|
Rötzer:
Das
Experiment wurde vielfach wiederholt, immer mit dem gleichen Ergebnis,
dass die Versuchsperson, die den Lehrer spielte, einen "Schüler" mit
immer stärkeren Elektroschocks traktierte, wenn dieser Fehler machte.
Zögerte der "Lehrer" wurde er von Versuchsleiter aufgefordert, weiter zu
machen. Gespielt wurde der Schüler von einem Schauspieler, der ab 70
Volt stöhnte, ab 120 Volt vor Schmerzen schrie, ab 140 Volt ein Ende des
Experiments forderte, ab 200 Volt noch lauter schrie und ab 330 Volt
verstummte, was die "Lehrer" nicht davon abhielt, zu über 60 Prozent die
Schocks bis zum Anschlag auf 450 Volt zu verstärken. Waren hingegen etwa
zwei Versuchsleiter vorhanden, die sich widersprachen, brachen viele
Versuchspersonen, die "Lehrer" spielten, ab.
(1)
|
1962 hat der Psychologe Stanley Milgram das nach ihm benannte Experiment
durchgeführt und damit gezeigt, dass Menschen dazu bereit sind, anderen
Menschen schwere Schmerzen zuzufügen, indem sie den Anweisungen einer
Autorität unterwerfen
(2).
Das Beängstigende an dem Experiment ist seine beliebige
Wiederholbarkeit.
Vor zwei Jahren berichtete Florian Rötzer in
davon, dass der Versuch in einer virtuellen Umgebung wiederholt wurde
(3).
Den Testpersonen war dabei klar, keinem schmerzempfindenden Menschen
gegenüber zu sitzen, sondern "nur" einem Avatar. Dennoch bestraften sie
in gleicher Weise den faulen Schüler, zeigten dieselbe Enthemmung, wie
im Ursprungs-Versuch, und
reagierten ... mit einer deutlich messbaren Erregung während des
Austeilens der Elektroschocks.
Unlängst ist das Milgram-Experiment mit echten Menschen wiederholt
worden
(1).
Die Ergebnisse weichen vom ursprünglichen Versuch nur im Rahmen der
üblichen statistischen Unschärfe ab. Die Menschen haben nichts dazu
gelernt und sind gestern wie heute autoritätshörig. Rötzer:
Menschen
sind formbar, auch dann, wenn sie zu Ungeheuern werden.
Gleichermaßen erschreckend verlief 1971 das
Stanford-Prison-Experiment
(4),
bei dem zufällig ausgewählte Personen in die Rollen von Gefangenen und
Wärtern versetzt wurden. Das Verhalten der Wärter wurde zunehmend
brutaler und sadistischer und das der Gefangenen unterwürfiger, wobei
sie auch ihre Gruppenidentität aufgaben. Der Versuch musste abgebrochen
werden, weil er zu eskalieren drohte.
|
Die experimentell beobachteten Prozesse der der Enthemmung in Bezug
auf Gewaltanwendung sind auch im Alltag festzustellen. Aus der
kriminologischen Opferforschung ist bekannt, dass bestimmte
Verhaltensweisen, Herkünfte und Merkmale die Hemmschwelle von Tätern
wegen Gewalttaten senken gegenüber anderen Mitmenschen, die
selbstbewusst auftreten und Stärke verkörpern. In den 70-er Jahren des
letzten Jahrhunderts berichtete der Sozialwissenschaftler Jan Philipp
Reemtsma bereits von dem Phänomen des
Geschlagenen, der allein dadurch, dass er als
Geschlagener wahrgenommen wird, die Hemmschwelle Anderer senkt, ihn
ihrerseits zu schlagen (vergewaltigen, erniedrigen oder ausbeuten)
(5).
05.01.2009: Eine neue Studie belegt, dass das Schmerzempfinden dann
steigt, wenn dem Opfer bewusst ist, dass ihm die Schmerzen mit Absicht
beigebracht werden:
Marglim.
Die andere Seite des Experiments.
19.04.2009: Nach jüngsten Meldungen aus den USA waren an den
"innovativen Verhörtechniken" der CIA ... auch Psychologen und Ärzte
aktiv beteiligt
(6).
|