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Für den
ermittlungsbehördlichen Zugriff auf E-Mail-Postfächer, die dem Nutzer
von einem Provider zur (Zwischen-)Speicherung seiner elektronischen
Nachrichten bereitgestellt werden, dienen die
§§
100a,
100b
StPO ... als Rechtsgrundlage. Der vom Amtsgericht in seinem
ausführlichen Beschluss vertretenen Ansicht, für eine solche Maßnahme
stehe nach geltendem Recht eine geeignete Ermächtigungsgrundlage in der
StPO nicht zur Verfügung und ein darauf gerichteter Antrag sei daher
abzulehnen, vermag sich die Kammer – ebenso wie der Ansicht der
Staatsanwaltschaft, die in einem solchen Fall vorzugswürdig die
Beschlagnahmevorschriften (
§§ 94,
98,
99
StPO) angewendet sehen will –, die divergierenden Auffassungen zu
dieser Frage in Rechtsprechung und Literatur ... berücksichtigend, nicht
anzuschließen.
(1)
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Von einem Leser des Cyberfahnders bin ich auf den Beschluss des
Landgerichts Hamburg vom 08.01.2008 - 619 Qs 1/08
(1)
- mit den Worten hingewiesen worden, dass, wenn er es recht verstehe,
ich wohl eine andere Meinung vertrete. Das sieht er richtig.
Den Beschluss habe ich
bereits
angesprochen, kannte dabei aber den Text noch nicht.
Die Kernaussage des Beschlusses ist gesetzessystematisch undurchdacht
und gerät in dieselbe Argumentationsfalle, die das BVerfG wegen seiner
eigenen Rechtsprechung in anderer Sache korrigiert hat
(2).
Hostspeicher, egal, ob sie für die Verwaltung von E-Mails oder für die
Speicherung anderer Dokumente und Inhalte dienen, sind schlicht und
einfach physikalische Speicher und damit körperliche Gegenstände, die
als solche gemäß
§ 94 Abs. 2 StPO der Beschlagnahme unterliegen.
§
100a StPO betrifft hingegen die laufende Kommunikation, also das
Abhören
beim Übertragungsvorgang.
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Die Regeln für die Überwachung der Telekommunikation passen schlicht und
einfach nicht auf Hostdienste, die eben gerade nicht der laufenden Übermittlung,
sondern der Speicherung dienen.
Zur Analogie fähig sind allenfalls die einschränkenden Vorschriften
zur
Postbeschlagnahme ( § 99
StPO), weil sie den körperlichen Übertragungsweg einem besonderen
Schutz unterwerfen. Eine ernsthafte und kunstgerechte Auslegung muss
jedoch den gesetzgeberischen Willen zu Rate ziehen und damit die jetzt
eingeführte
Onlinedurchsuchung light. Mit dieser Formvorschrift zur Durchsuchung
hat der Gesetzgeber klar zu verstehen, dass er die vom Betroffenen
bewusst aus seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich ausgelagerten Daten
den klassischen Instrumenten der Durchsuchung (
§§ 102,
103,
105
StPO) und Beschlagnahme (
§§ 94,
95,
97,
98
StPO)
unterwerfen will. Wer diesen Willen ernst nimmt kann keine
einschränkende Interpretation anhand der Postbeschlagnahme (
§ 99 StPO) oder der Überwachung der Telekommunikation (
§ 100a StPO) in Erwägung ziehen.
19.07.2009: Siehe jetzt
BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009 - 2 BvR 902/06
(
Beschlagnahme von E-Mails).
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