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Dezember 2008
21.12.2008 BKA-Gesetz
zurück zum Verweis zur nächsten Überschrift Mit Hängen und Würgen und unbrauchbar
   

Novelle zum BKA-Gesetz hat die Gesetzgebungsorgane passiert
 

 
Foto von AP bei tagesschau.de
 
Novelle des BKAG
Verwendungsverbote
Schwellengleichheit
Import- und Exportverbote
Vorrang der StPO
Exkurs: Vollzugsprobleme
Kollisionsrecht
Gemengelage und Kollision
Quellen-TKÜ
Online-Überwachung und -Durchsicht
Fazit
 

Nachdem das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt (Novelle zum BKA-Gesetz) den Vermittlungsausschuss, am 17.12.2008 den Bundesrat und am 18.12.2008 den Bundestag passiert hat (1), muss es noch zwei Hürden nehmen: Der Bundespräsident muss es unterzeichnen ( Art. 82 Abs. 1 GG) (1a) und im Bundesanzeiger muss es veröffentlicht werden [ Art. 82 Abs. 2 GG; (1b)]. Frühestens am 01.01.2009 kann es in Kraft treten. Die unweigerlichen Verfassungsklagen zum BVerfG werden gegenwärtig angekündigt und geprüft (2).

Das Gesetz ist Stückwerk und verlässt im Zusammenhang mit der Onlinedurchsuchung das einheitliche System der staatlichen Eingriffsmaßnahmen. Ihm werden nach und nach das Bundesverfassungsschutzgesetz und die Gesetze für die verschiedenen Nachrichtendienste folgen, so dass am Ende für die Gefahrenabwehr und die Nachrichtendienste das Instrument der Onlinedurchsuchung zur Verfügung steht, nicht aber für das finale Ziel der Gefahrenabwehr, die Strafverfolgung.

Die Entstehungsgeschichte des Änderungsgesetzes ist von öffentlichem und parlamentarischem Gezänk geprägt, das zunächst eine strafverfahrensrechtliche Eingriffsnorm zur Onlinedurchsuchung verhindert hat (3).
 

Das rächt sich jetzt, indem das BKA die Onlinedurchsuchung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung gefahrenabwehrrechtlicher Aufgaben zugesprochen bekommt und eine entsprechende Eingriffsnorm in der StPO fehlt. Das führt dazu, dass die Erkenntnisse aus der polizeilichen Online-Überwachung und der Online-Durchsicht im Strafverfahren nur sehr eingeschränkt und nicht als Beweismittel im Strengbeweisverfahren eingeführt werden dürfen.

Auch das BKA selber wird erhebliche Schwierigkeiten beim Gesetzesvollzug erleiden, weil es einerseits präventive Aufgaben hat, bei denen es die Onlinedurchsuchung anwenden darf, und auch in der Strafverfolgung tätig ist, die allein den Regeln der StPO unterliegt.

Mit diesem Zwiespalt befasst sich dieser Aufsatz. Er befasst sich mit der Rechtsprechung und den Vorschriften über die Verwendung unter Grundrechtseingriffen erlangter Erkenntnisse und zeichnet die strafverfahrensrechtlichen Grenzen nach. Darüber hinaus werden die Kollisionen angesprochen, die sich bei einer "Gemengelage" ergeben, in der gefahrenabwehr- und strafverfahrensrechtliche Ziele nebeneinander zum Tragen kommen. Den Schluss bildet eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen der Onlinedurchsuchung unter der besonderen Fragestellung, welche vom BKA dabei gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren zu welchem Zweck verwertet werden dürfen.
 

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BVerfG, Urteil vom 14.07.1999 - 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, Rn 165 (6):
Da die Kommunikation ihren von Art. 10 GG vermittelten Geheimnisschutz nicht dadurch verliert, daß bereits eine staatliche Stelle von dem Fernmeldevorgang Kenntnis erlangt hat, beziehen sich die Anforderungen des Grundrechts auch auf die Weitergabe der Daten und Informationen, die unter Aufhebung des Fernmeldegeheimnisses erlangt worden sind. Das gilt um so mehr, als es sich bei der Weitergabe regelmäßig nicht nur um eine Ausweitung der Stellen oder Personen, die über die Kommunikation informiert werden, sondern um die Überführung der Daten in einen anderen Verwendungszusammenhang handelt, der für die Betroffenen mit zusätzlichen, unter Umständen schwereren Folgen verbunden ist als im ursprünglichen Verwendungszusammenhang.
 

 
Die endgültige Fassung der umstrittenen Regelungen zur Onlinedurchsuchung und zur Beweiserhebung gegen Berufshelfer habe ich nicht gefunden, nur Sekundärquellen und Einschätzungen. Mehrere Rundfunkanstalten warten mit gleichlautenden Hintergründen auf (4). Die Hintergrundinformationen (5), die das Bundesinnenministerium verspricht (6), geben zwar keine Hinweise auf die Quelle oder den parlamentarischen Beratungsstand, wurden aber zuletzt am 19.12.2008 geändert, so dass ein gewisses Vertrauen darauf angebracht ist, dass sie den aktuellen Stand wieder geben.

Danach wird das BKA zur Online-Durchsuchung (§ 20k BKAG-E), Quellen-TKÜ (§ 20l Abs. 2 BKAG-E) und zur Wohnraumüberwachung (§ 20h BKAG-E) ermächtigt. Ungeachtet der Probleme, die im Zusammenhang mit Beweiserhebungen gegen Berufshelfer im Sinne von § 53 StPO auftreten können (neu: §160a StPO), soll hier die Frage gestellt werden, was rechtlich geschieht, wenn das BKA mit seinen neuen Ermittlungsinstrumenten Erfolg hat und Hinweise auf Straftaten erlangt.
 

 
Nach früherer Rechtsprechung durften im Strafverfahren die Erkenntnisse anderer staatlicher Stellen immer verwendet werden, wenn sie in gesetzmäßiger Form der anderen Stelle zur Kenntnis gelangt waren.

Dem hat das BVerfG einen Riegel vorgeschoben, indem es aus dem Trennungsgebot zwischen den Geheimdiensten und der Polizei [ G10; siehe Zitat links, Rn 165; (7)] die Verpflichtung des Gesetzgebers ableitet, die Zwecke, zu denen personenbezogene Daten übermittelt und weiter verwendet werden dürfen, bereichsspezifisch und präzise festzulegen (Rn 258). Daraus folgert das BVerfG: Grundrechtsgebotene Beschränkungen des Einsatzes bestimmter Erhebungsmethoden dürfen nicht dadurch umgangen werden, daß Daten, die mit einer solchen Methode rechtmäßigerweise zu bestimmten Verwendungszwecken erhoben worden sind, in gleicher Weise auch für Zwecke zugänglich gemacht werden, die einen derartigen Methodeneinsatz nicht rechtfertigen würden. (Rn 260)

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BVerfG, Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, Rn 342 (7):
Auch bei einer Übermittlung von strafprozessual gewonnenen Informationen an Polizeibehörden zur Gefahrenabwehr nach § 100 f Abs. 1 2. Alt. StPO haben sich die Voraussetzungen für die Zweckänderung an entsprechenden Grundsätzen zu orientieren. Da die Daten durch einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff erlangt worden sind, wäre es verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen, die Übermittlungsschwelle unter diejenige abzusenken, die im Rahmen der Gefahrenabwehr für entsprechende Eingriffe in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gilt (...). Eine gesetzliche Regelung für die Übermittlung nach § 100 c Abs. 1 Nr. 3 StPO erhobener Daten an Behörden zu präventiv-polizeilichen Zwecken hat daher die verfassungsrechtlichen Wertungen zu berücksichtigen, die in Art. 13 Abs. 4 GG für den Primäreingriff getroffen worden sind.
 

 
Aus dem Trennungsgebot hat das BVerfG in seinem Urteil über den Großen Lauschangriff (8) die allgemeine Regel abgeleitet, dass die Erkenntnisse aus der einen Verfahrungsordnung, die rechtsmäßig, aber durch Grundrechtseingriffe erworben wurden, in der jeweils anderen Verfahrensordnung nur dann zu Beweiszwecken verwendet werden dürfen, wenn dort der Verwendungszweck ebenfalls durch denselben Grundrechtseingriff hätte erreicht werden dürfen ( Zitat links).

Dem trägt der Gesetzgeber mit den seit dem 01.01.2008 geltenden §§ 161 Abs. 2, 477 Abs. 2 StPO Rechnung.

Die Begründung zur Reform der StPO [S. 64; (9)] nimmt Bezug auf die Rechtsprechung des BVerfG. Danach dürfen "überschwellige" Erkenntnisse nicht zu Beweiszwecken verwendet werden, wohl aber als weiterer Ermittlungsansatz (Spurenansatz) oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten (10).
 

 
Demzufolge verbietet § 477 Abs. 2 StPO in der jetzt geltenden Fassung die Übermittlung von Erkenntnissen aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, die unter besonderen formellen Voraussetzungen erlangt wurden, zu einem anderen Verfahren zu Beweiszwecken, wenn dort nicht auch die gleichen Anforderungen gelten und erreicht werden. Ich spreche insoweit von einem Exportverbot.

In die umgekehrte Richtung, also als Importverbot, wirkt der neue § 161 Abs. 2 StPO. Er verbietet die Verwertung von Erkenntnissen aus anderen Verfahrensordnungen zu Beweiszwecken, wenn sie dort unter Grundrechtseingriffen erlangt wurden, die in dem betreffenden Verfahren nicht zulässig sind.

Ihre Verwertung zur Aufenthaltsermittlung und als Spurenansatz ist hingegen vom BVerfG anerkannt [siehe links unten; (11)]]. Das bedeutet, dass die Zufallserkenntnisse (12) zur Begründung von Eingriffsmaßnahmen [Freibeweis; (13)] verwertet werden dürfen, später aber einem Verwertungsverbot in der Hauptverhandlung unterliegen [Strengbeweis; (14)].
 

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BVerfG, Beschluss vom 25.04.2005 - 2 BvR 866/05 (10):
Nach einer in Rechtsprechung und Literatur weit verbreiteten Auffassung ... dürfen rechtmäßig gewonnene Zufallserkenntnisse, die nicht Katalogtaten betreffen, zwar nicht zu Beweiszwecken verwertet werden; sie können aber Anlass zu weiteren Ermittlungen zur Gewinnung neuer Beweismittel sein (...). Diese Rechtsprechung berücksichtigt einerseits den Schutz des Grundrechts aus Art. 10 GG, indem weitergehende Ermittlungen nur in den Fällen für zulässig gehalten werden, in denen die Maßnahme nach Art. 100 a StPO rechtmäßig war; andererseits wird dem Interesse an einer wirksamen Strafrechtspflege hierdurch Rechnung getragen.
 

 
Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Vertrauenspersonen hat der BGH ausgeführt, dass der VP-Einsatz zwar auch präventiv (polizeirechtlich) zulässig ist, nicht aber der Lockspitzeleinsatz, der selbst im Fall einer "Gemengelage" ... einheitlich an den Regelungen der StPO zu messen ist (15). Das Gericht schließt deshalb, dass die ( noch zulässige) Tatprovokation einheitlich nach dem Strafverfahrensrecht - und nicht nach dem Polizeirecht - zu beurteilen ist, weil ihr ausdrückliches Ziel die Strafverfolgung und Bestrafung des Verdächtigen ist.
 

 
Nach dem Vorbild von Burkhard und Claudia Schröder (16) bezweifeln auch Markus Hansen und Andreas Pfitzmann in der die Erfolgsaussichten des "Bundestrojaners" (17). Sie bemängeln, dass die Onlinedurchsuchung Dritten das Tor zur Manipulation öffnen kann, so dass die erlangten Daten keinen Beweiswert hätten. Die praktischen Grenzen sehen sie vor allem darin, die Urheberschaft von Dateien zu belegen, fremde Manipulationen auszuschließen und tatsächlich das richtige Zielsystem zu treffen.

Ein Teil ihrer Bedenken folgt dem Motto "Das kann ja nicht gut gehen" (siehe besonders Zitat links unten).
 

 
   
Nicht nur eine Ausweitung des Anwendungsbereichs durch den Staat kann die Grundrechte weiter unterminieren. Durch eigentlich Berechtigte, die die Zielsetzung der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel widerrechtlich ändern, kann es auch zum konkreten Missbrauch kommen ... Es wäre ausgesprochen leichtsinnig, darauf zu vertrauen, dass eine derartige Entwicklung schon nicht stattfinden wird. Sind solche Werkzeuge erst einmal vorhanden, sinkt die Hemmschwelle, diese für immer weitere Zwecke einzusetzen. Gleichzeitig spricht alle Erfahrung dagegen, dass ein einmal entwickeltes Werkzeug nur von Berechtigten benutzt wird und nicht in falsche Hände gerät.
 
 
Die daraus folgenden Gefahren unterscheiden sich allerdings je nach verwendetem Verfahren. Eine Infiltration per Hardware eignet sich ebenso wie das heimliche Auffangen physikalischer Abstrahlung von IT-Systemen zumindest nicht für eine Massenüberwachung. Der hohe Aufwand für einen heimlichen physikalischen Zugriff könnte als „rechtsstaatliche Absicherung“ betrachtet werden, denn er schließt eine Massenanwendung aus und unterstützt zugleich die Bereitschaft zu einer sorgfältigen Prüfung, ob der tatsächliche Informationsgewinn den schweren Eingriff rechtfertigt.
 
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Grundrechtseingriffe mit dem Ziel, Erkenntnisse zu gewinnen, sind von der Verfassung zugelassen für die Strafverfolgung, für die polizeiliche Gefahrenabwehr und die Nachrichtendienste. Diese drei Aufgabenbereiche sind deutlich voneinander zu unterscheiden ( Trennungsgebot). Das Trennungsgebot verlangt dann, wenn die Erkenntnisse aus der einen Verfahrensordnung für die Aufgabenwahrnehmung in der anderen Verfahrensordnung zu Beweiszwecken von Bedeutung sind, eine genaue Prüfung darauf, ob dort die Erkenntnisse mit der gleichen grundrechtlichen Eingriffstiefe hätten erlangt werden dürfen ( Schwellengleichheit).

Für das Strafverfahrensrecht sind daraus zwei Folgen abzuleiten. "Überschwellig" erlangte Erkenntnisse aus einer anderen Verfahrensordnung dürfen nicht im Strengbeweisverfahren verwertet werden, sondern nur zur Beweisgewinnung im Übrigen und zur Aufenthaltsermittlung. Sie sind somit nicht jeder Verwertung entzogen und dürfen initiativ zur Begründung von anderen, gesetzlich zugelassenen Maßnahmen verwertet werden.
 

 
Soweit eine "Gemengelage" besteht, muss die Zweckrichtung der Ermittlungsmaßnahme betrachtet werden. Die polizeiliche Gefahrenabwehr und die Nachrichtendienste dienen (auch) der vorbeugenden Verhinderung von Straftaten. Am weitesten im Vorfeld von Straftaten handeln die Nachrichtendienste und ganz in ihrer Nähe die polizeiliche Gefahrenabwehr. Beide Ermittlungsdienste laufen immer wieder Gefahr, auf gerade stattfindende oder begangene Straftaten zu stoßen.

Wegen der künftigen Gewinnung von Erkenntnissen zur Aufklärung von Straftaten hat das Strafverfahrensrecht Vorrang vor den Verfahrensordnungen der Gefahrenabwehr und der Nachrichtendienste. Deren Erkenntnisse darf die Strafverfolgung zwar initiativ für ihre Ermittlungen verwenden, strengbeweislich aber nur dann, wenn die Erkenntnisse auch nach den Regeln des Strafverfahrensrechts hätte gewonnen werden dürfen.

Polizei- und nachrichtendienstliche Maßnahmen, die überwiegend der Aufklärung von Straftaten dienen, müssen sich wegen ihrer Zulässigkeit am Strafverfahrensrecht messen lassen. Werden sie vom Strafverfahrensrecht nicht erlaubt, sind sie nur dann zulässig, wenn sie nach den Zwecken ihrer Verfahrensordnung auch zulässig sind. Daraus folgt, dass die Erkenntnisse aus der Gefahrenabwehr und von den Nachrichtendiensten im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren äußerst genau darauf untersucht werden müssen, wie sie erlangt wurden. Darauf gründet die Entscheidung, ob die Erkenntnis nur als Initiative oder als vollwertiger Beweis verwertet werden darf.
 

zurück zum Verweis Gemengelage und Kollision
   

 
Ein Vorrang für die Regeln der StPO besteht zwingend dann, wenn sich der Nachrichtendienst oder die Polizei auf die Aufklärung von Straftaten konzentriert. Wie jedoch ist zu verfahren, wenn bei einer gefahrenabwehrrechtlichen oder nachrichtendienstlichen Maßnahme auch Erkenntnisse gewonnen werden, die zur Aufklärung von Straftaten dienen? Muss die Maßnahme dann abgebrochen werden und die weitere Initiative der Strafverfolgung überlassen werden?

Der gefahrenabwehrrechtliche oder nachrichtendienstliche Zweck der Maßnahme hat sich in aller Regel nicht dadurch erledigt, dass sie auch strafverfahrensrechtlich relevante Erkenntnisse zu Tage fördert.

Im Zusammenhang mit OK-Ermittlungen gilt der Grundsatz, dass im Interesse der Ermittlungen nach den Hinterleuten die Ermittlungen gegen Nebentäter zurück gestellt werden dürfen (18). Dieser Grundsatz ist auf die Kollision zu übertragen und verlangt nach einer Güterabwägung zwischen den präventiven und den Zielen der Strafverfolgung. Danach kann es im Zusammenhang mit äußerst gefährlichen Personengruppen und bedrohlichen Strukturen geboten sein, die Strafverfolgung zurück zu stellen, um das präventive Ziel zu erreichen.
 

 
Die Strafverfolgung darf jedoch nicht aufgegeben werden. Für die Staatsanwaltschaft gilt das Legalitätsprinzip ( § 152 Abs. 2 StPO), d.h. sie muss tätig werden, wenn sie von einer Straftat Kenntnis erlangt. Umgekehrt sind die präventiv tätigen Behörden auch zur Unterrichtung der Strafverfolgung verpflichtet, wenn sie Erkenntnisse über Straftaten erlangen (19). Eine Verpflichtung zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ergibt sich auch aus den bereits angesprochenen Richtlinien (20).

In einem wesentlichen Punkt gebe ich der Kritik von Hansen und Pfitzmann recht: Es fehlt eine gemeinsame Instanz, die gleichermaßen Sachwalter für die Prävention und für die Strafverfolgung ist. Die präventiv tätige Behörde muss deshalb selber abwägen, ob die Bedeutung des präventiven Einsatzes höher zu bewerten ist als die Strafverfolgung, die wegen der bereits gewonnenen Erkenntnisse geboten ist. Das rechtfertigt die Befürchtung, dass die Interessen der Strafverfolgung im Zusammenhang mit präventiven Maßnahmen grundsätzlich zurückgestellt werden.
 

zurück zum Verweis Quellen-TKÜ
 
Überwachung der Online-Kommunikation (Telefonie, E-Mail, News-Groups und Chat) vor der Verschlüsselung
 
Dokumentation der laufenden Aktivitäten am PC (Screenshots, Keylogging)
 
Durchsicht und Suche nach gespeicherten Daten und Dateien
 

 
Die Anforderungen an eine Software zur Onlinedurchsuchung und ihre Funktionen sind an anderer Stelle beschrieben worden (Remote Forensic Software - RFS). Wegen ihres Einsatzes müssen drei Zielausrichtungen unterschieden werden (siehe links). Sie zeigen, dass es "die" Onlinedurchsuchung nicht gibt, sondern verschiedene Ausrichtungen des Quellenzugriffs.

Unter dem Begriff der Quellen-TKÜ wird die Überwachung der Online-Kommunikation im Rechner der Zielperson verstanden. Im Gegensatz zur üblichen Überwachung der Telekommunikation, die die Daten beim Zugangsprovider abgreift, ermöglicht es die Quellen-TKÜ, die Kommunikationsdaten vor ihrer Verschlüsselung zu überwachen.

Der vorgesehene § 20l Abs. 2 BKAG-E wird das BKA zur Quellen-TKÜ ermächtigen. Die dabei im Hinblick auf Straftaten gewonnenen Erkenntnisse sind nach Maßgabe von § 161 Abs. 2 StPO darauf zu prüfen, ob sie im Strafverfahren verwertet werden dürfen.
 

 
Das BVerfG wegen der Quellen-TKÜ Bedenken angedeutet, aber nicht näher ausgeführt (21). Der Gesetzgeber hat jedoch mit der Neufassung des § 100b Abs. 6 StPO Ziffer 2 b) StPO die "Internettelekommunikation" als einen ausdrücklichen Anwendungsfall der Überwachung der Telekommunikation definiert ( § 100a StPO). Durchgreifende Zweifel daran, dass die Quellen-TKÜ ein Anwendungsfall der Überwachung der Telekommunikation ist, dürften nicht bestehen.

Bei der Verwertung von Erkenntnissen aus der polizeilichen Quellen-TKÜ ist nach den Straftaten zu fragen. Sind sie im im Straftatenkatalog des § 100a Abs. 2 StPO aufgeführt und liegen auch die allgemeinen Anwendungsvoraussetzungen nach § 100a Abs. 1 StPO vor, sind sie auch als Beweismittel im Strengbeweisverfahren zulässig.

Wenn das nicht der Fall ist, dürfen die Erkenntnisse nur im Freibeweisverfahren verwertet werden. Sie dürfen dann nur zur Aufenthaltsermittlung oder zur Begründung anderer Beweiserhebungen verwendet werden ( Spurenansatz), wie das BVerfG anerkannt hat (22).
 

zurück zum Verweis Online-Überwachung und -Durchsicht
   

 
Bei der Online-Überwachung werden neben der Kommunikation auch alle anderen Aktivitäten auf dem Rechner der Zielperson fortlaufend überwacht, die nichts mit der Kommunikation zu tun haben. Beispiele dafür sind das Erstellen und Bearbeiten von Texten, Tabellen, Grafiken und Musik, also die normale Datenverarbeitung ohne eine interaktive Verbreitung.

Die Online-Überwachung ist ein Anwendungsfall der Onlinedurchsuchung, der in der Strafprozessordnung keine Entsprechung hat (23). In Anwendung von § 161 Abs. 2 StPO sind die durch sie gewonnenen Erkenntnisse nicht als Strengbeweis in der Beweisaufnahme verwertbar.

Dasselbe gilt für die Online-Durchsicht. Dieser Begriff orientiert sich an § 110 Abs. 1 StPO und bezeichnet die geheime Suche in den Dateiverzeichnissen und Dateien auf den Speichermedien, die an den Zielrechner angeschlossen sind. Die Onlinedurchsuchung light, die § 110 Abs. 3 StPO zulässt, unterscheidet sich dadurch, dass sie bei einer offen durchgeführten Durchsuchung erfolgt, also "unheimlich" ist.
 

 
Auch die Online-Durchsicht ist ein Anwendungsfall der Onlinedurchsuchung, der in der Strafprozessordnung keine Entsprechung hat, so dass die mit ihr gewonnenen Erkenntnisse aufgrund des Importverbots in § 161 Abs. 2 StPO nicht als Beweismittel im Strengbeweisverfahren verwertet werden dürfen.

Die jetzt erreichte Gesetzeslage ist davon geprägt, dass die Erkenntnisse, die aufgrund einer präventiven Onlinedurchsuchung im Vorfeld der Kriminalitätsbekämpfung gewonnen werden, ganz überwiegend für die vorrangige Strafverfolgung nicht verwertet werden dürfen. Das wird den Opfern der Straftaten, die das BKA verhindern soll, und ihren Angehörigen nicht zu vermitteln sein.

Die uneinheitliche Gesetzeslage lässt auch einen hilflos wirkenden Gesetzgeber erkennen, der die Prävention höher bewertet als die Strafverfolgung.

zurück zum Verweis Fazit
   

 
Mit der Einführung der Onlinedurchsuchung in das BKA-Gesetz steht der Bundesbehörde ein neuartiges Eingriffsinstrument für die Gefahrenabwehr zur Verfügung. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse lassen sich jedenfalls dann nicht als Beweise im Strafverfahren verwerten, wenn sie im Wege der Online-Überwachung und der Online-Durchsicht erworben wurden.

Diese beiden Formen der Onlinedurchsuchung fußen auf denselben Methoden und wahrscheinlich derselben Software, die auch für die Quellen-TKÜ zum Einsatz kommt. Sie muss - wie eine kriminelle Malware - zunächst auf den Zielrechner gelangen und sich dort einnisten können. Ihre Wirkungsweise im einzelnen ist davon unabhängig und wird - ebenfalls nach dem Vorbild der Malware - von außen konfiguriert und schließlich auch abgeschaltet werden können (24).
 

 
Die Praxis wird beweisen müssen, ob und wie das BKA mit seiner zweifachen Doppelrolle zurecht kommt.

Es darf die Online-Überwachung und die -Durchsicht nur im Rahmen seiner Aufgaben zur Gefahrenabwehr einsetzen und nicht auch zur Strafverfolgung. Zielkonflikte und Reibereien mit dem Generalbundesanwalt sind dadurch vorprogrammiert.

Das zweite Problem stellt sich im Hinblick auf die Zielausrichtung der Onlinedurchsuchung und der Verwertung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im Strafverfahren. Beschränkt sie sich auf die Quellen-TKÜ, besteht eine Importerlaubnis mit den Schranken aus der Überwachung der Telekommunikation. Insoweit sind erhebliche Rechts- und Praxisprobleme vorhersehbar.

zurück zum Verweis Anmerkungen
 


(1) Bundestag winkt geändertes BKA-Gesetz durch, Heise online 18.12.2008

(1a) Bundespräsident: Keine durchgreifenden Bedenken beim BKA-Gesetz, Heise online 29.12.2008

(1b) Das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25.12.2008 wurde am 31.12.2008 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 01.01.2009 in Kraft.
BGBl. I 2008, S. 3083

(2) Schwarz-rotes "Ja" zur Online-Durchsuchung, tagesschau.de;
BKA-Gesetz: Opposition beklagt "schwarzen Tag für die Grundrechte", Heise online 19.12.2008
07.01.2009: Stefan Krempl, Kommissar Trojaner ermittelt. Nach zweijährigem Streit haben Bund und Länder das BKA-Gesetz verabschiedet, c't 2/2009, S. 34

(3) Wortlaut: Entwurf zur Änderung des BKA-Gesetzes, Gesetzentwurf zur Onlinedurchsuchung, BKAG: Verriss vom Ruheständler, Anhörung zum BKA-Gesetz, Online-Zugriff an der Quelle, Generalangriff gegen heimliche Ermittlungen

(4) Hintergrund: Das BKA-Gesetz, tagesschau.de 19.12.2008;
siehe jetzt (1b).

(5) Hintergründe, BMI 19.12.2008

(6) Bundesrat und Bundestag beschließen Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt, BMI 19.12.2008

(7) BVerfG, Urteil vom 14.07.1999 - 1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, Deutsches Fallrecht - DFR

(8) BVerfG, Urteil vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99

(9) Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG, Gesetzentwurf vom 27.06.2007

(10) (8), S. 64

(11)  BVerfG, Beschluss vom 25.04.2005 - 2 BvR 866/05
  

 
(12) Der Begriff lehnt sich an die Zufallsfunde nach § 108 StPO an und wird so vom BVerfG verwendet; (10). 

(13) Hier: Beschlagnahme gemäß §§ 94 Abs. 2, 98 StPO.

(14) Freibeweis im Gegensatz zum Strengbeweis aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, §§ 243 ff. StPO.

(15)  BGH, Urteil vom 18.11.1999 - 1 StR 221/99, Rn 52. Einzelheiten: Vorrang der StPO vor dem Polizeirecht

(16) Burkhard Schröder, Claudia Schröder, Die Online-Durchsuchung. Rechtliche Grundlagen. Technik. Medienecho, Heise Verlag 2008;
Bestellung bei
siehe auch Twister, Onlinedurchsuchung: BKA-Gesetz verabschiedet, alle Fragen offen, Telepolis 22.12.2008

(17) Markus Hansen, Andreas Pfitzmann, Windei Bundestrojaner. Online-Durchsuchung vs. Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, c't 25/2008, S. 86

(18) Nr. 4.2.4 Anlage E zu den RiStBV; Gemeinsame Richtlinien ... der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität.

(19) z.B. § 2 Abs. 2 Nr. BKAG, § 12 BPolG, §§ 20, 21 BVerfSchG, § 9 Abs. 3 BNDG

(20) (18); Nr. 8 Anlage E zu den RiStBV.

(21) BVerfG, Urteil vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 595/07; siehe auch Grenzen der Quellen-TKÜ.

(22) (10)

(23) herrschende Meinung unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 31.01.2007 - StB 18/06

(24) Online-Zugriff an der Quelle
 

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© Dieter Kochheim, 11.03.2018