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Ändern sich im Verlauf eines anhängigen Strafverfahrens
strafprozessuale Vorschriften, so ist für das weitere Verfahren
grundsätzlich die neue Rechtslage maßgeblich.
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Werden durch eine Telefonüberwachung in einem
Ermittlungsverfahren gegen Dritte gewonnene Daten in ein anderes
Strafverfahren eingeführt, um sie zur Aufklärung des gegen den
dortigen Beschuldigten gerichteten Tatvorwurfs zu verwenden, so
liegt hierin ein - erneuter - Eingriff in das Fernmeldegeheimnis
(
Art. 10 Abs. 1 GG). Dieser Eingriff bedarf einer
gesonderten rechtlichen Grundlage (vgl.
Art. 10 Abs. 2 GG) ...
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Die Inhalte der Telefonate sind in dem gegen den Angeklagten
wegen des Vorwurfs des Betrugs gerichteten Strafverfahren
jedenfalls als sog. Zufallsfunde nach
§ 477 Abs. 2 Satz 2 StPO verwertbar. Danach dürfen
die auf Grund der Telefonüberwachung (rechtmäßig) erlangten
personenbezogenen Daten ohne Einwilligung der von der Maßnahme
betroffenen Personen zur Aufklärung solcher Straftaten verwendet
werden, zu deren Aufklärung eine solche Maßnahme nach der
Strafprozessordnung hätte angeordnet werden dürfen.
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Bei der
Überwachung der Telekommunikation (
§ 100a StPO) Dritter ergaben sich Erkenntnisse darauf, dass sie
ihrerseits das Opfer eines Betruges im besonders schweren Fall geworden
sind (
§ 262 Abs. 3 StGB). Diese Zufallsfunde, wie sich der BGH im
Anschluss an
§
108 StPO ausdrückt, sind in dem Verfahren gegen den Betrüger
verwertbar [
Schwellengleichheit,
(1)].
Das Landgericht war in dieser Sache anderer Ansicht gewesen und
stellte sich auf den Standpunkt, dass zu dem Zeitpunkt, als die TKÜ
durchgeführt wurde, eine entsprechende Maßnahme gegen den Angeklagten
nicht hätte durchgeführt werden dürfen, so dass die Erkenntnisse daraus
nicht verwertet werden dürften.
Dem hat
Bundesgerichtshof jetzt widersprochen. Bei der Verwertung verdeckt
erlangter Kenntnisse aus einer TKÜ in einem anderen Verfahren erfolgt
ein erneuter Eingriff in das Fernmeldegeheimnis; er darf nur auf einer
geltenden gesetzlichen Grundlage erfolgen. Sie besteht dann, wenn wegen
des Vorwurfs gegen den Dritten jetzt
ebenfalls die TKÜ angeordnet werden darf und das ist seit dem 01.01.2008
auch bei einem besonders schweren Fall des Betruges zulässig (siehe
unten).
Das Urteil
des BGH ist die erste (mir bekannte) Entscheidung, die sich mit dem neu
gefassten
§ 477 StPO auseinander setzt
(4).
Das ist aber die falsche Hausnummer, weil der BGH auf
§
161 Abs. 2 StPO hätte Bezug nehmen müssen. Es geht ihm nämlich um
den Import verfahrensfremder Erkenntnisse und nicht um den Export, der
in
§ 477 StPO geregelt ist. Vom Ergebnis her bleibt das aber
gleich.
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Die
§§
161 und
477 StPO erwecken den Eindruck, als seien sie auf die nur
unter besonderen Umständen zulässig erlangten Beweismittel aus
anderen Verfahrensordnungen
anzuwenden, also zum Beispiel nach dem Polizeirecht. Das Urteil stellt
klar - was ich auch schon bislang angenommen habe
(5),
dass das auch für unterschiedliche Strafverfahren gilt (verschiedene prozessuale Taten,
§
264 StPO).
Danach gibt
es mehrere Durchbrechungen der auf dem ersten Blick äußerst strikten
Beweisverwertungsverboten wegen verdeckt erlangter Beweismittel:
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als
Vollbeweis in
demselben Verfahren,
auch wenn sich die rechtliche Beurteilung geändert hat
und jetzt die Beweiserhebung nicht mehr zulässig wäre
(6)
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als
Vollbeweis in
anderen Verfahren, wenn
sie dort nach Maßgabe des aktuellen
Strafverfahrensrechts hätten erhoben werden dürfen (
Schwellengleichheit)
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als
Spurenansatz
(7)
zur Begründung von Eingriffsmaßnahmen (z.B. für
Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse)
(8)
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zur
Ermittlung des Aufenthaltsortes des
Beschuldigten
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Damit kann man leben.
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Der eigentliche, unmittelbare Eingriff in die Rechtssphäre des
Angeklagten lag vielmehr erst darin, dass die Staatsanwaltschaft die
durch die Telefonüberwachung gewonnenen Daten in das Verfahren gegen den
Angeklagten einführte mit dem Begehren, sie zur Aufklärung des gegen
diesen gerichteten Tatvorwurfs zu verwenden. In einer derartigen
Verwendung der gewonnenen Daten liegt eine erneute Durchbrechung des
Fernmeldegeheimnisses (vgl. BVerfGE 100, 313, 391 f.
(10)
), die gesonderter
rechtlicher Grundlage insbesondere deswegen bedarf, weil die
Datenverwendung nunmehr der Strafverfolgung eines Dritten dienen soll,
gegen den sich die ursprüngliche Anordnung der heimlichen Datengewin-nung
nicht gerichtet hatte. Diese rechtliche Grundlage war im Zeitpunkt der
von der Staatsanwaltschaft begehrten Datenverwendung durch
§ 477 Abs. 2
Satz 2 StPO in Verbindung mit
§ 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. n StPO indes
gegeben. Der vor dem 1. Januar 2008 bestehenden Rechtslage, die die
Verwendung der durch die Telefonüberwachung rechtmäßig erlangten
Zufallsfunde zur Aufklärung eines Betrugs im besonders schweren Fall (
§
263 Abs. 3 Satz 2 StGB) nicht zuließ (vgl.
§ 100b Abs. 5 in Verbindung
mit
§ 100a Abs. 1 StPO aF), kommt demgegenüber keine Bedeutung mehr zu.
(11)
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10.05.2009: Klarheit schafft das Urteil des BGH
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besonders wegen der Frage, ob die beschränkt verwertbaren Kenntnisse
auch in anderen Strafverfahren verwertet werden dürfen, deren Gegenstand
erst nach neuem Recht die Überwachung der Telekommunikation zulassen.
Der BGH lässt das jetzt zu.
Bedeutsam
wird das vor allem wegen der vermögensstrafrechtlichen und
Fälschungsdelikte, die neu in den
Straftatenkatalog des
§
100a Abs. 2 StPO aufgenommen worden sind. Das betrifft zum Beispiel
qualifizierte Formen des
Betruges
und der
Urkundenfälschung.
Die
Argumentation des BGH ist nicht überraschend. Für das
Strafverfahrensrecht gilt kein Rückwirkungsverbot (
§ 2 Abs. 1 StGB), sondern der Grundsatz, dass das Verfahrensrecht
zum Zeitpunkt seiner Anwendung gilt
(13).
Folglich ist nach dem Inkrafttreten des neuen Straftatenkatalogs nur
noch dieser anzuwenden und nicht mehr das alte Recht.
Ein berechtigtes Vertrauen des Angeklagten in die Fortgeltung dieses
früheren Rechtszustands ist nicht anzuerkennen.
(14)
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(1)
BGH, Urteil vom 27.11.2008 - 3 StR 342/08, Rn. 13
(2)
Ulf Buermeyer, ebenda
(1), Bearbeiter für
hrr-strafrecht.de
(3)
ebenda
(1), Rn. 11
(4)
siehe auch
Zweckbindung,
Verwertungsverbote
(5)
Import-
und Exportverbote
(6)
Änderung
des rechtlichen Gesichtspunkts
(7)
BVerfG,
Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, S. 64
(8)
BVerfG, Beschluss vom 25.04.2005 - 2 BvR 866/05
(9)
(7)
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(10)
BVerfG, Urteil vom 14.07.1999 - 1 BvR 2226/94, 1 BvR
2420/95, 1 BvR 2437/95 -
(11)
ebenda
(1), Rn. 13
(12)
ebenda
(1)
(13)
Zitat
ganz oben links.
(14)
ebenda
(1), Rn. 13, am Ende.
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