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Der frühere Staatssekretär im Bundesjustizministerium
(1),
Hansjörg Geiger
(2),
unterrichtet seit 2003 als Honorarprofessor Verfassungsrecht,
Europäisches Recht sowie Internationales Recht an der Johann Wolfgang
Goethe-Universität in Frankfurt am Main
(3).
Für den Innenausschuss des Bundestages hat er eine Stellungnahme
(4)
zur geplanten Reform des BKA-Gesetzes
(5)
verfasst, die es in sich hat. Keine der dort verankerten Eingriffsnormen
für
verdeckte und
geheime
Maßnahmen lässt er ohne Kritik.
Eine vollständige Würdigung des 29-seitigen Papiers sprengt - auch
den thematischen - Rahmen des Cyberfahnders.
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Unter der Überschrift Konfliktfeld
Generalbundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt
geht Geiger (S. 8) zunächst auf die auch ihm wichtige Aufgabe der
Bekämpfung des internationalen Terrorismus ein. Sodann beschreibt er den
zwangsläufigen Konflikt zwischen polizeilichem Gefahrenabwehrrecht
(hier: BKA) und staatsanwaltschaftlicher Strafverfolgung (hier: GBA),
die besonders im Zusammenhang mit den Ermittlungen wegen der Bildung
krimineller (
§ 129 StGB) und terroristischer Vereinigungen (
§§ 129a ,
129b StGB) äußerst große Berührungsflächen haben, weil die
"Bildung" bereits im Vorfeld geplanter, schwerer Straftaten einsetzt.
Geiger fordert deshalb eine frühe Beteiligung des
Generalbundesanwalts.
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Jedenfalls für die im BKA-Gesetz vorgesehene
Onlinedurchsuchung hilft diese Beteiligung überhaupt nicht weiter,
weil
§
161 Abs. 2 StPO jetzt ein strafverfahrensrechtliches
Importverbot vorsieht. Die vom BKA insoweit gewonnen Erkenntnisse
dürften vom GBA
(6)
nicht zur Beweisführung in der Hauptverhandlung, sondern allenfalls zur Begründung anderer
Eingriffsmaßnahmen verwertet, werden weil das Strafverfahrensrecht
keine Onlinedurchsuchung kennt
(7)
(7a).
Nach der Rechtsprechung des BGH hat das
Strafverfahrensrecht Vorrang vor dem Gefahrenabwehrrecht. Wenn das
BKA bei einer nach dem Polizeirecht zulässigen Onlinedurchsuchung den
Anfangsverdacht wegen einer Straftat gewönne, müsste es mangels
vergleichbarer Vorschriften in der StPO prüfen, ob abseits der
strafrechtlichen Ermittlungen überhaupt noch Raum für polizeirechtliche
sind. Ein
Teufelskreis.
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Der
politische Hickhack birgt die Gefahr, dass ganz unterschiedliche
Verfahrensordnungen für vom technischen Einsatz her identische
Eingriffsmaßnahmen entstehen.
Geiger rät dazu, die Regelungen über den
Kernbereich der persönlichen Lebensführung im BKAG "vor die Klammer
zu ziehen" und einheitliche Regeln für alle polizeirechtlichen,
verdeckten Ermittlungen zu formulieren (S. 2 pp.).
Ich gehe einen Schritt weiter und wünsche mir, auch über die
Onlinedurchsuchung hinaus, ein
einheitliches Gesetz über die Anordnung und Durchführung verdeckter
und geheimer Eingriffsmaßnahmen sowie der anschließenden
Mitteilungspflichten und des Rechtschutzes, das alle Förmlichkeiten
betrifft (Zuständigkeiten, Pflichten). Nur die Anordnungsvoraussetzungen
müssten dann in den Verfahrensgesetzen geregelt werden. Das würde dann
tatsächlich Rechtssicherheit für die Praxis und den Bürger bringen.
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Die Streite um das BKA-Gesetz und die verschiedenen
Verfassungsschutzgesetze fördern hingegen eine Tendenz zur Zerstückelung,
wobei für gleiche Maßnahmen verschiedene Ausführungsregeln entstehen
können.
Ganz besonders wichtig ist es, dass die Strafverfolgung den Rang
behält, der ihr von Verfassungs wegen zusteht: Gleichgeordnet dem Schutz
der Verfassung
(7)
und vorrangig vor der Gefahrenabwehr.
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(1)
Matthias Gebauer, Zypries versetzt Geiger in den
Ruhestand, Spiegel online 25.10.2005
(2)
Profil bei
123people.de:
Hansjörg Geiger
(3)
Hansjörg Geiger
(4)
Stellungnahme
zum Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen
Terrorismus durch das Bundeskriminalamt, August 2008;
Hinweis bei
Ex-BND-Chef: Pläne für heimliche Online-Durchsuchungen verfassungswidrig,
Heise online 08.09.2008
(5)
Wortlaut: Entwurf zur Änderung des BKA-Gesetzes;
Online-Durchsuchung für den Verfassungsschutz
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(6)
Der gut begründete
Vorstoß
aus Bayern ist leider
gescheitert.
(7)
Meine
noch
geltende
Meinung ist ein wenig anders.
An dieser Stelle soll jedoch die
vom BGH
vertretene Meinung Platz greifen.
(7a)
(09.03.2009) und Korrektur: Das Erfordernis der "Schwellengleichheit"
gilt nur für den Vollbeweis in der Hauptverhandlung. Einzelheiten:
zulässige Verwertung verdeckter Zufallserkenntnisse.
(8)
demokratische Grundordnung,
Art.
20 GG |