geheime Ermittlungen |
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geheime Ermittlungen |
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Unmittelbarkeitsprinzip |
Scheinkäufer. Provokateure. Verdeckte Ermittler
Grenzen der Strafverfolgung
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Einsatz von Vertrauensleuten
Glaubwürdig- und Glaubhaftigkeit
Zeuge vom Hörensagen
verschiedene V-Personen
Informant
Vertrauensperson
verdeckter Ermittler
nicht offen ermittelnder Polizeibeamter
Zeugenschutz
anonyme Hinweise
Lockspitzel. Tatprovokation
Vorrang der StPO vor dem Polizeirecht
keine Tatprovokation
Scheinkauf
Grenzziehung vom EuGH
verbotene Methoden
kriminalistische List
verdeckte Ermittlungen im Internet
öffentlich zugängliche Informationen
nicht offen ermittelnder Polizeibeamter
geschlossene Benutzerkreise
Keuschheitsprobe. Scheinkauf
Auslandsberührung
anlassunabhängige Internetrecherche
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20.04.2008:
Die Diskussionen um die
Onlinedurchsuchung, die
Kennzeichenerfassung und die
Nutzung von
Vorratsdaten reagieren besonders auf die
technischen
Überwachungsmöglichkeiten und
Datenspuren im Zusammenhang mit
verdeckten Ermittlungen.
Im Zusammenhang mit der Verfolgung der
besonders schweren und der
Organisierten Kriminalität stehen den Strafverfolgungsbehörden aber
auch
personelle Ermittlungs- und Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung, die
von der Rechtsprechung als zulässig angesehen werden.
Von einem kriminellen Umfeld ernsthaft bedrohte Privatpersonen können zu ihrer
Sicherung in den
Zeugenschutz aufgenommen oder ihnen als
Informanten Vertraulichkeit zugesagt werden. Das sind Ausnahmen und
müssen solche bleiben, weil die Auskünfte von Informanten und anderen
Vertrauenspersonen in aller Regel nur als
Zeugen vom Hörensagen in eine Hauptverhandlung eingeführt werden
können. Sie sollen nicht vor schlichten unangenehmen Konfrontationen im
Gerichtssaal und in der Öffentlichkeit bewahren, sondern nur vor
schweren Nachteilen im privaten Umfeld.
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Die Rechtsprechung erkennt die
kriminalistische List im Gegensatz zur
verbotenen Täuschung als zulässig an. Dazu gehören auch der Einsatz
von
nicht offen ermittelnden Polizeibeamten, von
verdeckten Ermittlern und schließlich auch die Mitwirkung an
Straftaten durch
Scheinkäufe bis hin zu
Keuschheitsproben, um in kriminelle Strukturen eindringen zu können.
Die hier aufgezeigten Ermittlungsmaßnahmen zeigen die Grenzen des Möglichen
und haben immer einen
Ausnahmecharakter. Sie bedürfen im Vorfeld einer
genauen Prüfung und Genehmigung, im Falle des verdeckten Ermittlers in
aller Regel auch des Gerichts ( § 110a StPO).
Sie müssen den Fällen vorbehalten bleiben, die besonders schwer wiegen
und mit anderen Mitteln nicht aufgeklärt werden können.
Durch die Entscheidung des BVerfG zur
Onlinedurchsuchung wird die Diskussion zu
verdeckten Ermittlungen im Internet neu eröffnet. Dieser Aufsatz
schließt deshalb mit einer ersten Bestandsaufnahme, welche Maßnahmen
dazu in Betracht kommen. Hier betreten die Ermittlungsbehörden Neuland,
ebenso wie bei der
"Onlinedurchsuchung light" und der
Quellen-TKÜ.
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Unmittelbarkeitsprinzip |
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Die
Hauptverhandlung (
§§ 226 ff. StPO) vor dem Strafrichter unterliegt dem
Unmittelbarkeitsprinzip (
§ 250 StPO). Es verlangt, dass das urtümliche Beweismittel gehört
(Zeuge, Sachverständiger), verlesen (Urkunde) oder betrachtet (Augenscheinsgegenstand)
und zum Beispiel nicht anstelle einer Aussage ein Protokoll verlesen
oder anstelle eines Beobachters ein Mittelsmann vernommen wird.
Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel (
§§ 251,
256
StPO).
Vor Allem zur Verfolgung der
besonders schweren Kriminalität sind die Polizei und die
Staatsanwaltschaft berechtigt, Gewährsleuten Vertraulichkeit und
Geheimhaltung zuzusagen, wenn sie oder ihre Angehörigen bei einer
Offenbarung ihrer Identität gefährdet wären oder schwere wirtschaftliche
Nachteile befürchten müssten.
Die rechtlichen Instrumente dafür sind die Aussagegenehmigung und die
Sperrerklärung.
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Gemäß
§ 54
Abs. 1 StPO gelten für die Personen des öffentlichen Dienstes die
besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften, wenn sie als Zeugen über
Umstände vernommen werden sollen, auf die sich ihre Pflicht zur
Amtsverschwiegenheit bezieht. Sie bedürfen einer Aussagegenehmigung
ihres Dienstvorgesetzten. Für Polizisten, Staatsanwälte und zum Beispiel
Gerichtsvollzieher wird häufig eine generelle Genehmigung erteilt, die
auf ihre üblichen Dienstgeschäfte beschränkt ist. Für alle anderen Fälle
muss das Gericht eine ausdrückliche Aussagegenehmigung im Einzelfall
einholen.
Nach dem Grundsatz der Amtshilfe (
Art. 35 Abs. 1 GG) sind Verwaltungsbehörden auch dazu verpflichtet,
der Justiz ihre Akten auf Aufforderung vorzulegen. Unter engen
Voraussetzungen können jedoch die obersten Landesbehörden, also die
zuständigen Senatoren oder Ministerien, im Einzelfall Sperrerklärungen
abgeben, die im Strafverfahren nicht angefochten werden können (
§ 96 StPO)
(1).
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Einsatz von Vertrauenspersonen |
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Die
Rechtsprechung der obersten Gerichte hat die Zulässigkeit des Einsatzes
von Vertrauenspersonen schon frühzeitig bestätigt. So hat der BGH bereits
1984 ausgeführt:
der Einsatz von V-Personen und von verdeckt
arbeitenden Polizeivollzugsbeamten (ist) zur Bekämpfung
besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität, zu der
insbesondere auch der Rauschgifthandel gehört, notwendig und zulässig
...
(2)
Zuvor (1981) hatte auch das BVerfG die Verwertung verdeckt erlangter
Erkenntnisse genehmigt:
§ 251 II StPO ist mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem
Recht des Beschuldigten auf ein rechtstaatliches, insbesondere auch
faires Strafverfahren vereinbar. Dies gilt ... auch dann, wenn die
"Unerreichbarkeit" einer Beweisperson im Sinne dieser Vorschrift auf die
Weigerung einer Behörde zurückzuführen ist, ihr Wissen vom
Aufenthaltsort dieser Person mitzuteilen oder ihren Angehörigen die
Aussage über Umstände zu genehmigen, auf die sich ihre Pflicht zur
Amtsverschwiegenheit bezieht.
(3)
Regelmäßig können die Erkenntnisse von V-Personen nur durch
Polizeibeamte in die Hauptverhandlung eingeführt werden, die ihrerseits
berichten, was sie ohne Aufdeckung ihrer Identität von einer
V-Person erfahren haben. Das ist nur eine mittelbare Beweisführung.
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Bei der Beurteilung der Verlässlichkeit einer Zeugenaussage wird in
aller Regel zwischen der Glaubwürdig- und Glaubhaftigkeit unterschieden.
Glaubwürdig ist eine Person,
wenn sie integer und neutral ist. Sie muss sich darum bemühen, Fakten
vollständig darzulegen und dabei erklären, wie sie zu ihrer Kenntnis gelangt
sind. Sie muss solche Kenntnisse, die sie durch andere erlangt hat,
kennzeichnen und muss sich bei der Bewertung zurück halten. Die
Glaubwürdigkeit von ausgewiesenen Lügnern oder wegen Aussagedelikten
Vorbestraften (
§§ 153 ff. StGB) ist mindestens eingeschränkt und muss besonders
gewürdigt werden. Im Zweifel kann auf ihren Angaben keine Verurteilung
gestützt werden.
Glaubhaft ist der Inhalt einer
Aussage, wenn sie widerspruchsfrei ist und mit der Alltagserfahrung, mit dem besonderen Erfahrungswissen
und den Erkenntnissen aus anderen Beweismitteln im Einklang steht. Auch
insoweit spielt die Glaubwürdigkeit eine gewisse Rolle, weil eigene
Interessen und Neigungen der Auskunftsperson den Inhalt ihrer Aussage
färben und prägen können.
Die Beurteilung der Zuverlässigkeit einer Aussage obliegt den
Verfahrensbeteiligten und abschließend dem Gericht im Rahmen seiner
Urteilsbegründung. In geeigneten (seltenen) Fällen, zum Beispiel bei
Kindern, psychisch Kranken oder traumatisierten Personen, kann das
Gutachten eines Fachpsychologen als Sachverständiger zu Rate gezogen
werden.
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Zeuge vom Hörensagen |
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Polizeiliche Zeugen, die über Kenntnisse aus Vernehmungen von V-Personen
berichten, sind immer Zeugen vom Hörensagen. Dem Gericht und den übrigen
Verfahrensbeteiligten ist dadurch ein unmittelbarer Eindruck von der
Verlässlichkeit der Auskunftsperson und der Glaubhaftigkeit ihrer
Angaben verwehrt. Das muss sich in der Beweiswürdigung niederschlagen.
In dem Beschluss von 1981 hat das BVerfG deshalb auch ausgeführt:
Der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren steht dem
Beweismittel des "Zeugen vom Hörensagen" grundsätzlich nicht entgegen.
Allerdings stellt die nur begrenzte Zuverlässigkeit dieses Beweismittels
besondere Anforderungen an die Beweiswürdigung und die Begründung der
tatrichterlichen Entscheidung; dies gilt im verstärktem Maße, wenn der
Gewährsmann anonym bleibt.
(3)
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Darauf aufbauend hat das BVerfG 1995 beschlossen
(4):
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist bei der Beurteilung eines
"Zeugen von Hörensagen" besondere Vorsicht geboten. So ist der
Tatrichter gehalten, den Beweiswert dieses weniger sachnahen
Beweismittels besonders sorgfältig zu prüfen. Dies gilt vor allem dann,
wenn ein Polizeifahnder oder Gewährsmann nur deshalb nicht als Zeuge
gehört werden kann, weil die zuständige Behörde sich weigert, seinen
Namen und seine Anschrift preiszugeben oder eine Aussagegenehmigung zu
erteilen. Hier darf der Tatrichter nicht übersehen, dass es die
Exekutive ist, die eine erschöpfende Sachaufklärung verhindert und es den
Verfahrensbeteiligten unmöglich macht, die persönliche Glaubwürdigkeit
des im Dunkeln bleibenden Fahnders oder Gewährsmanns zu überprüfen ...
Dessen von einem Vernehmungsbeamten wiedergegebenen Aussagen sind
deshalb besonders kritisch zu würdigen. Auf sie darf eine Feststellung
regelmäßig nur dann gestützt werden, wenn diese Angaben durch andere
nach der Überzeugung des Tatrichters wichtige Beweisanzeichen bestätigt
worden sind ... Der Tatrichter muss sich der Grenzen seiner
Überzeugungsbildung stets bewusst sein, sie wahren und dies in den
Urteilsgründen zum Ausdruck bringen ...
(4)
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Fortsetzung:
Das BVerfG hat bereits entschieden, dass die Strafverfolgungsorgane
bei der Bekämpfung besonders gefährlicher Kriminalität, wie etwa der
Bandenkriminalität und des Rauschgifthandels, wenn sie ihren Auftrag der
rechtsstaatlich gebotenen Verfolgung von Straftaten überhaupt gerecht
werden wollen, ohne den Einsatz sog. V-Leute, deren Identität auch nach
dem Einsatz gewahrt werden muss, nicht auskommen ...
(4)
Auch dagegen, die Angaben eines verdeckten Ermittlers durch die
Vernehmung von Polizeibeamten als Zeugen vom Hörensagen in den
Strafprozess einzuführen, bestehen von Verfassungs wegen generell keine
Bedenken. Der Zeuge vom Hörensagen ist - als eine Form des "mittelbaren
Beweises" - ein nach der StPO zulässiges Beweismittel, dessen
Heranziehung und Bewertung nach den
§§ 244 II,
261 StPO zu beurteilen ist ...
(4)
Das Recht des Angeklagten auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren
(
Art. 2 I i.V. mit
Art. 20 III GG) gebietet jedoch, wegen der nur begrenzten
Zuverlässigkeit des Zeugnisses vom Hörensagen besondere Anforderungen an
die Beweiswürdigung zu stellen. So ist der Beweiswert von Bekundungen,
die auf einen in der Hauptverhandlung nicht vernommenen Gewährsmann
zurückgehen, besonders kritisch zu überprüfen. Dessen Angaben genügen
regelmäßig nicht, wenn sie nicht durch andere, nach der Überzeugung des
Strafgerichts wichtige Gesichtspunkte bestätigt werden ...
(4)
|
Zeugenaussagen vom Hörensagen sind immer unsichere Beweismittel, so dass
die Rechtsprechung mit anderen Worten verlangt, dass auf sie alleine in
aller Regel keine Verurteilung gestützt werden kann. Das gilt umso mehr
in den Fällen, in denen der Gewährsmann seinerseits Zeuge vom Hörensagen
ist, so dass seine Aussage durch einen doppelten Filter gelaufen ist und
sowohl durch die Wahrnehmung des Gewährsmanns als auch des vernehmenden
Polizeibeamten getrügt, gefärbt und verändert sein kann.
Bei den vernehmenden Polizeibeamten handelt es sich in aller Regel um
besonders geschulte VP-Führer. Ihnen kommt die anspruchsvolle Aufgabe
zu, zunächst dem Staatsanwalt, der über die Zusage der Vertraulichkeit
oder Geheimhaltung entscheidet, und schließlich dem Gericht die
Zuverlässigkeit seiner Auskünfte zu vermitteln. Über seine Zweifel und
Bedenken muss er offen berichten, weil ihm und seinen Bewertungen die
Strafverfolgungsbehörden blind vertrauen müssen.
Gleichzeitig muss der VP-Führer alle Auskünfte vermeiden, die zur
Aufdeckung und Enttarnung gefährdeter Personen führen können.
Der VP-Führer muss somit mehrere Aufgaben wahrnehmen. Er ist der
Vermittler von Sachauskünften, muss diese sowohl wegen ihrer Herkunft
und wegen aller sonstigen Umstände bewerten und darf schließlich nur die
Informationen preis geben, die den Gewährsmann und sein Umfeld nicht
gefährden.
Diese Einschränkungen führen in aller Regel dazu, dass auf
vertraulichen Erkenntnissen keine geschlossene Beweisführung aufgebaut
werden kann, sondern sie "nur" die
tatsächlichen Anhaltspunkte liefern können, die
andere Ermittlungshandlungen begründen.
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verschiedene V-Personen |
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Private
V-Personen sind entweder Informanten oder "echte" Vertrauenspersonen.
Ihr Einsatz ist unter engen, von der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätzen zulässig
(5):
Dem
Einsatz einer VP liegt die von der Rechtsprechung anerkannte Zielsetzung
zugrunde, kriminelle Strukturen aufzudecken, ein latentes
Kriminalitätspotential zu zerschlagen oder die Fortsetzung von
Dauerstraftaten zu verhindern (Rn 51).
Informant
ist
eine Person, die im Einzelfall bereit ist, gegen Zusicherung der
Vertraulichkeit der Strafverfolgungsbehörde Informationen zu geben, so
die Definition in der Anlage D zu den RiStBV
(6).
Er berichtet
wie der
Zeuge über vergangene Wahrnehmungen.
Dadurch unterscheidet er sich von der
V-Person,
(6)
die, ohne
einer Strafverfolgungsbehörde anzugehören, bereit ist, diese bei der
Aufklärung von Straftaten auf längere Zeit vertraulich zu unterstützen,
und deren Identität grundsätzlich geheimgehalten wird. Sie arbeitet
für Geld und ist der klassische Polizeispitzel
(7).
Verdeckt
ermittelnde Polizeibeamte können ebenfalls in zwei Formen auftreten:
Verdeckte Ermittler
sind Beamte des Polizeidienstes, die unter einer ihnen verliehenen, auf
Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln. Sie dürfen
unter der Legende am Rechtsverkehr teilnehmen ( § 110a Abs. 2 StPO).
Dazu dürfen auch "passende" Ausweispapiere und andere öffentliche
Urkunden erstellt werden, die die Legende bestätigen (
§ 110a Abs. 3 StPO). Ihr Einsatz bedarf grundsätzlich der Zustimmung
der Staatsanwaltschaft (
§ 110b Abs. 1 S. StPO) und dann, wenn sie auf bestimmte Beschuldigte
angesetzt sind oder wenn sie Wohnräume betreten sollen, der Zustimmung
des Gerichts (
§ 110b Abs. 2 StPO, siehe auch
§§
110c,
101
Abs. 4 Nr. 9 StPO). Ihre Identität kann auch nach ihrem Einsatz
geheim gehalten werden (
§ 110b Abs. 3 StPO)
(8).
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Das Besondere am verdeckten Ermittler ist sein dauerhafter Einsatz und
die Legende, unter der er sich bewegt. Er darf jedoch grundsätzlich
keine Straftaten begehen, was besonders in den Fällen, in denen
Täterkreise eine "Keuschheitsprobe" verlangen, Schwierigkeiten bereiten
kann. Diese Probe kann zum Beispiel darin bestehen, an einer gemeinsamen
Tat aktiv teilzunehmen, eine Tat nach dem Vorbild der kindlichen
"Mutprobe" auszuführen oder kinderpornographisches Material zu liefern,
bevor er in einen geschlossenen Benutzerkreis aufgenommen wird.
Der Polizeibeamte, der seinen Beruf verschweigt und zum Beispiel
unter dem Allerweltsnamen "Meier" eine Geldübergabe oder einen
Waffenkauf durchführt, handelt nur vorübergehend und nicht unter einer
konstruierten Legende. Er ist kein verdeckter Ermittler, sondern ein
NOEP: Nicht offen ermittelnder
Polizeibeamter.
Die Einzelheiten über die Einsatzbereiche von Informanten, V-Personen
und verdeckten Ermittlern sind in der
Anlage D zu den
Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren - RiStBV -
ausgeführt. Dabei handelt es sich um Verwaltungsvorschriften, die zwar
Auslegungsregeln, aber kein selbständiges Recht schaffen können. Mit
Ausnahme der verdeckten Ermittler gibt es für die privaten V-Personen
und den NOEP keine gesetzlichen Vorschriften. Die Zulässigkeit ihrer
Einsätze kann deshalb nur aus der ständigen und gesicherten
Rechtsprechung der Obergerichte abgeleitet werden
(9).
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Zeugenschutz |
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Offen
aussagende, aber gefährdete Zeugen können dem vom Bundeskriminalamt (
§§ 6,
26
BKA-Gesetz) und von den
Landeskriminalämtern praktizierten Zeugenschutz nach dem
Gesetz zur Harmonisierung des Schutzes gefährdeter Zeugen - ZSHG -
unterstellt werden. Es handelt sich um eine freiwillige Maßnahme, die
auch die vorübergehende Einrichtung von Tarnidentitäten (
§ 5 ZSHG) und die finanzielle Unterstützung umfasst (
§ 8 ZSHG).
(10)
Der Zeugenschutz ist gestaffelt und ermöglicht auch die Maßnahmen
örtlicher Polizeibehörden, die sich zum Beispiel darauf beschränken
können, den Wohnsitz eines Zeugen geheim zu halten, wenn er als
gefährdet eingeschätzt wird.
(11)
Zeugenschutz ist für die Betroffenen eine harte Sache. Sie müssen
ihre gelebte Identität und ihr Lebensumfeld aufgeben, um an einem
anderen Ort unter einem neuen Namen und mit einer neuen Lebensgeschichte
ein neues Leben aufzubauen. Er eignet sich nur für Menschen, die
erheblich gefährdet und gleichzeitig bereit sind, für die
Strafverfolgung als Zeuge zur Verfügung zu stehen. Dabei lassen sich für
manche Menschen kaum neue Identitäten schaffen, wenn sie etwa besondere
körperliche Eigenschaften haben, was zum Beispiel auch bei großflächigen
Tätowierungen der Fall sein kann.
Außerdem müssen sie den Abbruch aller sozialen Beziehungen verkraften
können, so dass der Zeugenschutz meistens nur für solche Menschen in
Betracht kommt, die das Opfer von zeitlich langen und gewalttätigen
Straftaten sind.
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Zeugenschutz und die Zusage der Vertraulichkeit für Informanten sind die
beiden extremen Formen, mit denen der Rechtsstaat auf die Bedrohung von
Einzelpersonen reagieren und dennoch eine Strafverfolgung möglich machen
kann.
Ein dritter Weg ist der des Strafnachlasses, der entweder aus
dem Tatbestandsmerkmal des Bemühens,
den Schaden wiedergutzumachen, in
§ 46
Abs. 2 StGB oder aus Kronzeugenregeln abgeleitet wird. Er verlangt
eine offene Konfrontation des Aussagenden mit seiner bisherigen
Lebensumgebung, die gelegentlich sehr handgreiflich und schmerzhaft
werden kann. Diese Maßnahme eignet sich besonders für Menschen, die
durch Krankheit (Rauschgiftabhängigkeit) oder andere Lebensumstände
bereits tief in einem kriminellen Umfeld stecken, das sie nur
mit Kraftanstrengung und ernsthaftem Willen verlassen oder überwinden
können.
Vorsicht ist bei "Ich weiß was"-Denunzianten geboten, die häufig
genug durch ihre Anschwärzungen von ihrer eigenen Schuld ablenken oder
sich Vorteile, zum Beispiel wegen ihrer Strafvollstreckung verschaffen
wollen. Ihre Hinweise können für eine ernsthafte und rechtsstaatliche
Strafverfolgung hilfreich sein, bleiben aber sehr häufig im Nebulösen
und Allgemeinen.
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anonyme Hinweise |
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Anonyme
Hinweise tauchen gelegentlich in der Form auf, dass Briefe oder
Telefonate bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft eingehen, deren
Urheber nicht identifiziert werden können. Auch für sie gilt der Einschreitungsgrundsatz des
§
152 Abs. 2 StPO, der die Staatsanwaltschaft zum Ermitteln zwingt,
sofern
zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen.
Viele anonyme Hinweise beschränken sich auf Allgemeinplätze,
Bewertungen und Andeutungen und lassen für ernsthafte Ermittlungen
keinen Raum. Sie sind unbeachtlich. In diesen Fällen muss die
Staatsanwaltschaft zwar ein Ermittlungsverfahren einleiten, es aber ohne
jede Außenwirkung wieder einstellen.
Qualifizierte anonyme Hinweise sind an ihren Detailinformationen und
meistens daran erkennbar, dass der Urheber sehr vorsichtig bei seinen
Wertäußerungen ist. Sie weisen meistens auf einen Insider hin, der einem
Loyalitätskonflikt ausgesetzt ist.
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Solche anonymen Hinweise rechtfertigen jedenfalls dann
Eingriffsmaßnahmen, wenn sie in Verbindung mit anderen, bereits
bekannten Fakten, mit Alltags- oder kriminalistischen Erfahrungen einen
Anfangsverdacht begründen. Sie rechtfertigen für sich allein ebenso
wenig wie die
Aussage vom Hörensagen oder die eines
Informanten eine Verurteilung, sondern nur weitere Ermittlungen.
Bestätigen die weiteren Ermittlungen den anonymen Hinweis oder die
anderen "schwachen" Anhaltspunkte, erstarkt ihr Beweiswert bei einer
Gesamtwürdigung. Bleiben die weiteren Ermittlungen erfolglos, dann muss
das Verfahren mangels Tatnachweis eingestellt werden.
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Lockspitzel. Tatprovokation |
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Der Einsatz
einer
Vertrauensperson kann nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes
jedoch
auch bis zur Mitwirkung an Straftaten, sogar bis zur Initiierung von
solchen gehen. In diesem Fall wird die VP zum agent provocateur ... Die
Bejahung der Zulässigkeit einer solchen Tatprovokation durch eine VP
findet mit ihre Grundlage in Erwägungen über die Gefährlichkeit der zu
verlockenden Personen und den Bedürfnissen, von ihnen ausgehende
künftige Straftaten zu unterbinden.
(12)
|
Dazu hat der BGH schon 1984 Grenzen aufgezeigt:
Das ... tatprovozierende
Verhalten polizeilicher Lockspitzel
(kann) nur innerhalb der durch das Rechtsstaatsprinzip gesetzten
Grenzen hingenommen werden ...
(13) |
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Vorrang der StPO vor dem Polizeirecht |
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Von großem
Aussagewert ist das BGH-Urteil von 1999
(12).
Es führt aus, dass der VP-Einsatz zwar auch präventiv
(polizeirechtlich) zulässig ist, nicht aber der Lockspitzeleinsatz, der
selbst im
Fall einer "Gemengelage" ... einheitlich an den Regelungen der StPO zu
messen ist (Rn 52).
Das folgert der BGH, weil
die
Tatprovokation nur zulässig (ist), wenn die VP (bzw. der VE) gegen eine
Person eingesetzt wird, die in einem den
§§ 152 Abs. 2,
160 StPO
vergleichbaren Grad verdächtig ist, an einer bereits begangenen Straftat
beteiligt gewesen zu sein oder zu einer zukünftigen Straftat bereit zu
sein; hierfür müssen also zureichende tatsächliche Anhaltspunkte
vorliegen. (Rn 52). Somit richte sich der Lockspitzeleinsatz
gegen
eine bestimmte Person zur Aufklärung und Aburteilung einer Straftat mit
strafverfahrensrechtlichen Mitteln (Rn 53).
Bei der
gezielten Provokation einer (polizeilich kontrollierten) Straftat
handelt es sich um eine Maßnahme, die nicht mehr der Gefahrenabwehr
dient. Sie ist darauf gerichtet, potentielle Straftäter bei einer
Straftat zu ergreifen und der Strafverfolgung zuzuführen. (Rn 53)
|
Das
Ergebnis daraus ist: Wenn die Vorschriften der Strafprozessordnung enger
sind als die des Polizeirechts, ist die Zulässigkeit einer Maßnahme, die
vordringlich oder ausschließlich zur Strafverfolgung dient, am Maßstab
der StPO zu messen und im Zweifel unzulässig, auch wenn das Polizeirecht
sie zulässt.
Aktuell wird die
Ermächtigung des Bundeskriminalamts zur Onlinedurchsuchung im BKA-Gesetz
diskutiert, ohne dass entsprechende Ermächtigungen in der StPO
vorgesehen werden. Nach der Argumentation des BGH können entgegen den
politischen Fürsprechern die daraus gewonnenen Erkenntnisse nicht in
Strafverfahren gegen islamistische Gewalttäter verwertet werden, wenn
die Onlinedurchsuchung nicht auch im Strafverfahren zulässig ist - was
jedenfalls vom BGH bezweifelt wird
(14)
und
man nicht meinen Argumenten folgt. Darüber hinaus beschränken
jetzt die Vorschriften des
§
477 Abs. 2 StPO den
Export verdeckt erlangter
Kenntnisse und der neue
§ 161
Abs. 2 StPO den Import
(15). |
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keine Tatprovokation |
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Soweit die
Polizei dem bereits willigen Täter nur eine Gelegenheit bietet, die Tat
auszuführen, liegt keine Tatprovokation vor. Provoziert werden kann nur
der Täter, der zwar eine innere Bereitschaft zeigt, aber nach seiner
Vorstellung noch keine Tat plant oder vorbereitet.
Es
liegt
noch keine Tatprovokation vor, wenn eine VP einen Dritten ohne sonstige
Einwirkung lediglich darauf anspricht, ob dieser Betäubungsmittel
beschaffen könne. Ebenso liegt keine Provokation vor, wenn die VP nur
die offen erkennbare Bereitschaft zur Begehung oder Fortsetzung von
Straftaten ausnutzt. Dagegen ist die VP als die Tat provozierender
Lockspitzel tätig, wenn sie über das bloße "Mitmachen" hinaus in die
Richtung auf eine Weckung der Tatbereitschaft oder eine Intensivierung
der Tatplanung mit einiger Erheblichkeit stimulierend auf den Täter
einwirkt.
(16)
Scheinkäufe von
Betäubungsmitteln, Waffen, Hehlerware oder Produktfälschungen sind
deshalb keine Tatprovokationen, wenn der Täter mit seinen Leistungen
bereits wirbt und die Polizei nur auf die Bereitschaft des Täters
anspricht und ihm eine Gelegenheit bietet, die Tat auch auszuführen.
|
Eine zulässige Tatprovokation beginnt dort, wo die Polizei gestaltend
in die Tatausführung eingreift. Das ist etwa der Fall, wenn sie die Art
und Gestalt von Diebesgut bestimmt, die der Dieb erst noch stehlen will
(Marke und Ausstattung eines Pkws), aber grundsätzlich schon zu dem
Diebstahl bereit ist.
Das Beispiel zeigt die Problematik solcher Einsätze: Der Diebstahl
ist zum Zeitpunkt der Provokation noch nicht ausgeführt. Mit der
Bestimmung der Beschaffenheit des Diebesguts nimmt der Lockspitzel in
Kauf, dass ein bislang noch unbeteiligter Dritter an seinem Eigentum
geschädigt wird (Einbruchsfolgen, Wegnahme). Solche Provokationen sind
grundsätzlich nur dann zulässig, wenn bei der Tatausführung der Zugriff
erfolgt.
Eine echte Tatprovokation liegt dann vor, wenn die Polizei den Anstoß
liefert, auf die Tatbegehung drängt und der Täter erst dadurch eine
Tatbereitschaft entwickelt. Sie ist nach der Rechtsprechung der obersten
Gerichte nicht rechtswidrig (
anders EuGH), führt beim Täter
aber zur Schuldminderung und damit zur Verringerung des Strafmaßes.
Dabei handelt es sich ausdrücklich um einen
schuldunabhängigen Strafmilderungsgrund
(17),
so dass mit der jüngeren Rechtsprechung im Urteilsausspruch die
Vollstreckungslösung zur Anwendung kommen dürfte.
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Grenzziehung vom EuGH |
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Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte hat im Februar 2008 hervorgehoben
(18), dass
der Gebrauch
geheimer Ermittlungsmethoden ... nicht per se eine Verletzung des Rechts
auf ein faires Verfahren (darstellt). Auch zur Vermeidung von
Tatprovokationen muss ihr Gebrauch jedoch klaren Grenzen unterliegen.
(19) Auch im Zusammenhang mit der Verfolgung der
Organisierten Kriminalität
gelte der Grundsatz des fairen Verfahrens, das der Verwertung verdeckt
erlangter Erkenntnisse Grenzen setze
(20).
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Neu ist die Beweislastregel, die der
EuGH einführt.
Jede
Verwertung eines durch eine rechtswidrige
Tatprovokation erlangten Beweismittels ist in einem fairen
Strafverfahren ausgeschlossen. Auch die Funktionstüchtigkeit der
Rechtspflege kann ihre Verwertung in einem fairen Strafverfahren nicht
rechtfertigen. Wenn ein Angeklagter behauptet, durch die Polizei zur Tat
provoziert worden zu sein, müssen die Gerichte diesen Vorwurf mit Blick
auf das bestehende Verwertungsverbot sorgfältig aufklären. Sind die
Behauptungen des Angeklagten nicht völlig unwahrscheinlich, trägt der
Staat die "Beweislast" dafür, dass keine rechtswidrige Tatprovokation
erfolgt ist.
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verbotene Methoden |
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Die
Willensfreiheit
des
Beschuldigten darf nicht beeinträchtigt werden durch Misshandlung, durch
Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln,
durch Quälerei, durch Täuschung oder durch Hypnose (
§ 136a Abs. 1 S. 1 StPO).
§
136a Abs. 3 S. 2 StPO bestimmt in diesen Fällen ein
Verwertungsverbot.
Die Rechtsprechung hat sich immer wieder mit den Grenzen der
verbotenen Vernehmungsmethoden auseinander gesetzt, wobei der "Fall
Gäfgen"
(21) deshalb
besondere Aufmerksamkeit erfahren hat, weil der seinerzeitige
stellvertretende Polizeipräsident in Frankfurt, Wolfgang Daschner, dem
wegen der Entführung eines Kindes Verdächtigen
„Schmerzen,
wie er sie noch nie erlebt habe“, androhen ließ
(22)..
Gäfgen wurde vom LG Frankfurt wegen Mordes am 28.07.2003 zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt
(23).
Der BGH hat seine Revision "schmucklos" verworfen
(24).
Das BVerfG hat den Einsatz verbotener Methoden zwar festgestellt,
Gäfgens Verurteilung jedoch nicht beanstandet
(25,
Leitsätze):
1. |
Die
Anwendung von Folter macht die Vernehmungsperson zum bloßen Objekt
der Verbrechensbekämpfung unter Verletzung ihres
verfassungsrechtlich geschützten sozialen Wert- und
Achtungsanspruchs und zerstört grundlegende Voraussetzungen der
individuellen und sozialen Existenz des Menschen.
|
|
2. |
Grundrechtsverletzungen außerhalb der strafverfahrensrechtlichen
Hauptverhandlung, führen nicht zwingend dazu, dass auch das auf dem
Inbegriff der Hauptverhandlung beruhende Strafurteil gegen
Verfassungsrecht verstößt. |
Bei
Täuschungen unternimmt der BGH eine Abwägung.
Bei der
Frage, ob ein Verfahrensverstoß
im Zusammenhang mit einer Vernehmung zu einem Verwertungsverbot
führt, ist sein Gewicht mit dem Interesse an der Aufklärung von, zumal
wie hier schwerwiegenden, Straftaten abzuwägen.
(26)
Dabei stand folgende Einlassung im Raum:
Nach der Belehrung,
jederzeit einen Verteidiger zuziehen zu dürfen, sei ihm auf seine Frage
nach einem Anwalt erklärt worden, einen Anspruch auf einen Anwalt hätte
er
nur, wenn er diesen auch bezahlen könne. Auf seine anschließende Frage
nach
einem Pflichtverteidiger sei ihm erklärt worden, auch hierauf habe er
keinen Anspruch,
wenn er nicht zahlen könne. „Kein Geld, kein Anwalt“. (S. 3) Das
sei jedoch noch
kein
aktives, zielgerichtet betriebenes Verhalten der
Strafverfolgungsbehörden (S. 7).
|
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|
|
Die
Gegenstände der jüngeren Entscheidungen des BGH betreffen eher Vorgänge
in der Hauptverhandlung.
Als unzulässig hat er die Drohung angesehen, ohne Geständnis müsse
der Angeklagte mit Haft rechnen
(27).
Unbeabsichtigte Irreführungen, aus denen der Betroffene falsche
Schlüsse zieht
(28),
betrachtet der BGH jedoch als nicht bedeutsam.
Ebenfalls keinen Verstoß gegen
§ 136a StPO sieht der BGH in einer nachdrücklichen, aber
sachgerechten Belehrung durch den Richter
(29,
Leitsätze):
1. |
Eine
unzulässige Drohung im Sinne von § 136a Abs. 1 StPO kann beim
Inaussichtstellen einer bestimmten Strafhöhe in der
Hauptverhandlung nur dann angenommen werden, wenn die angedrohte
Strafe als schuldunangemessen hoch anzusehen wäre.
|
2. |
Umgekehrt kann das Versprechen eines gesetzlich nicht
vorgesehenen Vorteils nur dann angenommen werden, wenn die für
den Fall eines Geständnisses in Aussicht gestellte Höchststrafe
unangemessen milde wäre. Allein das Inaussichtstellen einer
Strafmilderung für den Fall eines Geständnisses stellt hingegen
für sich betrachtet keinen gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteil
dar.
|
|
Von der
Täuschung ist die kriminalistische
List abzugrenzen, über die Karl-Bruno Kaefer
ausführt
(30):
§ 136a
StPO verbietet daher nicht jede
kriminalistische List, sondern nur eine Lüge, durch die der
Beschuldigte bewusst irregeführt und seine Aussagefreiheit
beeinträchtigt wird ... Um eine zulässige
kriminalistische List handelt es sich insbesondere dann,
wenn der vernehmende Beamte Fangfragen oder solche
Fragen stellt, deren Hintergrund der Beschuldigte nicht
erkennt, wenn er den Beschuldigten über den Ermittlungsstand
und bereits gewonnene Erkenntnisse im Unklaren lässt oder wenn er einen von ihm, dem Beamten, nicht
verursachten Irrtum des Beschuldigten ausnutzt.
Ein
bisschen Täuschung ist
daher erlaubt.
(31)
|
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verdeckte Ermittlungen im Internet |
|
Die vor
Allem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die
Zulässigkeit und Grenzen heimlicher, geheimer und verdeckter
Ermittlungen lassen sich zwanglos auf die Ermittlungen im Internet
übertragen.
Im
Zusammenhang mit seiner Entscheidung über die Onlinedurchsuchung
(32)
hat das BVerfG auf die Zulässigkeit
verdeckter Ermittlungen im Internet ausdrücklich hingewiesen.
Insoweit unterliegen die öffentlich
und unbeschränkt zugänglichen Informationen aus dem
Internet nur insoweit einer Beschränkung, dass ihre Sammlung und
Auswertung dann einer besonderen Ermächtigungsgrundlage bedürfen, wenn
sie mit anderen Informationsquellen verknüpft oder so konzentriert
gesammelt werden, dass die Sammlung die Schwelle zum Schutz der
informationellen Selbstbestimmung
überschreitet. Insoweit dürften die allgemeine
Ermittlungsermächtigung aus
§
161 Abs. 1 StPO und der maschinelle Datenabgleich (
§ 98c StPO)
hinreichende
Ermächtigungsgrundlagen sein.
|
Aus der
Zulässigkeit der
kriminalistischen List ergibt sich, dass die Polizei bei der
Kontaktaufnahme nicht damit hausieren gehen muss, dass sie Polizei ist
(33).
Daraus folgt, dass selbst bei einer Patrouille oder
geringen
Verdachten alle offenen Internetseiten, Gästebücher, Blogs, Foren
und Newsgroups den Ermittlern offen stehen.
Das gilt auch für den gezielt ermittelnden
NOEP.. Er bewegt sich ohne Legende und verschweigt nur, dass er
Polizist ist. Selbst wenn er dazu E-Mail- und andere Konten mit
Allerweltsnamen und -begriffen anlegt, handelt es sich um eine
sozialadäquate Internutzung, gegen die auch das
BVerfG
keine Bedenken erhebt. Das Gericht betrachtet schließlich auch den
Einsatz
verdeckter Ermittler im Internet unter den Voraussetzungen des § 110a Abs.
1 StPO als
zulässig.
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geschlossene Benutzerkreise |
|
Für den
Einsatz technischer Mittel zur
Ausspähung oder Manipulation der
Zugangsdaten und -sicherungen zu informationstechnischen Systemen -
itS - und
geschlossenen Benutzergruppen hat das BVerfG hohe Schranken errichtet.
Vor
"Lug und
Trug" werden die Zielpersonen im Internet in den Grenzen der
zulässigen
kriminalistischen List hingegen nicht besonders
geschützt.
Zugangsdaten zu itS, die
Berechtigte - Zeugen oder anderweitig Beschuldigte - offenbaren,
sind deshalb für die Ermittlungen nutzbar. Dasselbe ist nach den
Ausführungen des BVerfG auch nicht ausgeschlossen wegen der
Zugangsdaten, die mit anderen zulässigen Ermittlungen erlangt wurden,
also zum Beispiel durch
Beschlagnahme (
§ 94 Abs. 2 StPO),
Herausgabeverlangen ( § 95
Abs. 1 StPO),
Postbeschlagnahme (
§§ 99,
100 StPO),
Überwachung der Telekommunikation (
§ 100a StPO) oder eine
"Onlinedurchsuchung light" (
§ 110 Abs. 3 StPO).
Keine Bedenken bestehen insoweit gegen den Einsatz von
Informanten und Vertrauenspersonen, wenn die übrigen Voraussetzungen für
ihren Einsatz bestehen.
|
Eine besondere Prüfung der
Verhältnismäßigkeit ist bei
anonym offenbarten Zugangsdaten
angezeigt. Sie müssen anhand der vorhandenen
Fakten
und der
kriminalistischen Erfahrung eingeschätzt werden danach, mit welcher
Schwere der Rechtswidrigkeit der Anonymous die Daten erhalten und weiter
gegeben hat und wie
schwer die Straftat wiegt, zu denen sie Zugang geben können. Je
geringfügiger der mutmaßliche Vorwurf und je höher der Grad der
Rechtswidrigkeit ihrer Erlangung oder Offenbarung ist, desto weniger
sind die anonym mitgeteilten Daten verwertbar. Der dabei maßgebliche
Maßstab sind die Eingriffsbefugnisse der StPO ungeachtet privat- oder
anderweitig fachrechtlicher Beschränkungen. Zu fragen ist also danach,
ob die StPO die Erhebung dieser Daten in ihrem territorialen
Geltungsbereich zulässt. Ein Verwertungsverbot tritt spätestens dann
ein, wenn die Umstände erkennen lassen, dass die Daten unmittelbar von
einer anderen staatlichen Stelle zugespielt wurden und von dieser
rechtswidrig erhoben wurden ( § 161
Abs. 2 StPO).
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Keuschheitsprobe. Scheinkauf |
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Wenn im
Internet rechtswidrige Dienste
offen oder in
exklusiven Kreisen angeboten werden, zeigt der Täter bereits seine
Tatbereitschaft. Wenn der
NOEP oder verdeckte Ermittler darauf eingeht, um Vertriebswege und
-modalitäten zu erkunden, handelt es sich um
keine Tatprovokation. Er bietet dem Täter nur eine Gelegenheit,
seinen Tatentschluss auszuführen, den er längst gefasst hat.
Problematisch sind die
Keuschheitsproben, bei denen der (in aller Regel) verdeckte
Ermittler seinerseits eine rechtswidrige Tat begehen muss, um in den
inneren Kreis einer Tätergruppe aufgenommen zu werden. Die
offensichtlichen Fallgruppen sind die Lieferungen von gecrackten
Programmen oder von Vorpremierenfilmen, um in Tauschzirkeln,
volksverhetzende oder rassistische Meinungskundgebungen, um in
entsprechende Diskussionsrunden, und die Angebote von
kinderpornographischen Bildern, um in solche Neigungskreise aufgenommen
zu werden.
|
Als Maßstab für die Zulässigkeit von Keuschheitsproben können der
Straftatenkatalog des § 100a StPO, der die Vorschriften enthält, die
der Gesetzgeber der
besonders schweren Kriminalität zurechnet, und die
Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Einsatz von verdeckten Ermittlern
herangezogen werden ( § 110a Abs.
1 StPO). Unabhängig davon ist eine strenge
Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen und der
verstärkte und abgesicherte einfache Verdacht sehr genau zu prüfen.
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Auslandsberührung |
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Die
territoriale Zuständigkeit des deutschen Strafrechts wird von den
§§ 3
ff. StGB auf Auslandsdeutsche, auf exterritoritale Fahrzeuge,
diplomatische Einsätze und schließlich einer besonderen Auswahl von
weltstrafrechtlichen Taten erweitert, die besonders schwerwiegend sind.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Ermittlungen deutscher
Ermittler an den Staatsgrenzen enden (mit einer "Randunschärfe" wegen
der
Nacheile).
Auslandsdaten dürfen jedenfalls erhoben und gespeichert werden, wenn
sie ohne einen hoheitlichen Zwangsakt zur Verfügung stehen. Das gilt
immer für die jedermann zugänglichen Daten. Im Zusammenhang mit
Erkenntnissen aus verdeckten
Ermittlungen durch Personen, also unter Ausschluss
technischer Maßnahmen, halte ich die Auslandsermittlungen im Hinblick
auf die Beweiserhebung
grundsätzlich für zulässig. Ob sie verwertbar sind, ist die zweite
Frage, die im Einzelfall geklärt werden muss. Insoweit fehlt es an
Erfahrungen, die wir alle erst noch machen müssen. Eine genaue
gesetzgeberische Unterscheidung zwischen
Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten fehlt leider auch im
internationalen Maßstab (
Archivlösung).
|
Aber auch die internationale Rechtshilfe kennt die
Gefahr
im Verzug. Sie erlaubt die zurückhaltende Datensicherung und -speicherung.
Der Datenträger muss dann weggeschlossen und auf den offiziellen Wegen
die nachträgliche Genehmigung des Eingriffs und die Verwertung der
daraus gewonnenen Erkenntnisse beantragt werden.
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anlassunabhängige Internetrecherche |
|
Das
Bundeskriminalamt und verschiedene Landeskriminalämter haben in den
letzten Jahren Ermittlungsgruppen eingerichtet, die der
anlassunabhängigen Internetrecherche dienen. Ihre vordringliche Aufgabe
sind nicht die Ermittlungen zu schon bekannten Straftaten, sondern die
Gewinnung von Erkenntnissen über kriminelle Strukturen, allgemeine
Tendenzen und Nutzungsmöglichkeiten im Internet. Sie handeln ganz
überwiegend nach dem Polizeirecht, müssen aber auch wegen Straftaten
einschreiten, wenn sie auf sie stoßen (
§§ 152 Abs. 2,
163
Abs. 1 StPO).
Christian Engel führt dazu aus
(34):
Im Gegensatz dazu steht die anlassunabhängige Internetrecherche, bei
der Polizeibeamte ohne
konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat das Internet durchstreifen. Um
hierbei Doppelermittlungen zu
vermeiden wird diese Tätigkeit zentral durch das BKA, bei der sog. ZaRD
(Zentralstelle für
anlassunabhängige Recherche in Datennetzen), durchgeführt.
|
Bei den zur Ermittlung anstehenden Delikten handelte es sich in der
Anfangszeit hauptsächlich um
Straftaten, bei denen die transportierte Information selbst strafbar
ist. An erster Stelle ist hier die
Verbreitung von Pornographie bzw. von Kinderpornographie zu nennen. Aber
auch die Verbreitung
verfassungsfeindlicher Schriften und Symbole über das Internet gehört zu
den Schwerpunktdelikten.
Mit zunehmender Kommerzialisierung des Internet werden aber auch per
Internet Straftaten begangen
wie sie im normalen Leben geläufig sind. Einen Schwerpunkt bildet hier
der Warenkreditbetrug.
Insbesondere begünstigt durch neue Internetdienste wie z.B.
Onlineauktionen werden immer mehr
geldwerte Transaktionen durchgeführt, bei denen Betrüger zwar Geld
erlangen, aber die angebotene
Ware nicht liefern. Die Sicherheitsmechanismen beim Internethandel
werden zwar stetig verbessert,
aber dennoch bietet das Internet ein hohes Maß an scheinbarer
Anonymität, das viele Täter dazu
animiert, das Internet als Tatwerkzeug zu benutzen.
|
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Anmerkungen |
|
(1)
BGH,
Urteil vom 16.02.1995 - 4 StR 733/94
(2)
BGH, Urteil vom 23.05.1984 - 1 StR 148/84;
siehe auch
Online-Kommunikation
(3)
BVerfG, Beschluss vom 26.05.1981 - 2 BvR 215/81, abgedruckt bei
Jens
Ph. Wilhelm, Entscheidungssammlung zum
Strafverfahrensrecht, Stand Dezember 2003, S. 7
(4)
BVerfG,
Beschluss vom 19.07.1995 - 2 BvR 1142/93, abgedruckt bei
Jens
Ph. Wilhelm, Entscheidungssammlung zum
Strafverfahrensrecht, Stand Dezember 2003, S. 18, 19
(5)
BGH,
Urteil vom 18.11.1999 - 1 StR 221/99
(6)
Verwaltungsdefinition des Informanten und der V-Person. Die
Richtlinien für das Straf- und Bußgelverfahren - RiStBV - sind
Verwaltungsvorschriften. Sie haben keinen Gesetzesrang und können
deshalb nur als Auslegungsregeln für die Interpretation der
StPO-Vorschriften herangezogen werden. Vor Allem die Anlagen -
hier die
Anlage D - bestimmen sehr mutig die Ausführung von
Verfahrensvorschriften und sind für die Praxis äußerst hilfreich. Sie
schaffen aber kein Recht und können keine Eingriffsbefugnisse begründen
oder begrenzen, die nicht schon in einem Gesetz vorgesehen und
ausgeführt sind.
|
(7)
In Hannover ruft der Serienmörder
Fritz Haarmann, genial verkörpert von
Götz
George ( Der Totmacher),
immer wieder ganz unterschiedliche Emotionen hervor. Er war auch
Polizeispitzel und wegen vieler Verdächte gegen ihn wurde von der
Polizei ein Auge zu viel zugedrückt (seine
Bestrafung war auch nicht fair; der Mensch war krank).
Tipp: Besuchen Sie die
Polizeigeschichtliche Sammlung Niedersachsen in Hannover!
Die (punktuellen) Angaben von Informanten kann man prüfen, verwerfen
oder in eine Ermittlungsstrategie einbeziehen.
Bei V-Personen ist das schwieriger. Sie bewegen sich in der kriminellen
Szene, bekommen Geld für ihre Spitzeleien und beliefern die Polizei mit
Informationen, die banal und brisant sein können. Sie haben aber immer
auch ein eigenes Interesse, von dem sie ablenken wollen. Echte Freunde
sind sie nie - weder für die, die sie verraten, noch für die, denen sie
den Verrat offenbaren.
(8)
Zu den Grenzen der Verwertbarkeit der Erkenntnisse von verdeckten
Ermittlern:
verdeckter Ermittler darf nicht schnüffeln.
|
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|
|
(9)
BVerfG zum großen Lauschangriff,
Urteil
vom 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98, 1 BvR 1084/99, Rn 156,
BVerfG zur Onlinedurchsuchung,
Urteil
vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 595/07, Rn. 6 pp.,
EGMR zum agent provocateur,
Urteil vom 05.02.2008 - EGMR 74420/01,
(2, 3,
4)
(10)
Susi
Wimmer, Zeugenschutz. Wenn das Leben wieder
auf Null gestellt wird, sueddeutsche.de 09.11.2007
(11)
Begleitend werden dabei vor Allem örtliche Beratungsstellen für die
Opfer von Gewalttaten tätig, die mit der
Polizei zusammen arbeiten;
coatnet.org (mit nicht mehr aktuellem Gesetzeszitat).
(12)
BGH,
Urteil vom 18.11.1999 - 1 StR 221/99 (Rn 51)
(13)
BGH, Urteil vom 23.05.1984 - 1 StR 148/84
(14)
BGH,
Beschluss vom 31.01.2007 - StB 18/06;
Kritik
(15)
StPO-Reform (4)
(16)
siehe Anmerkung 12, Rn 55
(17)
ebenda, Rn 65
|
(18)
EGMR, Urteil vom 05.02.2008 - EGMR 74420/01, bei
hrr-strafrecht.de
(19) ebenda, Leitsatz 6;
verdeckte
Ermittlungen
(20) ebenda,
Leitsatz 5
(21) lesenswert:
EuGH-MR,
EGMR Nr. 22978/05. Zulässigkeitsentscheidung vom 10.04.2007 (Gäfgen
gegen Deutschland)
(22)
Daschner-Prozess;
LG
Frankfurt, Presseinformation. Schriftliche Urteilsgründe in der
Strafsache gegen Wolfgang Daschner, 15.02.2005
(23)
Magnus Gäfgen
(24)
BGH,
Beschluss vom 21.05.2004 -2 StR 35/04
(25)
BVerfG, Beschluss vom 14.12.2004 -2 BvR 1249/04
(26)
BGH,
Beschluss vom 19.05.2005 - 1 StR 117/05, S. 6
|
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|
|
(27)
BGH,
Urteil vom 16.09.2004 - 4 StR 84/04, S. 9
(28)
BGH,
Beschluss vom 17.03.2005, S. 4
(29)
BGH,
Urteil vom 27.04.2007 -2 StR 523/06
(30)
Karl-Bruno Kaefer, Vernehmung des Beschuldigten.
Repetitorium anhand von praktischen Fällen aus dem Strafprozessrecht,
Kriminalistik 6/99, S. 2
(31)
Ulrich Sommer, Tipps zur Strafprozessordnung,,
08.12.2003, S. 29
(32)
BVerfG,
Urteil
vom 27.02.2008 - 1 BvR 370/07, 595/07;
Bundesverfassungsgericht: Onlinedurchsuchung
(33)
Wobei es auch die Erfahrung gibt, dass viele Leute es nicht glauben,
wenn sich jemand als "Der Bulle" bezeichnet.
|
(34)
Christian Engel, Bekämpfung der Internetkriminalität
nur durch
Mithilfe von Spezialisten möglich,
kriminalpolizei.de September 2003, S. 11 |
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Cyberfahnder |
|
© Dieter
Kochheim,
11.03.2018 |