Ihre Betreiber machen sich auch
wegen der Dateien strafbar, die sie nicht selber in Besitz nehmen,
sondern zu denen sie den Mitgliedern nur den Zugang verschaffen
(
Drittbesitzverschaffung).
Schließlich stellt sich auch die Frage, ob diese
Schärfungen der materiellen Strafbarkeit auch Auswirkungen auf die
strafrechtlichen Ermittlungen haben. Dabei geht es vor Allem um
verdeckte Ermittlungen und um die Keuschheitsproben.
Ein Urteil
aus dem Februar 2012 hat sich durch Schweigen geäußert
(2)
und vor einem Jahr hat der BGH eine genaue Abgrenzung der
Verbrechensfantasie von wirklichem verbrecherischen Willen und dessen
Umsetzung gefordert
(3).
Unlängst äußerte sich das Gericht auch zurückhaltend zur Frage der
Einziehung
(4).
In der neuen Entscheidung findet das Gericht erfreulich deutliche Worte.
Die beiden Angeklagten waren die Administratoren von zwei nacheinander
eingerichteten Boards, auf denen
Mitglieder Nachrichten oder Anfragen (sog. Postings) hinterließen und
insbesondere dauerhaft und ungestört kinderpornographische Bild- und
Videodateien austauschten <Rn 3>. Die Adressen der abgelegten
Dateien wurden leicht abgeändert (zum Beispiel hxxp://
anstelle von http://).
Das Board
war in verschiedene Bereiche unterteilt. Ein Teil hiervon war jedermann
zugänglich, im Übrigen war das Board nur Mitgliedern vorbehalten, die -
graduell abgestuft - durch verschiedene Aktivitäten, insbesondere das
eigene Posten von kinderpornographischen Dateien innerhalb des Boards,
eine entsprechende Zugangsberechtigung erhalten hatten. Der Angeklagte
N. war hierbei als "Moderator" tätig, um für "Ruhe und Ordnung" unter
den Besuchern des Boards zu sorgen. Zudem brachte er in dieser Funktion
zahlreiche eigene Ideen ein, um den Erhalt des "Z. "-Boards zu sichern
und zu fördern <Rn 4>.
Jedenfalls in den exklusiven inneren Hard Core-Bereich
des späteren Boards wurden die Mitglieder nur zugelassen, wenn sie
entsprechendes Material lieferten (Keuschheitsprobe).
Sofern
die Mitglieder innerhalb eines bestimmten Zeitraums keine Aktivitäten
entfalteten, wurde ihr Zugang automatisch deaktiviert, um passive
Teilnehmer von dem Board fernzuhalten. So unterlag die Szene einem
ständigen Wechsel. Am 29. September 2009 hatte das "S. "-Board aktuell
476 Mitglieder zu verzeichnen <Rn 5>.
Die
geschilderten Geflogenheiten weichen nicht sonderlich ab von denen, die
sich anderer Interessen widmen (zum Beispiel dem Carding), außer im
Ekelfaktor: Von den Mitgliedern wurden verstärkt
auch sog.
"Eigenproduktionen", also selbst gefertigtes Bild- und Filmmaterial,
gepostet, die den sexuellen Missbrauch nahestehender Personen zeigten
<Rn 5>.
Das Urteil
betritt mit klaren Aussagen rechtliches Neuland:
Zutreffend
hat das Landgericht das Betreiben des "Z. "-Boards durch den Angeklagten
N. und des "S. "-Boards durch beide Angeklagte - jeweils nebst den
dazugehörigen Chats - als bandenmäßige Verbreitung
kinderpornographischer Schriften in der Variante des öffentlichen
Zugänglichmachens (
§ 184b Abs. 1 Nr. 2 Var. 4, Abs. 3 Alt. 2 StGB) gewertet.
Ein solches Zugänglichmachen liegt in der Zurverfügungstellung einer
Plattform, die dem Einstellen von Dateien im Internet dient, wobei die
Möglichkeit des Lesezugriffs genügt (...). Nichts anderes gilt für das
Bereitstellen entsprechender Links, wobei es nach Auffassung des Senats
ohne Belang ist, ob das Zugänglichmachen durch das Posten eines Links
auf eine kinderpornografische Datei erfolgt (...) oder ob - wie hier in
Einzelfällen - die Zieladresse durch Verändern von Buchstaben aus
Sicherheitsgründen geringfügig verändert und von den Nutzern nach
Weisung manuell eingegeben wird. <Rn 9>.
Der BGH
stellt auch klar, dass der Begriff "öffentlich" auch für die
geschlossenen Teile eines Boards gilt. Das gilt bereits dann, wenn
einem
größeren, in seiner Zahl und Zusammensetzung unbestimmten Personenkreis
die Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet wurde <Rn 11> und vor
allem wenn
ein
professionell organisierter Kinderpornoring im Internet eine Tauschbörse
mit mehreren tausenden Zugriffen pro Tag und vielen hundert anonymen
pädophilen Mitgliedern unterhält, wobei das einzige Zugangshindernis das
eigene Posten kinderpornografischer Dateien ist.
Ein öffentliches Zugänglichmachen von kinderpornografischem
Material liegt deshalb vor, wenn der Zugang nicht auf einen dem Anbieter
überschaubaren kleinen Personenkreis beschränkt werden kann, es sich
vielmehr um einen anonymen, nicht überschaubaren Benutzerkreis handelt.
Der BGH
geht noch weiter, indem er die Board-Betreiber auch für die
Drittbesitzverschaffung in Anspruch nimmt (
§ 184b Abs. 2, Abs. 3 Alt. 2 StGB):
Drittbesitzverschaffen setzt zwar grundsätzlich - in Abgrenzung zum
eigenen Sichverschaffen des Nutzers - voraus, dass die Handlung des
Täters direkt und unmittelbar auf die Besitzverschaffung des Dritten
gerichtet ist. Bedarf es aber - wie hier - nur noch einer geringfügigen
Mitwirkungshandlung des Empfängers selbst, der lediglich den Link
anklicken muss, um die tatsächliche Herrschaft über die
kinderpornografischen Dateien zu erlangen, und ist aufgrund der gerade
auf den Austausch und die Übermittlung solcher Daten gerichtete
Kommunikation in einem Chat mit einer alsbaldigen Inanspruchnahme des
Downloadangebots zu rechnen, ist es ohne Bedeutung, dass der letzte
Schritt zur eigentlichen Besitzerlangung in der Hand des Nutzers liegt.
Ob dies auch so zu sehen wäre, wenn statt eines Links die selbst in den
Browser einzugebende Adresse für kinderpornografische Dateien in den
Chat eingestellt wird, braucht der Senat an dieser Stelle nicht zu
entscheiden <Rn 18>.
Danach bedeutet es für das Unternehmen des
Drittbesitzverschaffens keinen Unterschied, ob der Täter dem Nutzer die
Daten etwa per E-Mail mit entsprechendem Anhang (...) übermittelt
oder ob er diesem die Möglichkeit des Zugriffs auf diese - wie
vorliegend - durch Übermitteln eines anzuklickenden Links verschafft
hat. Auch für die Tathandlung des Verbreitens i.S.v.
§ 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB
macht es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( BGHSt 47,
55, 59 f.) keinen rechtlich relevanten Unterschied, ob der Anbieter dem
Nutzer die Dateien explizit zusendet (Upload) oder der Nutzer diese
durch Aktivieren eines Links anfordert (Download) <Rn 19>.
Das
Urteil hat auch eine Signalfunktion für die polizeilichen Ermittlungen
in den Boards. Wenn selbst ihre zugangsbeschränkten Teile als
Öffentlichkeit anzusehen sind, stellen sich die Fragen nach der
Eingriffsgrundlage für Ermittlungen ohne die Schärfe, die sie hätten,
wenn ein starker Schutz durch Grundrechte bestände. So greift zunächst
wegen der Beobachtung des Boards die Ermittlungsgeneralklausel (
§§ 161 Abs. 1 S. 1,
163 Abs. 1 S. 2 StPO). Je stärker sich die Ermittlungen auf einen
bestimmten Personenkreis oder einen bestimmten Beschuldigten
konzentrieren, bedarf es zunächst der Zustimmung der Staatsanwaltschaft
(
§ 110b Abs. 1 S. 1 StPO) oder sogar des Gerichts (
§ 110b Abs. 2 Nr. 1 StPO)
(5).
Die genauen Grenzen zwischen der freien Informationsbeschaffung im
Internet, dem im Einzelfall beauftragten NoeP und dem Verdeckten
Ermittler sind noch nicht bestimmt. Dazu bedarf es erst noch breiterer
Erfahrungen.
Das größte
Problem bei den Ermittlungen im KiPo-Bereich sind die Keuschheitsproben.
Die Ermittler sind zwar berechtigt unerkannt zu ermitteln, nicht aber
dazu, Straftaten zu begehen. Bereits der schlichte Besitz von
KiPo-Abbildungen ist strafbar. Es wird die Meinung vertreten, dass die
polizeiliche Verwendung kinderpornographischer Bilder durch Notstand
gerechtfertigt ist (
§ 34 StGB). In dieser Allgemeinheit teile ich die Auffassung nicht.
Wenn jedoch bekannt ist, dass - wie im vom BGH entschiedenen Fall - neue
"Eigenproduktionen" gepostet werden, wird auch davon
ausgegangen werden können, dass sexueller Missbrauch an Kindern akut
stattfindet. Das könnte in der Tat eine gegenwärtige, nicht anders
abwendbaren Gefahr für Leben oder Leib sein, die einen Notstand
begründet.
Das Urteil
des BGH vom 18.01.2012 setzt klare Signale und stärkt die
Strafverfolgung gegen die Kinderpornographie. Im Ergebnis gilt das nicht
nur für die Fragen nach der materiellen Strafbarkeit, sondern auch für
den Nachdruck, mit dem die Strafverfolgung betrieben werden kann. Das
ist erfreulich!
(1)
BGH, Urteil vom 18.01.2012 - 2 StR 151/11
(2)
Verbreitung von Kinderpornographie im Chat-Kanal, 04.03.2012
(3)
Härtere
Gangart gegen das Skimming und für die materielle Gerechtigkeit,
05.04.2011
(4)
Löschen
statt einziehen, 28.02.2012
(5)
Siehe wegen der Einzelheiten:
Dieter
Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet, #
1.20, 03.07.2012
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