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OK, Vereinigung, Bande | ||
Organisierte Kriminalität, Vereinigung, Bande | ||
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Die (kriminelle) Vereinigung ( § 129 StGB) wurde von der Rechtsprechung darauf beschränkt, dass sie eine horizontale Struktur aufweisen müsse, in der sich alle Beteiligten einem einheitlichen Gruppenwillen mit dem Ziel, Straftaten zu begehen, unterwerfen müssen. Davon unterscheidet sich die Bande, wenn sie eine vertikale Führungsstruktur mit einem charismatischen Führer oder eine Führungsebene aufweist, die bevorzugt eigene und wechselnde Interessen innerhalb der Organisation durchsetzen. Die klassischen Räuber- und Piratenbanden sind deshalb in aller Regel
"Banden" und keine "Vereinigungen". |
Der Initiator, der Helfer und der Mittäter | ||
Im Vorfeld können Initiatoren tätig werden. Das ist vor Allem der "feige" Anstifter ( § 26 StGB), der eine Tat nicht selber begehen will, sondern einen anderen dazu bestimmt (drängt, auswählt, kauft). Im Hinblick auf besonders schwere Straftaten (Verbrechen, § 12 Abs. 1 StGB) ist nicht nur immer der Versuch unter Strafe gestellt ( § 23 Abs. 1 StGB), sondern auch schon die "Vertragsanbahnung", also der Versuch zu einer Anstiftung ( § 30 Abs. 1 StGB). Zu den Initiatoren gehören auch die Werber für kriminelle ( § 129 StGB) oder terroristische Vereinigungen ( § 129a StGB) oder die, die Straftaten belohnen und lobend billigen ( § 140 StGB) oder mit detaillierten Beschreibungen zum Ausprobieren und Ausführen von Straftaten anleiten ( § 130a StGB). Diese besonderen Strafvorschriften berühren das Gesinnungsstrafrecht und müssen sich deshalb auf besonders krasse Fälle beschränken, in denen die Meinungsfreiheit ( Art. 5 GG) hinter dem Friedensinteresse der Allgemeinheit zurückstehen muss (unausgesprochene Voraussetzung jeder staatlichen Ordnung, sozusagen ein Naturrecht auf allgemeine Sicherheit). |
Das beginnt bei dem Gehilfen ( § 27 StGB), der ein bißchen hilft, aber nicht in den kompletten Tatplan eingeweiht ist und ihn auch nicht als Ganzes verwirklichen will. Unter moralischen Gesichtspunkten sind die anderen Helfer und
Mitläufer nicht besser. Gemeint sind die, die sich als Beamter (Vorteilsannahme,
§
331 StGB; Bestechlichkeit,
§
332 StGB) oder Entscheider im Geschäftsleben bestechen lassen (
§ 299 StGB), dabei helfen, Vermögen verschwinden zu lassen (Geldwäsche,
§
261 StGB), oder die Lügner und Schweiger, die ihr Wissen zurück
halten (Begünstigung,
§
257 StGB; Strafvereitelung,
§
258 StGB) oder Unschuldige belasten (Vortäuschen einer Straftat,
§
145d StGB). Aufrechte und selbstbewusste Bürger und Demokraten sind
das überwiegend nicht - sei mir 'mal gestattet anzumerken. |
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Täter, die einen gemeinsamen Tatplan haben und ihn zusammen oder arbeitsteilig ausführen, sind Mittäter und werden gleichermaßen bestraft ( § 25 Abs. 2 StGB).
Im Zusammenhang mit Tätermehrheiten gibt es noch zwei Besonderheiten:
Der mittelbare Täter hat einen eigenen Tatplan und wirkt auf seinen
willenlosen Gehilfen (Kind, Geisteskranker, Hilfloser oder Unerfahrener)
so ein, dass er an seiner Stelle die Tat ausführt. Er wird wie ein
eigenhändiger Täter bestraft. Von der Anstiftung
unterscheidet sich die mittelbare Täterschaft dadurch, dass der
Angestiftete einen eigenen Tatplan fasst und ausführt, der Gehilfe bei
der mittelbaren Täterschaft hingegen zum Werkzeug im Tatplan des
Täters wird. |
Eine selten anzutreffende Konstellation ist schließlich die
Nebentäterschaft, bei der sich zwei Täter unabhängig voneinander einen
Tatplan bilden und ausführen, um dasselbe Recht zu verletzen. Sie werden
beide als Täter bestraft. Das können
z.B. zwei Mörder sein, die gleichzeitig mit verschiedenen Methoden
versuchen, denselben Menschen umzubringen. Nebentäter können auch zwei
Unternehmensverantwortliche sein, die gleichzeitig und in örtlicher Nähe
zueinander einen Fluss verschmutzen. Auch im Bereich der
Vermögensdelikte sind mir gelegentlich Nebentäter aufgefallen (vor Allem
im Zusammenhang mit Bankrott). |
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Die Bande | ||
Klarheit darüber, was eine Bande ist, hat aufgrund des Vorlagebeschlusses des 4. Strafsenats vom 20.10.2000 - 4 StR 284/99 - der Große Senat des Bundesgerichtshofes mit seinem Beschluss vom 22.03.2001 - GSSt 1/00 - geschaffen (Leitsätze): 1. Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluß von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige, im einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. Ein "gefestigter Bandenwille" oder ein "Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse" ist nicht erforderlich. |
Damit ist klargestellt, dass eine Bande aus mindestens 3 Beteiligten bestehen muss, die aber nicht zwingend an der direkten Tatausführung beteiligt sein müssen. Auch der Gehilfe, der den Tatort auskundschaftet (baldowert) oder Fluchtfahrzeuge beschafft, handelt ebenso als Teil der Bande wie der Helfer, der das Diebesgut wegschafft oder gewinnbringend verwertet (im Einzelfall kann es dabei Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zur Hehlerei und zur Bandenhehlerei geben, §§ 259, 260, 261 StGB). Die vom BGH am Beispiel des Bandendiebstahls entwickelten Grundsätze
gelten für jede Bande, wenn das Gesetz ihre Strafbarkeit besonders
hervorhebt. |
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Die Vereinigung | ||
Die anzuwendenden Grundsätze hat der BGH in verschiedenen
Entscheidungen entwickelt. Wegen der Frage des Gruppenwillens scheint
mir die ausführlichste Erklärung im
Urteil des BGH vom 21.10.2004 - 3 StR 94/04 -, S. 7 f., erfolgt zu
sein: |
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Nicht jede Gruppe, die sich zur Begehung von Straftaten verabredet, ist danach eine "Vereinigung". Die Rechtsprechung verlangt vielmehr nach einer einigenden Gruppenidentität, also nach einem Gesamtwillen, dem sich alle Mitglieder gleichzeitig unterwerfen (siehe rechte Spalte, Urteil des BGH vom 16.03.2004 - 5 StR 364/03 -, S. 6 f.). Klassische Verbrecherbanden passen in das vom BGH beschriebene Schema nicht hinein, weil ihnen in aller Regel ein charismatischer "Hauptmann" vorsteht, unter dessen privaten Willen sich die übrigen Bandenmitglieder unterwerfen. Das ist dann aber nur eine Bande und nicht schon eine (selbständig strafbare) Vereinigung. Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung kennzeichnet auch das Zitat rechts. Der BGH erkennt darin an, dass auch eine Vereinigung ein Leitungsgremium haben kann, wenn seine Einrichtung von dem gemeinsamen Gruppenwillen getragen ist. Mit anderen Worten: Der BGH verlangt von der Vereinigung eine horizontale Organisation, an der sich alle Beteiligten mit gleichem Willen und gleichen Befugnissen unterwerfen. Hierarchische Strukturen und besonders eine vertikale Arbeitsteilung schließen deshalb grundsätzlich eine Vereinigung aus. |
Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 129 StGB zu Recht verneint. Eine kriminelle Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB ist ein im räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes bestehender auf Dauer angelegter organisatorischer Zusammenschluß von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame (kriminelle) Zwecke verfolgen oder gemeinsame (kriminelle) Tätigkeiten entfalten und unter sich derart in Beziehung stehen, daß sie sich untereinander als einheitlicher Verband fühlen. Eine solche Vereinigung setzt die Unterordnung des einzelnen unter den Willen der Gesamtheit voraus. Wenn sich der einzelne nur dem Willen eines anderen Individuums unterordnet, repräsentiert der andere hier immer nur einen eigenen Willen, nicht den einer hinter ihm stehenden Mehrheit. Der bloße Wille mehrerer Personen, gemeinsam Straftaten zu begehen, verbindet diese, weil der Wille des einzelnen maßgeblich bleibt und die Unterordnung unter einen Gruppenwillen unterbleibt, noch nicht zu einer kriminellen Vereinigung. Dies gilt auch dann, wenn eine Person als Anführer eingesetzt wird, nach dem sich die anderen richten. Der Erfassung krimineller Erscheinungsformen dieser Art dienen Strafbestimmungen, welche die bandenmäßige Begehung bestimmter Straftaten mit höherer Strafe bedrohen. Das schließt nicht aus, daß dieser Gruppenwille darauf gerichtet ist, einem der Mitglieder die Entscheidungsbefugnisse zuzuweisen, mit der Folge, daß die anderen Mitglieder sich dessen Willen unterordnen (BGHR StGB § 129 Gruppenwille 1 m.w.N.). |
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Die Organisierte Kriminalität in ihren häufigsten Erscheinungsformen baut hingegen auf Arbeitsteilung und Abschottung der arbeitsteiligen Gruppen sowie auf Hierarchien auf, die eine gemeinschaftliche Meinungsbildung ausschließen. Ihre Mitglieder bilden in aller Regel keine Vereinigung, sondern eher ein Unternehmen mit einer zentralen Leitungsinstanz (vergleichbar dem Konzern und besonders der Holding). Kriminelle Vereinigungen im Wirtschaftsleben sind deshalb in aller Regel ausgeschlossen, weil Wirtschaftsunternehmen und -verbünde prinzipiell hierarchisch konstruiert sind und eine zentrale Führungsinstanz haben (GmbH: Geschäftsführer, § 35 Abs. 1 GmbHG; Aktiengesellschaft: Vorstand, § 76 Abs. 1 AktG). Anschaulich führt der BGH dazu aus ( Urteil vom 06.04.2001 - 2 StR 356/00, S. 12 f.): |
Bei dem erst im Laufe der Zeit herausgebildeten eingespielten System von Betrugshandlungen fehlt es u.a. an der Voraussetzung eines für alle Beteiligten verbindlichen übergeordneten Gruppenwillens. Dieser kann zwar auch dann gegeben sein, wenn die Mitglieder der Vereinigung einem anderen Mitglied die Entscheidungsbefugnisse zuweisen und sich dessen Willen unterordnen (BGH NJW 1992, 1518; NStZ 1999, 571; BGHR StGB § 129 Gruppenwille 1). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn die Angeklagten R. , E. und Gl. nahmen zwar eine herausgehobene Stellung in den Betrieben ein, sie hatten sich aber der Autorität des geschäftsführenden Gesellschafters, des Angeklagten W. unterzuordnen, dessen Einverständnis sie vor allen wichtigen Entscheidungen einzuholen hatten, der u.a. die Weisungen zur Falschdeklaration gab und das Geld für die "Ladehilfen" zur Verfügung stellte. Dies beruhte nach den Feststellungen aber nicht auf einem einmal gefaßten gemeinsamen Gruppenwillen, sondern auf ihrer arbeitsrechtlichen Stellung als Angestellte. Daß Dr. J. und W. etwa mit Personen außerhalb ihres Firmenverbandes eine kriminelle Vereinigung gebildet haben, belegen die Feststellungen nicht. |
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Eine horizontale Struktur weist im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben das Kartell auf. Seine Mitglieder sind grundsätzlich selbständige Unternehmen aus derselben Branche, die sich wegen eines räumlich begrenzten Marktes entweder in Bezug auf den Absatz, die Preisgestaltung oder wegen des Einkaufs von Rohprodukten abstimmen und dadurch, ähnlich dem Monopol, eine marktbeherrschende Stellung erreichen wollen. Solche Absprachen sind nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB - grundsätzlich verboten und nur in einem ganz beschränkten Umfang erlaubnisfähig (z.B. als Mittelstandskartell als Gegengewicht zu marktbeherrschenden Unternehmen, § 3 GWB). Eine besondere Form des Kartells ist das Syndikat,
weil es kein Zusammenschluss von Unternehmen im selben Marktsegment ist,
sondern eine vertikale Struktur aufweist. Es verbindet in seiner reinen
Form alle Stufen der Produktion bis hin zum Absatz: |
Syndikatsähnliche Strukturen lassen sich häufig im Zusammenhang mit kriminellen Organisationen erkennen, z.B. im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln, dem Bandendiebstahl, beim Phishing oder beim Skimming. Die vertikale Struktur des Syndikats schließt es nach der
Rechtsprechung grundsätzlich aus, es als kriminelle Vereinigung
anzusehen. Nur wenn alle seine Beteiligten ohne wirtschaftliche
Einflussnahme untereinander, also ohne Herrschaftsdruck den gemeinsamen
Willen des Kartells tragen, kann eine andere Beurteilung möglich sein. |
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Organisierte Kriminalität | ||
die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
zusammenwirken. |
Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zeigt der Periodische Sicherheitsbericht des Bundeinnenministerium (2006), in dem u.a. ausgeführt wird: |
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Professionelle Tätergruppen und Organisierte Kriminalität Organisierte Kriminalität ist durch besonders
dichte Abschottung gegenüber Außenstehenden
gekennzeichnet. ... |
Empirische Untersuchungen zur Organisierten Kriminalität in Deutschland
werden seit den
späten 1960er Jahren durchgeführt. Nach deren Ergebnissen bestehen
hierzulande als höchst
entwickelte Form dieser Kriminalität bis in die jüngste Zeit vorwiegend
so genannte Netzwerke
professionell-organisierter Täter, die geschäftsmäßig agieren, alle
Aspekte der Straftaten von
der Vorbereitung bis zur Beuteverwertung rational vorausplanen und
durchweg überregional
bzw. international orientiert sind. |
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Die anerkanntesten Merkmale für die Definition der OK werden in dem Zitat angesprochen. Im Vordergrund steht die - häufig unausgesprochene - Drohung mit Gewalt gegenüber außen Stehende und gegenüber den eigenen Gruppenmitgliedern, mit der sich die OK ausdrückt. Die Abschottung kann einerseits zu gruppeneigenen Sanktionssystemen und andererseits zur Unterstützung der Angehörigen führen, wenn ein Gruppenmitglied verstirbt oder vorübergehend verhindert ist (Krankenhaus, Justizvollzug, Untertauchen). Diese Erscheinungsformen - zusammen mit einer regelmäßig hierarchischen Struktur - schließen OK-Organisationen ganz überwiegend als kriminelle Vereinigungen aus. Die Merkmale für OK im Übrigen richten sich nach der Art der Kriminalität ("Nachtleben", Handel mit Betäubungsmitteln) und die Modalitäten ihrer Begehung (zentrale Beuteverwertung, professionelle Tatausführung, Einsatz moderner Techniken und wissenschaftlich anspruchsvoller Verfahren, grenzüberschreitende Arbeitsteilung bei der Tatausführung und Beuteverwertung).
Die
Merkmale für OK betreffen im Wesentlichen die interne Zuständigkeit von
Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften. |
Drei Besonderheiten aus der Anlage E zu den RiStBV gilt es jedoch hervorzuheben:
Das Ermessen von Verwaltungsbehörden kann der Verordnungsgeber (oberste Landesbehörde) durch eine Rechtsverordnung einschränken und lenken. Das ist bundeseinheitlich und mit Augenmaß wegen der OK-Kriminalität in der Anlage E zu den RiStBV geschehen. Das ist auch eines der tragenden Gründe dafür, dass ich über die
jüngste Entscheidung des AG Offenburg zur
Unverhältnismäßigkeit von Provideranfragen zu IP-Adressen etwas
ungehalten bin. |
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Cyberfahnder | ||
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© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |