Zuletzt:
BGH, Beschluss vom 17.11.2011 - 3 StR 203/11, Rn.
10.
(9)
Einleitung und
(1)
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Eröffnung eines Debitkontos |
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18.03.2012
Reine
Guthabenkonten können im Verhältnis zum Kontoinhaber beim führenden
Finanzdienstleister keinen Schaden verursachen
(10) . Dazu müsste er aus
eigenem Vermögen Zahlungen an Dritte leisten, die nicht durch Einlagen
gedeckt sind. Kontoeinrichtungs- und
-führungsgebühren führen nicht zu einem Vermögensgewinn beim
Kontoinhaber. Sie sind reine Folge- und keine Tatschäden im Sinne des
Betrugstatbestandes (
§§ 263 StGB).
Die schlichte Eröffnung eines Debitkontos unter Vorlage falscher
Personalpapiere ist deshalb kein Betrug, sondern nur der Gebrauch
falscher Urkunden und deshalb eine Urkundenfälschung gemäß
§ 267 StGB.
(10)
Siehe schon oben:
Kontoeröffnung und Verfügungen unter einer Legende.
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Einrichtung eines Kreditkontos ohne Kontobelastung |
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18.03.2012
Die
Einrichtung eines Kontokorrentkontos mit der Zusage eines
Überziehungskredits räumt dem Täter die Option ein, das Konto im Rahmen des
Limits abzuräumen. Mit der schadensgleichen Vermögensgefährdung hat die
Rechtsprechung die Tatvollendung vorverlagert. Damit würde die Schaffung
der Option seitens der Bank ausreichen, dass der Täter den Betrug
vollendet hat Diese Konstruktion steht aber zunehmend unter Kritik und
nach einzelnen Stimmen in Rechtsprechung ist sie sogar entbehrlich.
Das BVerfG
hat die schadensgleiche Vermögensgefährdung zunächst bestätigt
(11), verlangt
jetzt aber nach einer rechnerischen
Bezifferung und Darlegung eines Mindestschadens
(12).
Das ist strenger als die klassische Begründung für den
Gefährdungsschaden
(13).
Der BGH zeigt eine uneinheitliche Rechtspechung. Am deutlichsten geworden
ist vor einem guten Jahr der 3. Strafsenat des BGH, der an die Stelle
des Gefährdungs- den Eingehungsschaden setzte
(14).
Das klingt auf dem ersten Blick gut,
löst das Anwendungsproblem aber auch nicht ganz. Der
Eingehungsschaden ergibt sich danach aus der rechnerischen
Gegenüberstellung der wirtschaftlichen Werte der gegenseitigen
vertraglichen Ansprüche beim Vertragsabschluss selber. Gemeint ist der
Vergleich der wirtschaftlichen Werte der beiderseitigen
Vertragspflichten nach einer noch abstrakten Berechnung.
Deshalb stellt sich die Frage, ob allein schon
durch die irrtumsbedingte Einräumung eines Überziehungskredites ein
Eingehungsschaden entsteht, wenn auf der Passivseite ein wertloser
Forderungsanspruch entstehen würde.
(11)
Schaden und schadensgleiche Vermögensgefährdung, 31.01.2010;
BVerfG, Beschluss vom 10.03.2009 - 2 BvR 1980/07.
(12)
Bezifferung und Darlegung eines Mindestschadens, 08.01.2012
(13)
BVerfG:
Bezifferter Gefährdungsschaden, 15.08.2010
(14)
Der
Eingehungsschaden löst den Gefährdungsschaden ab, 16.02.2011
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Gefährdungsschaden beim Überziehungskredit |
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18.03.2012
Die
Vermögensverfügung im Zusammenhang mit der Gewährung eines
Überziehungskredits erfolgt bei der letzten intellektuellen Prüfung, ob
er gewährt wird. Die Rechtsprechung hat aber immer davon abgesehen,
bereits auf seine Bewilligung abzustellen
(15).
Jedenfalls mit dem Zugang der Scheckkarte tritt die Vermögensgefährdung
ein, sagte der BGH im Jahr 2001
(16):
Insoweit hat die Angeklagte unter Vorlage des gefälschten
Personalausweises und Täuschung über ihre Zahlungswilligkeit bei der
Postbank die Eröffnung eines Kontos sowie die Übergabe von Schecks und
einer Kreditkarte erreicht. Zudem hat sie ... auch die in den Fällen II.
10. und 12. eingesetzte ec-card erlangt. Sie ist daher vom Landgericht
zu Recht wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt
worden. Der Betrug war mit der Aushändigung der Schecks und der ec-card
sowie der Kreditkarte an die zahlungsunwillige Angeklagte vollendet, da
dadurch eine konkrete Vermögensgefährdung eingetreten ist (...).
Daran hat der BGH auch in jüngerer Zeit
festgehalten
(17).
Das dürfte auch für eine Entscheidung aus dem Jahr 2008 gelten
(18),
in der ebenfalls die Verurteilung des Angeklagten wegen Betrug und
Urkundenfälschung in Tateinheit referiert wird. Näher ausgeführt wird
aber nur zum Betrug, zu der Täuschung im Zusammenhang mit Inhaber-
oder Ordenschecks <Rn 7> und schließlich zur Frage der Tatvollendung <Rn
10>: Nach Vorlage eines falschen Schecks schrieb die Bank dem Konto die
Valuta gut. Damit ist der Betrug vollendet und das Versuchsstadium
abgeschlossen. Beendet wird die Tat aber erst durch die Auszahlung an
den Täter. Erlangt er zunächst nur einen Teilbetrag der Gutschrift, dann
dauert das Beendigungsstadium weiter an. Mehrere Abhebungen werden
dadurch zu einer einheitlichen Tat
(19).
Ungewöhnlich ist jedoch ein Beschluss aus dem
Jahr 2011 formuliert
(20):
Er berichtet von einem
überregional operierenden Kontoeröffnungsbetrügerring, in dem dem
Angeklagten die Aufgabe zukam, "Läufer" für die finale Tatausführung zu
rekrutieren <Rn 3 bis 5>. Es ging schließlich um 14 Kontoeröffnungen
unter falschen Identitäten und die Verurteilung des Angeklagten wegen 14
Fälle der Urkundenfälschung wird vom BGH nicht beanstandet. Erfolgreich
in ihrem Sinne waren die Täter aber nur in 2 Fällen, wo es es zur
Auszahlung von 10.000 und 5.000 Euro kam. Der BGH beanstandet, dass in
beiden Fällen trotz des deutlichen Wertunterschiedes dieselbe
Einzelstrafe ausgeurteilt wurde <Rn 9>. Wenn auf die Wertigkeit des
Erlangten abgestellt wird, dann sollte man meinen, es gehe um Betrug.
Davon ist in dem Beschluss aber keine Rede, sondern nur von
Urkundenfälschung.
Klare
Absagen an den Schadenswert von Überziehungszusagen gibt es jedenfalls
nicht. Zu den Anforderungen an ihn gibt es noch keine gefestigte
Rechtsprechung und auf den Eingehungsschaden
(21)
ist nur eine weitere Entscheidung im Zusammenhang mit der
Schadensfeststellung bei betrügerischer Kapitalerhöhung eingegangen, die
nicht weiter hilft
(22):
Ein
Schaden liegt demnach vor, wenn die von dem Getäuschten eingegangene
Verpflichtung wertmäßig höher ist als die ihm dafür gewährte
Gegenleistung unter Berücksichtigung aller mit ihr verbundenen, zur Zeit
der Vermögensverfügung gegebenen Gewinnmöglichkeiten (...). Zu
berücksichtigen ist beim Eingehen von Risikogeschäften dabei auch eine
täuschungs- und irrtumsbedingte Verlustgefahr, die über die vertraglich
zugrunde gelegte hinausgeht.
(15)
BGH, Beschluss vom 21.11.2001 - 2 StR 260/01, Rn 31
(16)
(15), Rn 21. Die als Gegenmeinung angegebene Quelle
(3)
betrifft eher die Frage nach der Täuschung als nach dem
Schadenseintritt.
(17)
BGH, Beschluss vom 14.10.2010 - 2 StR 447/10, Rn 3
(18)
BGH, Beschluss vom 11.12.2008 - 5 StR 536/08
(19)
Zum Betrug durch gefälschte Überweisungsträger siehe:
BGH, Urteil vom 18.06.2008 - 2 StR 115/08
(20)
BGH, Beschluss vom 29.06.011 - 1 StR 136/11
(21)
Einrichtung eines Kreditkontos ...
(22)
BGH, Beschluss vom 14.04.2011 - 2 StR 616/10, Rn 12
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bilanzielle Wirkung |
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18.03.2012
Unter
strenger Betrachtung hat die Gewährung eines Überziehungskredits keine
bilanzielle Auswirkung, solange er nicht in Anspruch genommen wird. Bei
seiner regulären Abwicklung würde sich ein bilanzieller Passivtausch
ergeben: Per Forderungen (gegen den Kunden) an Kasse (Auszahlung,
Überweisung). Beim böswilligen Kunden fehlt die Chance der Realisierung
für die Forderung, der Kassenwert vermindert sich zulasten der
Passivsumme und veringert den Gewinn. Dem könnte die Bank gegensteuern,
wenn sie bereits bei der Kreditgewährung eine Rücklage in gleicher Höhe
bilden würde. Aber auch das schmälert den Gewinn.
Für die
betreffenden Fälle hat der 3. Strafsenat einen radikalen Vorstoß gemacht:
Die signifikante Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit
(23).
Diese hat das Gericht angenommen, wenn die Täter Lebensversicherungen
abschließen in der festen Absicht, binnen kurzer Zeit mit gefälschten
Todesbescheinigungen die Versicherungssummen einzufordern. Das bringt
alle auf langfristige Laufzeit und gestreutes Risiko angelegte
Kalkulationen der Versicherung durcheinander und hätte den eingangs
beschriebenen Effekt. Deswegen soll
der
Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit
Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit
Abschluss der Versicherungsverträge eintreten <Rn 144>. Die dagegen
gerichtete Kritik befürchtet, dass damit jeder böswillige Kunde zum
Betrüger wird
(24)
und tatsächlich ist die Diskussion um diesen Gedankengang nicht wieder
aufgenommen worden.
Der Gedanke
ist aber nicht ganz falsch und das unter folgendem Gesichtspunkt: Der
normale bargeldlose Zahlungsverkehr ist ein völlig automatisierter
Vorgang. Die Rechenzentren der Banken prüfen neben der Authentität
grundsätzlich nur das Kontoguthaben, den Überziehungskredit und einige
andere Einschränkungen (Auslandsverfügung, Tages- und Wochenlimit).
Daneben laufen unterschiedliche Routinen, die auffällige Verfügungen
herausfiltern (zum Beispiel ungewöhnlicher Betrag, Verfügung ins Ausland,
mehrere Verfügungen am Geldautomaten nacheinander), die sie zu einer
intellektuellen Prüfung und womöglich Nachfrage veranlassen.
Im Zusammenhang mit ärztlichen Abrechnungsbetrug hat der BGH gerade
jetzt wieder festgestellt
(25):
Bei
Betrugsvorwürfen im Zusammenhang mit standardisierten, auf
Massenerledigung angelegten Abrechnungsverfahren ist nicht erforderlich,
dass der jeweilige Mitarbeiter hinsichtlich jeder einzelnen geltend
gemachten Position die positive Vorstellung hatte, sie sei der Höhe nach
berechtigt; vielmehr genügt die stillschweigende Annahme, die ihm
vorliegende Abrechnung sei insgesamt „in Ordnung”. Daher setzt ein
Irrtum nicht voraus, dass tatsächlich eine Überprüfung der Abrechnungen
im Einzelfall durchgeführt wurde (
BGH, Urteil vom 22. August 2006 - 1 StR 547/05).
Nimmt man
diesen Gedanken mit auf, dann stellt sich das Bild anders dar: Im
bargeldlosem Zahlungsverkehr findet die letzte Prüfung der
Kreditwürdigkeit zusammen mit der Entscheidung über die Eingabe des
Limits in die EDV der Bank statt. Sie verliert damit - jedenfalls im
unauffälligen Massenverkehr - die Kontrolle über ihre Vermögensrisiken.
Während im üblichen Zahlungsverkehr ein Ausfallrisiko bei wenigen
Prozent besteht, ist das bei Betrügern anders und schnellt auf bis zu
100 Prozent des Überziehungskredits hoch.
Das
rechtfertigt es jedenfalls in den Fällen des Kontoeröffnungsbetruges, wo
mit falschen Urkunden der Überziehungskredit ertrogen wird (Arbeitsverträge,
Gehaltsbescheinigungen) von einem Gefährdungs- oder Eingehungsschaden
auszugehen, der zu einem vollendetem Betrug führt (
§§ 263 StGB).
(23)
Erhöhung
der Leistungswahrscheinlichkeit, 31.01.2010;
BGH, Urteil vom 14.08.2009 - 3 StR 552/08
(24)
Jochen Thielmann, Andrea Groß-Bölting,
Die "signifikante Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit" als
Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB, hrr-strafrecht.de Januar 2010.
(25)
BGH, Beschluss vom 25.01.2012 - 1 StR 45/11, Rn 41.
Schön ist auch das neue Wort "rügegenständliche"
<Rn 36>
(sollte heißen: rügegegenständlich).
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Einrichtung eines Finanzierungskontos |
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18.03.2012
Beim
Finanzierungskonto geht es darum, einen Warenkauf durch einen Bankkredit
zu finanzieren. In diesen Fällen händigt das Warenhaus den Gegenstand
aus und tritt die Bank im Innenverhältnis für den Kaufpreis ein. Mit der
Aushändigung der Ware wird der Betrug vollendet. Finanzierungskäufe
unter Verwendung falscher Identitäten und Urkunden und gleichzeitiger
Zahlungsunwilligkeit des Käufers sind deshalb ein Betrug in Tateinheit
mit Urkundenfälschung (
§§ 263,
267,
52 StGB).
Dasselbe gilt beim Abschluss von Handy-Verträgen,
wenn das Endgerät gleich ausgehändigt wird.
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Einreichung gefälschter Schecks |
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18.03.2012
Man sollte meinen, dass ein Kunde, der bei seiner Bank gefälschte Schecks
zur Einziehung einreicht und dann den als Vorschuss gutgeschriebenen
Scheckbetrag vom Konto abhebt, in böser Absicht handelt und betrügt. In
einer ganz neuen Entscheidung reagiert der BGH auf diese Frage wie das
klassische Radio Eriwan: Im Prinzip ja, aber ...
(25a)
Es kommt nämlich darauf an, ob die Bank durch anderweitige Sicherheiten,
zum Beispiel durch Kontoguthaben im Übrigen oder Zugriffsmöglichkeit auf
andere Werte gesichert ist.
Bei der betrügerischen Einreichung gefälschter Schecks trifft die über
die Existenz einer wirksamen Scheckanweisung getäuschte Inkassobank
durch die Erteilung der Vorbehaltsgutschrift eine Vermögensverfügung zu
Lasten ihres Vermögens. Die Vorbehaltsgutschrift führt zu einer
schadensgleichen Vermögensgefährdung, soweit der Kontoinhaber
tatsächlich die Möglichkeit hat, auf den vorläufig gutgeschriebenen
Scheckbetrag zuzugreifen (vgl.
BGH, Beschluss vom 24. April 2007 – 4
StR 558/06 ...) und die Inkassobank nach den
konkreten Umständen des Einzelfalles durch das
ihr zukommende Rückbelastungsrecht nicht
hinreichend gegen eine Vermögenseinbuße
gesichert ist. Eine solche Sicherung
der Bank ist
in dem Umfang gegeben, in dem das
Konto ohne Berücksichtigung der
Vorbehaltsgutschrift ein Guthaben aufweist und
zu erwarten steht, dass
die Rückbelastung des Scheckbetrags wertmäßig
abgedeckt sein wird. Aber auch in
Fällen, in denen auf Grund der
Rückbuchung mit einem Debetsaldo
zu rechnen ist, fehlt es an
einer schadensgleichen Vermögensgefährdung,
soweit ein aus dem Wegfall
der Vorbehaltsgutschrift resultierender
Ausgleichsanspruch der Bank anderweitig, etwa
durch das Pfandrecht der
Bank aus Nr. 14 AGB-Banken, gesichert
ist oder seitens der Bank ohne
Schwierigkeiten realisiert werden kann,
weil der Kontoinhaber zum Ausgleich des
Kontos willens und in der Lage
ist (vgl. zum Lastschriftbetrug
BGH, Urteil vom 15. Juni 2005 – 2 StR 30/05
... ;
Beschluss vom 24. August 2005 – 5 StR 221/05
... ;
vom 14. September 2010 – 4 StR 422/10 ... ; a.A. OLG Hamm
NJW 1977, 1834, 1836).
(25a)
BGH, Beschluss vom 06.03.2012 - 4 StR 669/11, Rn 9
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Ergebnisse |
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18.03.2012
Böse gesagt:
Entscheidet sich der Bankkunde im laufenden Zahlungsdienstevertrag dazu,
seine Bank zu schädigen, passiert ihm strafrechtlich nichts
(26).
Nur wenn er seine Bank durch Lügen zur Einrichtung oder Erhöhung des
Kreditrahmens veranlasst, seine Zahlungskarte missbräuchlich bei anderen Banken oder im
Lastschriftverfahren einsetzt, macht er sich wegen Betruges
(
§ 263 StGB) oder wegen des Missbrauchs einer Scheckkarte strafbar ( §
266b StGB)
(27).
Auch der
legendierte Bankkunde ist ein normaler Kontoberechtigter
(28).
Als solcher macht er sich bei der Kontoeröffnung wegen der Vorlage
falscher Urkunden nur wegen Urkundenfälschung strafbar (
§ 267 StGB). Erst wenn er neue Lügen bringt, um einen
Überziehungskredit zu bekommen oder seinen Kreditrahmen ohne
Zahlungswillen zu erhöhen, macht er sich wegen Betruges und bei der
Verwendung falscher Urkunden strafbar.
Legt der Täter seinem Tatplan folgend falsche
Urkunden sowohl bei der Kontoeröffnung als auch beim späteren Antrag auf
einen Finanzierungskredit vor, dann handelt es sich um eine zwar
mehraktige, aber einheitliche Tat der Urkundenfälschung in Tateinheit mit
Betrug (
§§ 263,
267,
52 StGB)
(29).
Im Ergebnis
gilt die 2001 vom BGH formulierte Konzeption fort: Spätestens mit der
Übersendung der Zahlungskarte (und PIN) oder den
Homebanking-Zugangsdaten verliert die Bank die Kontrolle über ihr Risiko.
Damit ist der Kontoeröffnungsbetrug vollendet. Die automatisierten
Verarbeitungsvorgänge im Zahlungsverkehr rechtfertigen es zudem, die
Vollendung bereits zu dem Zeitpunkt anzunehmen, wann der
Überziehungskredit in die EDV der Bank eingegeben wird.
(26)
Kontoeröffnung und Verfügungen unter einer Legende
(27)
Ebenda
(26).
(28)
Kontoeröffnung und Verfügungen unter einer Legende
(29)
Einleitung und
(1)
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