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Alles Verbrecher! |
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Schlaglichter aus der Welt der Schutztrutze und der Cybercrime Überall ist dasselbe Wehklagen zu hören. 26 % der in Deutschland eingesetzten Software ist nicht lizensiert. 77 % der in China betriebenen Software besteht aus Raubkopien und in den USA sind es immerhin nur 19 %. Ein Hoch auf die Laptops, weil sie meistens mit vorinstallierten Programmen ausgeliefert werden. Die Quellen der BSA-Studie sind mir jedoch nicht ganz klar. Die allenthalbe Krokodilstränen-Flut lässt den Blick darauf verschwimmen, wer eigentlich klagt. Auf dem Musikmarkt sind es eher die 5 % Mainstreamer, die das Sagen haben (2) und denen die stimmlosen Gefolgsleute wegbrechen, die für ihr Direktmarketing selber Abgaben zahlen müssen, obwohl sie eigentlich profitieren sollten. So fällt es nicht immer leicht, die GEMA zu lieben (3). 100 Autoren haben einen offenen Brief veröffentlicht, üben den Schulterschluss mit den Verwertern und wehklagen ihre Sorge um die öffentlichen Angriffe gegen das Urheberrecht. Das Urheberrecht ist eine historische Errungenschaft bürgerlicher Freiheit gegen feudale Abhängigkeit, und es garantiert die materielle Basis für individuelles geistiges Schaffen (4). In dem Aufruf wird erklärt, die Realitäten der Digitalisierung und des Internets seien kein Grund, den Diebstahl von geistigem Eigentum zu rechtfertigen oder gar dessen Legalisierung zu fordern. Stattdessen müsse der Urheberrechtsschutz gestärkt und den einfachen Zugangsbedingungen zu Produkten des geistigen Eigentums angepasst werden (5). Die Logik finde ich toll: Wer die anlasslose Beabgabung auf Festplatten, DVDs und andere schlichte Datenträger kritisiert, ist Monarchist oder Revanchist. So sieht es jedenfalls der Kampfgefährte GEMA. Der Gegenwind ist heftig. Unbekannte haben die Daten von Unterzeichnern eines Aufrufs "gegen den Diebstahl geistigen Eigentums" im Internet veröffentlicht. Die Aktion aus dem angeblichen Umkreis von Anonymous stößt auf scharfe Kritik (6). Mit Quellen und Belegen hat es CIO nicht so. Auf einer Internet-Plattform zum Austausch von Dokumenten wurden in vier Teilen Listen mit Namen, Geburtsdaten, Adressen und Telefonnummern der Unterzeichner hochgeladen - unter ihnen prominente Schriftsteller wie Charlotte Roche oder der Musiker Sven Regener, der die Debatte über das Urheberrecht im März angestoßen hatte. Die Daten wurden teilweise später wieder entfernt. Die Täter sollen aus dem Umkreis der Anonymous-Bewegung kommen (7). Das ist böse. Anonymous! Das ist Punk, das ist frech, fremd und bösartig. Besonders dann, wenn der Gefangene nicht reden will (8). Die Meldung bei Golem ist knapp, unbelegt und im Ergebnis nichtssagend - und deshalb ärgerlich (9). Ich hatte es schon im April gesagt, dass die Cyberkriminalität eigentlich verschwunden ist (10). Das bestätigt jetzt - ein bisschen - die Polizeiliche Kriminalstatistik - PKS - für 2011 (11). Danach ist die Kriminalität im Zusammenhang mit dem "Tatmittel Internet" um 10 % zurück gegangen. Eine Zahl lässt jedoch aufhorchen: 75,5 Prozent davon sind Betrugsdelikte, dabei ging es hauptsächlich um gefälschte oder nicht gelieferte Waren (12). Das sind 167.787 registrierte Straftaten. Damit sind wir, wie ich es vermutet hatte, beim Carding. Eine Aufklärungsquote nennt die PKS nicht. In Anbetracht der üblichen Scheinidentitäten vermute ich, dass sie schlecht ist. Damit leiten wir über: Einen Rückgang um 16,2 Prozent auf 7021 Fälle weisen Straftaten im Zusammenhang mit dem Urheberrecht auf – vor allem wegen eines "geänderten Anzeigeverhaltens der Musikindustrie" (13). Von Heise - und eben nicht CIO oder Golem - ist man in der Tat besseren Journalismus gewohnt. Hier geht es darum: Ein russisches Start-up hat nach eigenen Angaben eine Methode entwickelt, die Verbreitung von urheberrechtlich geschütztem Material im Bittorrent-Netz zu stören. Das System des Unternehmens "Pirate Pay" ist angeblich in der Lage, den Download von bestimmten Dateien durch Teilnehmer in dem Filesharing-Netz gezielt zu unterbinden. Ein erster Feldversuch der Technik soll erfolgreich verlaufen sein (14). Es lebe der Konjunktiv, wenn man sich nicht festlegen will. Vorsicht ist bekanntermaßen die kleine Schwester der Porzellankiste. Bei einem russischen Start-up werde ich schon hellhörig und ich frage mich, ob es dort lautere Neugründungen überhaupt geben kann. Dann droht energisch Kaspersky mit irgendetwas, was wie eine Zaunlatte aussieht. Na gut, könnte man angesichts dessen meinen. Was kann eine Software stören? Ist sie eine Malware, die auch legale Aktivitäten beeinträchtigt? Welche Kollateralschäden sind zu erwarten? Solche Fragen bleiben zunächst unbeantwortet. Vom Digital Rights Management - DRM - rückt inzwischen sogar Sony zurück. Es nervt die Kunden, die zahlen, für Miete statt für Eigentum, weil die teure Datei unter einem neuen Betriebssystem oder nach Zeitablauf plötzlich Datenbrei ist. Vor vielen Jahren sprach die c't von Un-CDs, weil die vermarkteten Musik-Scheiben allen technischen Standards und damit dem, was ein Verkäufer DIN- oder ISO-gerecht schuldet widersprachen. Recht hat die Zeitschrift aus Hannover gehabt. Ich rede nicht gegen die Verfolgung von Profiteuren, die die Verbreitung von Raubkopien zu ihrem Geschäftsmodell machen und damit kräftig Gewinn machen. Das gilt auch für Textautoren und Musiker. Ich rede aber gegen Verwerter, die die Sozialbindung des Eigentums völlig ignorieren und das besonders dann, wenn lächerliche Bearbeitungen gemeinfreier Werke zu neuen Schutzrechten führen sollen. So kann ich auch ein altes und bekanntes Märchen unter dem Titel "Rotmützchen" als Bearbeitung veröffentlichen. Ich rede durchaus gegen die moderne Wegelagerei, die P2P-Angebote durchsucht oder mit Suchalgorithmen nach geschützten Abbildungen sucht. Auch der Cyberfahnder ist schon von heftigen Lizenzforderungen heimgesucht worden, die bislang alle im Sande verlaufen sind. Man kann's ja 'mal probieren. In einem Fall war ich unachtsam und habe einen Vergleich angeboten. Darauf wollte sich eine renomierte Firma nicht einlassen und beauftragte ein nicht weniger renormiertes Anwaltsbüro, das zunächst mit falschen Behauptungen und weiteren Forderungen dohte - und dann ganz kleinlaut und schließlich still blieb. Ein anderes Abmahn-Unternehmen wollte mich wegen eines grafischen Zitats in Anspruch nehmen und hat dann ganz schnell die Lust verloren.
Adobe
Reader und Java bleiben Hauptangriffsziele, sagt Kaspersky
(15).
Derweil: Überraschend ist, was er über andere Botnetzbetreiber sagt: Er glaube nicht, dass viele von ihnen je einen Sourcecode selber "angefasst" oder gar geschrieben hätten. Das mag für die Trittbrettfahrer seiner Preisklasse sogar stimmen, die die Malware "out of the box", also im fertigen Zustand kaufen. An die richtig Großen im Geschäft reichen solche Möchtegerns und Greise unter den Script Kiddies nicht heran. (1) Die neueste Hochrechnung von BSA und IDC, Computerwoche 15.05.2012 (2) Volker König, Die Fünf-Prozent-Gesellschaft, Telepolis 14.05.2012 (3) Ebenda (4) Wir sind die Urheber! Gegen den Diebstahl geistigen Eigentums (5) Urheberrechtsdiskussion: Künstler legen nach, Heise online 10.05.2012 (6) Aktivisten fürs Urheberrecht unter Beschuss aus dem Netz, CIO 14.05.2012 (7) Ebenda. Ausführlicher: Thomas Pany, Namhafte Ahnungslose gegen ahnungslose Anonyme, Telepolis 15.05.2012 (8) Jörg Thoma, Mutmaßliches Lulzsec-Mitglied bekennt sich nicht schuldig, golem.de 15.05.2012
(9)
Eine hübsche Bilderstrecke über die Aktivitäten von Anonymous & Co. gibt
es hier: (10) Cybercrime - gibt es eigentlich nicht, 09.04.2012 (11) BMI, Polizeiliche Kriminalstatistik 2011, BMI 14.05.2012 (12) Stefan Krempl, Straftaten im Internet rückläufig, Heise online 16.05.2012 (13) Ebenda (12) (14) "Pirate Pay" will Urheberrecht im Bittorrent-Netz schützen, Heise online 14.05.2012 (15) Frank Ziemann, Adobe Reader und Java bleiben Hauptangriffsziele, PC-Welt 14.05.2012 (16) Bekenntnisse eines Botnetz-Betreibers, Heise Security 11.05.2012 (17) Kontosperre durch Bitcoin-Lücke, Heise online 18.05.2012
(18)
Bitcoin-Börse Bitcoinica ausgeraubt, Heise online 14.05.2012 |
Cyberfahnder | |
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |