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Oktober 2008
24.10.2008 E-Mail-Beschlagnahme
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Sichtung und Beschlagnahme von E-Mails
   
Für den ermittlungsbehördlichen Zugriff auf E-Mail-Postfächer, die dem Nutzer von einem Provider zur (Zwischen-)Speicherung seiner elektronischen Nachrichten bereitgestellt werden, dienen die §§ 100a, 100b StPO ... als Rechtsgrundlage. Der vom Amtsgericht in seinem ausführlichen Beschluss vertretenen Ansicht, für eine solche Maßnahme stehe nach geltendem Recht eine geeignete Ermächtigungsgrundlage in der StPO nicht zur Verfügung und ein darauf gerichteter Antrag sei daher abzulehnen, vermag sich die Kammer – ebenso wie der Ansicht der Staatsanwaltschaft, die in einem solchen Fall vorzugswürdig die Beschlagnahmevorschriften ( §§ 94, 98, 99 StPO) angewendet sehen will –, die divergierenden Auffassungen zu dieser Frage in Rechtsprechung und Literatur ... berücksichtigend, nicht anzuschließen. (1)
 

 
Von einem Leser des Cyberfahnders bin ich auf den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 08.01.2008 - 619 Qs 1/08 (1) - mit den Worten hingewiesen worden, dass, wenn er es recht verstehe, ich wohl eine andere Meinung vertrete. Das sieht er richtig.

Den Beschluss habe ich bereits angesprochen, kannte dabei aber den Text noch nicht.

Die Kernaussage des Beschlusses ist gesetzessystematisch undurchdacht und gerät in dieselbe Argumentationsfalle, die das BVerfG wegen seiner eigenen Rechtsprechung in anderer Sache korrigiert hat (2). Hostspeicher, egal, ob sie für die Verwaltung von E-Mails oder für die Speicherung anderer Dokumente und Inhalte dienen, sind schlicht und einfach physikalische Speicher und damit körperliche Gegenstände, die als solche gemäß § 94 Abs. 2 StPO der Beschlagnahme unterliegen. § 100a StPO betrifft hingegen die laufende Kommunikation, also das Abhören beim Übertragungsvorgang.
 

 
Die Regeln für die Überwachung der Telekommunikation passen schlicht und einfach nicht auf Hostdienste, die eben gerade nicht der laufenden Übermittlung, sondern der Speicherung dienen.

Zur Analogie fähig sind allenfalls die einschränkenden Vorschriften zur Postbeschlagnahme ( § 99 StPO), weil sie den körperlichen Übertragungsweg einem besonderen Schutz unterwerfen. Eine ernsthafte und kunstgerechte Auslegung muss jedoch den gesetzgeberischen Willen zu Rate ziehen und damit die jetzt eingeführte Onlinedurchsuchung light. Mit dieser Formvorschrift zur Durchsuchung hat der Gesetzgeber klar zu verstehen, dass er die vom Betroffenen bewusst aus seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich ausgelagerten Daten den klassischen Instrumenten der Durchsuchung ( §§ 102, 103, 105 StPO) und Beschlagnahme ( §§ 94, 95, 97, 98 StPO) unterwerfen will. Wer diesen Willen ernst nimmt kann keine einschränkende Interpretation anhand der Postbeschlagnahme ( § 99 StPO) oder der Überwachung der Telekommunikation ( § 100a StPO) in Erwägung ziehen.

19.07.2009: Siehe jetzt BVerfG, Beschluss vom 16.06.2009 - 2 BvR 902/06 ( Beschlagnahme von E-Mails).
 

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(1) LG Hamburg, Beschluss vom 08.01.2008 - 619 Qs 1/08, Juris

(2) Gemeint sind die Verkehrsdaten im sichergestellten Mobiltelefon, die zunächst nur nach Maßgabe des seinerzeit geltenden § 100g StPO ausgelesen werden durften ( Beschluss vom 04.02.2005 - 2 BvR 308/04). Das hat das BVerfG nach heftiger Kritik später korrigiert ( Urteil vom 02.03.2006 - 2 BvR 2099/04).
 

 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018