Organisierte Kriminalität |
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Organisierte Kriminalität |
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Richtlinien für das Straf- und
Bußgeldverfahren - RiStBV
Anlage E
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/ -senatoren und der Innenminister/-senatoren
der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaften und Polizei bei der
Verfolgung der Organisierten Kriminalität
(1)
Anlage: Generelle Indikatoren zur Erkennung OK-relevanter Sachverhalte
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1. Grundsätzliches |
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1.1 Die Verfolgung der
Organisierten Kriminalität ist ein wichtiges
Anliegen der Allgemeinheit. Es ist eine zentrale Aufgabe der
Strafverfolgungsbehörden, dieser Erscheinungsform der
Kriminalität
wirksam und mit Nachdruck zu begegnen.
1.2 Aufklärungserfolge können nur erreicht werden, wenn
Staatsanwaltschaft und Polizei im einzelnen Verfahren und
verfahrensübergreifend besonders eng und vertrauensvoll
zusammenarbeiten; dies setzt eine möglichst frühzeitige
gegenseitige Unterrichtung voraus. Gleiches gilt für die
Zusammenarbeit mit dem Zoll- und dem Steuerfahndungsdienst.
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1.3 Notwendig ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Stellen,
insbesondere den Justizvollzugsanstalten, den Finanz- und
Zollbehörden, den Ordnungs- und Sonderordnungsbehörden sowie den
Dienststellen der Arbeitsverwaltung.
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2. Begriff, Erscheinungsformen und Indikatoren der Organisierten Kriminalität |
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2.1 Organisierte Kriminalität ist die vom Gewinn- oder Machtstreben bestimmte
planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von
erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder
unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a. |
unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
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b. |
unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
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c. |
unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken. |
Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus.
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2.2 Die Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität sind vielgestaltig.
Neben strukturierten, hierarchisch aufgebauten Organisationsformen
(häufig zusätzlich abgestützt durch ethnische Solidarität, Sprache, Sitten,
sozialen und familiären Hintergrund) finden sich - auf der Basis eines Systems
persönlicher und geschäftlicher kriminell nutzbarer Verbindungen -
Straftäterverflechtungen mit unterschiedlichem Bindungsgrad der Personen untereinander,
deren konkrete Ausformung durch die jeweiligen kriminellen Interessen bestimmt wird.
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2.3 Organisierte Kriminalität wird zur Zeit vorwiegend in den
folgenden Kriminalitätsbereichen festgestellt:
Rauschgifthandel und -schmuggel
Waffenhandel und -schmuggel
Kriminalität im Zusammenhang mit dem Nachtleben (vor allem Zuhälterei,
Prostitution, Menschenhandel, illegales Glücks- und Falschspiel)
Schutzgelderpressung
unerlaubte Arbeitsvermittlung und Beschäftigung
illegale Einschleusung von Ausländern
Warenzeichenfälschung (Markenpiraterie)
Goldschmuggel
Kapitalanlagenbetrug
Subventionsbetrug und Eingangsabgabenhinterziehung
Fälschung und Missbrauch unbarer Zahlungsmittel
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Herstellung und Verbreitung von Falschgeld
Verschiebung insbesondere hochwertiger Kraftfahrzeuge und von Lkw-,
Container- und Schiffsladungen
Betrug zum Nachteil von Versicherungen
Einbruchdiebstahl in Wohnungen mit zentraler Beuteverwertung.
Neben diesen Kriminalitätsbereichen zeichnen sich Ansätze
Organisierter Kriminalität auch auf den Gebieten der illegalen
Entsorgung von Sonderabfall und des illegalen Technologietransfers ab.
2.4 Indikatoren, die einzeln oder in unterschiedlicher Verknüpfung
Anlass geben können, einen Sachverhalt der Organisierten Kriminalität
zuzurechnen, sind in der Anlage genannt. Die Aufzählung ist nicht
abschließend und nicht auf spezielle Deliktsbereiche abgestellt. In
Zweifelsfällen stellen die einander zugeordneten
Strafverfolgungsbehörden umgehend Einvernehmen darüber her, ob sie einen
Sachverhalt als Organisierte Kriminalität bewerten.
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3. Grundlagen der Zusammenarbeit |
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3.1 Die zügige und wirksame Verfolgung der Organisierten Kriminalität setzt eine
aufeinander abgestimmte Organisation der Strafverfolgungsbehörden voraus. Ein
identischer Aufbau ist nicht erforderlich.
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3.2 Örtliche und überörtliche Stellen der Staatsanwaltschaft |
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3.2.1 Bei jeder Staatsanwaltschaft wird ein Abteilungsleiter oder Staatsanwalt
bestellt, der die Aufgabe hat, in ständiger und enger Zusammenarbeit mit den
zuständigen Kriminalpolizeidienststellen die Entwicklung der Organisierten Kriminalität
zu beobachten, zu analysieren und Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden zu planen
und zu koordinieren (Ansprechpartner/OK-Beauftragter).
3.2.2 Der Abteilung oder dem Sachgebiet des Ansprechpartners/OK-Beauftragten
soll die Bearbeitung aller Verfahren zugewiesen werden, denen Organisierte Kriminalität
zugrunde liegt. Soweit besondere Zuständigkeiten bestehen (z. B. für die Rauschgift-
oder Wirtschaftskriminalität), können diese hiervon ausgenommen werden.
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3.2.3 Bei dem Generalstaatsanwalt werden die verfahrensübergreifenden
Aufgaben des Ansprechpartners/OK- Beauftragten einem Koordinator
übertragen. Der Koordinator sorgt auch dafür, dass über die Führung von Sammelverfahren umgehend entschieden wird.
Er hat ferner die Aufgabe, den Erfahrungs- und Informationsaustausch auf überörtlicher
Ebene zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei sowie mit den sonst in den
Nrn. 1.2 und
1.3 genannten Behörden vorzubereiten und durchzuführen. Nr. 3.2.2 gilt sinngemäß.
3.2.4 Der Generalstaatsanwalt prüft in geeigneten Fällen, ob bestimmte Verfahren
einer Staatsanwaltschaft zuzuweisen sind ( §§ 143,
145 GVG).
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3.3 Örtliche und überörtliche Stellen der Kriminalpolizei |
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3.3.1 Zur Aufdeckung und Verfolgung von Organisierter
Kriminalität werden beim Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern
sowie in den Flächenstaaten im örtlichen oder regionalen Bereich an
Brennpunkten der Organisierten Kriminalität spezialisierte
Dienststellen/Einheiten eingerichtet bzw. ausgebaut, die insbesondere
deliktübergreifend und täterorientiert ermitteln. Dienststellen zur
Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sind beim Landeskriminalamt
und den Polizeipräsidien, mit Ausnahme des Präsidiums der
Wasserschutzpolizei, eingerichtet.
Fälle der deliktstreuen Organisierten Kriminalität, insbesondere der
Rauschgiftkriminalität, können von besonders eingerichteten
Organisationseinheiten der Kriminalpolizei bearbeitet werden.
Sonderkommissionen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sollen
nur in Ausnahmefällen eingerichtet werden.
3.3.2 Den Polizeipräsidien, mit Ausnahme des Präsidiums der
Wasserschutzpolizei, und dem Landeskriminalamt obliegen in enger
Abstimmung mit der für das jeweilige Verfahren zuständigen
Staatsanwaltschaft die kriminalpolizeilichen Ermittlungen einschließlich operativer Maßnahmen.
Zu ihren Aufgaben gehören ferner
das Zusammenführen OK-relevanter Erkenntnisse,
die Mitwirkung an der Erstellung des Kriminalitätslagebildes
"Organisierte Kriminalität" für das Land,
der Informationsaustausch mit der Staatsanwaltschaft,
mit den Organisierte Kriminalität bearbeitenden Dienststellen des Landes,
anlassbezogen mit anderen Polizeidienststellen.
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3.3.3 Das Landeskriminalamt wertet zentral den OK-Bereich betreffende
Informationen aus und verknüpft sie mit eigenen und länderübergreifenden
Erkenntnissen. Im Rahmen seiner Zuständigkeit führt es die Ermittlungen
selbst oder veranlasst ihre Durchführung durch andere Dienststellen. Für
den Informationsaustausch gilt Nr. 3.3.2 entsprechend.
3.3.4 Das Bundeskriminalamt wertet zentral OK-relevante Informationen
aus und verknüpft sie mit Erkenntnissen aus eigenen Verfahren und aus
dem internationalen Bereich. Es führt im Rahmen seiner originären oder
auftragsabhängigen Zuständigkeit die kriminalpolizeilichen Ermittlungen
selbst oder weist sie im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen einem
Land zu.
3.4 Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität ist eine Aufgabe
nicht nur der in den
Nrn. 3.2 und 3.3 aufgeführten Behörden,
Dienststellen und Beamten. Vielmehr sind alle Angehörigen der
Strafverfolgungsbehörden gehalten, auf Anzeichen für Organisierte
Kriminalität zu achten:
3.4.1 Im Bereich der Staatsanwaltschaft ist sicherzustellen, dass
sich die Beamten an die besonderen Sachbearbeiter/Dezernenten wenden
und, wenn die Sachbearbeitung konzentriert ist, die Verfahren abgeben
können.
3.4.2 Im Bereich der Polizei sind entsprechende Erkenntnisse an die
zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität eingerichteten
Organisationseinheiten weiterzuleiten.
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4. Zusammenarbeit bei der Verfahrensbearbeitung |
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4.1 Vorrangiges Ziel der Ermittlungen muss es sein, in den Kernbereich
der kriminellen Organisation einzudringen und die im Hintergrund
agierenden hauptverantwortlichen Straftäter zu erkennen, zu überführen
und zur Aburteilung zu bringen.
4.2 Der Staatsanwalt schaltet sich schon zu Beginn der Ermittlungen
in die unmittelbare Fallaufklärung ein. Die Verfahrenstaktik und die
einzelnen Ermittlungsschritte sind abzustimmen. Die Sachleitungsbefugnis
der Staatsanwaltschaft bleibt unberührt.
4.2.1 Der Grundsatz, dass Ermittlungen straff und beschleunigt zu
führen sind, gilt auch in Verfahren wegen Organisierter Kriminalität.
Das vorrangige Ermittlungsziel ist aber im Auge zu behalten, auch wenn
dies längerdauernde Ermittlungen erfordert.
4.2.2 Im Interesse des vorrangigen Ermittlungszieles sind die Mittel
zur Begrenzung des Verfahrensstoffes (
§§ 153 ff. StPO) möglichst frühzeitig zu nutzen. Dies gilt besonders
auch im Hinblick auf das Hauptverfahren, das sich auf die wesentlichen
Vorwürfe konzentrieren sollte.
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4.2.3 Die Abfolge der Ermittlungshandlungen wird in erster Linie von dem
vorrangigen Ermittlungsziel bestimmt. Einzelne Maßnahmen können
vorläufig zurückgestellt werden, wenn ihre Vornahme die Erreichung
dieses Zieles gefährden würde. Dies gilt nicht, wenn sofortige Maßnahmen
wegen der Schwere der Tat oder aus Gründen der Gefahrenabwehr geboten
sind.
4.2.4 Erfordert die Erledigung von Verfahren gegen Randtäter der
kriminellen Organisation oder sonstige Nebenbeteiligte noch weitere
Ermittlungen, so darf der schnelle Abschluss dieser Verfahren dem
vorrangigen Ermittlungsziel nicht übergeordnet werden.
Bei der gebotenen Abwägung ist den Ermittlungen gegen die
verantwortlichen Haupttäter der Vorzug zu geben; die übrigen Verfahren
sind vorübergehend zurückzustellen.
4.3 In Verfahren wegen Organisierter Kriminalität soll möglichst der
Staatsanwalt die Anklage vertreten, der die Ermittlungen geleitet hat.
4.4 Für die Zusammenarbeit bei der Inanspruchnahme von Informanten,
bei dem Einsatz von V-Personen und Verdeckten Ermittlern sowie beim
Zeugenschutz gelten die hierfür gesondert zu erlassenden Richtlinien
(2).
4.5 Für die Zusammenarbeit im Rahmen von Initiativermittlungen gilt
Nr. 6.
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5. Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit |
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5.1 Die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit zwischen
Staatsanwaltschaft und Polizei hat zum Ziel, dass beide Behörden einen
vertieften und gleichen Erkenntnisstand über die Erscheinungsformen der
Organisierten Kriminalität und die spezifischen Probleme einschlägiger
Verfahren gewinnen, gemeinsam fortentwickeln und bei den jeweiligen
Einzelmaßnahmen zugrunde legen. Die verfahrensübergreifende
Zusammenarbeit dient auch der Verständigung über die örtliche und
zeitliche Steuerung der Ermittlungskapazitäten von Staatsanwaltschaft
und Kriminalpolizei durch Bildung von Schwerpunkten entsprechend dem
jeweiligen Lagebild.
5.2 Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei vereinbaren
regelmäßige Dienstbesprechungen, bei denen insbesondere erörtert werden
Lage, voraussichtliche Entwicklung und Maßnahmen zur Bekämpfung der
Organisierten Kriminalität,
Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Ablauf von Ermittlungs- und
gerichtlichen Verfahren, inbegriffen die Auswirkungen von Fehlern in der
Ermittlungstätigkeit,
Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Anwendung verdeckter
Ermittlungsmethoden und aus dem Zeugenschutz, einschließlich der
Sicherung der gebotenen Geheimhaltung,
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Erkenntnisse und Erfahrungen aus Maßnahmen zur Gewinnabschöpfung,
örtliche Praxis der internationalen Rechtshilfe und sonstigen
Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden,
allgemeine Fragen der Zusammenarbeit,
Öffentlichkeitsarbeit.
Die Besprechungen sollen einmal jährlich, bei Bedarf auch häufiger,
stattfinden. Dem Zollfahndungsdienst und dem Steuerfahndungsdienst soll
Gelegenheit zur Teilnahme gegeben werden. Über die Hinzuziehung anderer
Behörden entscheiden die beteiligten Stellen. Über das Ergebnis der
Besprechungen ist den jeweils vorgesetzten Behörden zu berichten.
5.3 Die Besprechungen können auch auf der Ebene des
Generalstaatsanwalts vereinbart werden.
5.4 Gemeinsame Informations- und Fortbildungsveranstaltungen sind
vorzusehen.
5.5 Die Hospitation von Beamten der Staatsanwaltschaft und der
Kriminalpolizei bei der jeweils anderen Behörde ist zu ermöglichen.
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6. Initiativermittlungen |
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6.1 Organisierte Kriminalität wird nur selten von sich aus offenbar;
Strafanzeigen in diesem Bereich werden häufig nicht erstattet, u. a.
weil die Zeugen Angst haben.
Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der Organisierten Kriminalität
setzt daher voraus, dass Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus im
Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse Informationen gewinnen, oder
bereits erhobene Informationen zusammenführen, um Ansätze zu weiteren
Ermittlungen zu erhalten (Initiativermittlungen).
6.2 Ein Anfangsverdacht ist gegeben, wenn es nach den
kriminalistischen Erfahrungen als möglich erscheint, dass eine
verfolgbare Straftat vorliegt (
§ 152 Abs. 2 StPO). Der
Anfangsverdacht bedingt die Strafverfolgungspflicht. Es ist nicht
notwendig, dass sich der Verdacht gegen eine bestimmte Person richtet.
Bleibt nach Prüfung der vorliegenden Anhaltspunkte unklar, ob ein
Anfangsverdacht besteht, und sind Ansätze für weitere Nachforschungen
vorhanden, so können die Strafverfolgungsbehörden diesen nachgehen. In
solchen Fällen besteht keine gesetzliche Verfolgungspflicht. Ziel ist
allein die Klärung, ob ein Anfangsverdacht besteht. Strafprozessuale
Zwangs- und Eingriffsbefugnisse stehen den Strafverfolgungsbehörden in
diesem Stadium nicht zu.
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Ob und inwieweit die Strafverfolgungsbehörden sich in diesen Fällen um
weitere Aufklärung bemühen, richtet sich nach
Verhältnismäßigkeitserwägungen; wegen der besonderen Gefährlichkeit der
Organisierten Kriminalität werden sie ihre Aufklärungsmöglichkeiten bei
Anhaltspunkten für solche Straftaten in der Regel ausschöpfen.
6.3 Die Befugnisse der Polizei zu Initiativermittlungen im Rahmen der
Gefahrenabwehr richten sich nach dem Polizeigesetz.
6.4 Bei Initiativermittlungen liegen häufig die Elemente der
Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr in Gemengelage vor oder gehen im
Verlauf eines Verdichtungs- und Erkenntnisprozesses ineinander über.
Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten auch in diesem Bereich eng
zusammen. Für die Zusammenarbeit gelten die
Nrn. 4. und
5. sinngemäß mit der Maßgabe, dass
das Ziel der Initiativermittlungen die Klärung des Anfangsverdachts/der
Gefahrenlage ist
dem Staatsanwalt in Fällen der Gefahrenabwehr eine Leitungsbefugnis
nicht zusteht.
6.5 Die Zusammenarbeit obliegt auf der Seite der Staatsanwaltschaft
der Behörde, die für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens
zuständig wäre. In Zweifelsfällen entscheidet die nächsthöhere Behörde.
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7. Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten |
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7.1 Die von der Organisierten Kriminalität ausgehenden Gefahren sind
auch bei Vollzugsentscheidungen zu berücksichtigen.
7.2 Die Justizvollzugsanstalten sind über Verbindungen eines Untersuchungs- oder Strafgefangenen zur Organisierten
Kriminalität und
Erscheinungsformen und Entwicklung der Organisierten Kriminalität
zu informieren, soweit es für Vollzugsentscheidungen erheblich sein kann
und Belange der Strafverfolgung dem nicht entgegenstehen.
7.3 Die Information über die Gefangenen muss möglichst bei der
Einlieferung erfolgen. Anderenfalls ist sie nachzuholen. Sie obliegt
der Staatsanwaltschaft, in Eilfällen der Kriminalpolizei.
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7.4 Den Vollzugsbehörden soll Gelegenheit gegeben werden, an den in
Nrn. 5.3 und 5.4 genannten Veranstaltungen teilzunehmen; bei Bedarf sind
sie auch zu den Besprechungen nach
Nr. 5.2 hinzuzuziehen.
7.5 Die Justizvollzugsanstalt unterrichtet die Staatsanwaltschaft, in
Eilfällen die Kriminalpolizei, über Erkenntnisse, die für die Verfolgung
der Organisierten Kriminalität von Bedeutung sein können.
7.6 Ansprechpartner in der Justizvollzugsanstalt ist der
Anstaltsleiter.
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8. Zusammenarbeit mit anderen Behörden |
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8.1 Zoll- und Finanzbehörden |
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8.1.1 Soweit Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei bei ihren
Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität Anhaltspunkte für
Hinterziehung von Eingangsabgaben oder Verbrauchssteuern, z. B. Gold-
oder Alkoholschmuggel
Straftaten im Sinne des § 37 Abs. 1 des
Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen (MOG),
z. B.
Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Fleisch oder Getreide
Straftaten nach dem
Außenwirtschaftsgesetz (AWG) z. B. illegaler Technologietransfer,
oder Straftaten nach dem
Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) mit Auslandsbezug
Zuwiderhandlungen gegen Verbote und Beschränkungen des
grenzüberschreitenden Warenverkehrs, z. B. Rauschgift- oder
Waffenschmuggel, Warenzeichenfälschungen
feststellen, ist der Zollfahndungsdienst zu unterrichten (vgl.
§§
403,
116 AO, 42
AWG
(3) ). Dies kann entweder über das Zollkriminalinstitut - Zentrales
Zollfahndungsamt - oder das örtliche Zollfahndungsamt erfolgen.
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Gewinnt der Zollfahndungsdienst im Rahmen seiner Ermittlungen
Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen Organisierter Kriminalität
hindeuten und für dessen Aufklärung die Polizei/Staatsanwaltschaft
zuständig ist, so unterrichtet er die zuständigen
Strafverfolgungsbehörden. Handelt es sich bei den Ermittlungen des
Zollfahndungsdienstes um Ermittlungen wegen einer Zoll- oder
Verbrauchssteuerstraftat, so ist das Steuergeheimnis zu beachten. Es ist
dann im Einzelfall zu prüfen, ob das Steuergeheimnis durchbrochen werden
kann.
8.1.2 Soweit Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei bei ihren
Ermittlungen im Bereich der Organisierten Kriminalität Anhaltspunkte für
Steuerstraftaten feststellen, ist der Steuerfahndungsdienst zu
unterrichten (vgl.
§§
403,
116 AO) und - soweit dies sachdienlich ist - an den Ermittlungen zu
beteiligen.
Gewinnt der Steuerfahndungsdienst im Rahmen seiner
steuerstrafrechtlichen Ermittlungen Anhaltspunkte, die auf das Vorliegen
von Organisierter Kriminalität hindeuten und für dessen Aufklärung die
Polizei/Staatsanwaltschaft zuständig ist, so unterrichtet er die
zuständigen Strafverfolgungsbehörden, wenn das Steuergeheimnis dem nicht
entgegensteht. Dies ist im Einzelfall zu prüfen.
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8.2 Andere Behörden |
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Die Organisierte Kriminalität kann mit strafrechtlichen Mitteln
allein nicht mit Erfolg bekämpft werden. Die von ihr ausgehenden
Gefahren sind auch bei den Entscheidungen der Ordnungsbehörden und
sonstiger Verwaltungsbehörden (
vgl. Nr. 1.3) zu berücksichtigen.
Die Verwaltungsbehörden können ferner zur Aufklärung der Organisierten
Kriminalität beitragen, indem sie relevante Erkenntnisse z. B. über
unerlaubte Arbeitsvermittlung, illegale Beschäftigung und illegale
Einschleusung von Ausländern den Strafverfolgungsbehörden mitteilen.
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8.3 Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit |
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Für die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit kann sich die
Einrichtung von Gesprächskreisen auf örtlicher und überörtlicher Ebene
durch die Ansprechpartner/OK-Beauftragten und Koordinatoren ( Nr. 3.2)
empfehlen.
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9. Schutz der Ermittlungen |
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Dem Schutz der Ermittlungen kommt in Verfahren wegen Organisierter
Kriminalität besonders hohe Bedeutung zu. Ihm muss durch
Ermittlungsbehörden und Justizvollzugsanstalten Rechnung getragen
werden. Um das vorrangige Ermittlungsziel (
vgl. Nr. 4.1) nicht zu gefährden, ist sicherzustellen, dass
ausschließlich unmittelbar an den Ermittlungen Beteiligte Kenntnis von
Maßnahmen der verdeckten Informationsgewinnung erlangen und
in den mit der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität befassten
Dienststellen/Organisationseinheiten alle Voraussetzungen für den Schutz
der Ermittlungen gegeben sind.
Die Rechte der Verteidigung bleiben unberührt.
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Anlage: Generelle Indikatoren zur Erkennung OK-relevanter Sachverhalte |
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Vorbereitung und Planung der Tat |
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präzise Planung
Anpassung an Markterfordernissen durch Ausnützen von Marktlücken,
Erkundungen von Bedürfnissen u. ä.
Arbeit auf Bestellung
hohe Investitionen, z. B. durch Vorfinanzierung aus nicht erkennbaren
Quellen
Verschaffung und Nutzung legaler Einflusssphären
Vorhalten von Ruheräumen im Ausland
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Ausführung der Tat |
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präzise und qualifizierte Tatdurchführung
Verwendung verhältnismäßig teurer und schwierig einzusetzender
wissenschaftlicher Mittel und Erkenntnisse
Tätigwerden von Spezialisten (auch aus dem Ausland)
arbeitsteiliges Zusammenwirken
Einsatz von polizeilich „unbelasteten“ Personen
Konstruktion schwer durchschaubarer Firmengeflechte
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Finanzgebaren |
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Einsatz von Geldmitteln ungeklärter Herkunft im Zusammenhang mit
Investitionen
Inkaufnahme von Verlusten bei Gewerbebetrieben
Diskrepanz zwischen dem Einsatz finanzieller Mittel und dem zu
erwartenden Gewinn
Auffälligkeiten bei Geldanlagen, z. B. beim Kauf von Immobilien oder
sonstigen Sachwerten, die in keinem Verhältnis zum Einkommen stehen
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Verwertung der Beute |
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Rückfluss in den legalen Wirtschaftskreis
Veräußerung im Rahmen eigener (legaler) Wirtschaftstätigkeiten
Maßnahmen der Geldwäsche
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Konspiratives Täterverhalten |
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Gegenobservation
Abschottung
Decknamen
Codierung in Sprache und Schrift
Verwendung modernster technischer Mittel zur Umgehung polizeilicher
Überwachungsmaßnahmen
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Täterverbindungen/Tatzusammenhänge |
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überregional
national
international
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Gruppenstruktur |
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hierarchischer Aufbau
ein nicht ohne weiteres erklärbares Abhängigkeits- oder
Autoritätsverhältnis zwischen mehreren Tatverdächtigen
internes Sanktionssystem
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Hilfe für Gruppenmitglieder |
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Fluchtunterstützung
Beauftragung bestimmter Anwälte und deren Honorierung durch Dritte
Aufwendung größerer Barmittel im Rahmen der Verteidigung
hohe Kautionsangebote
Bedrohung und Einschüchterung von Verfahrensbeteiligten
Unauffindbarkeit von zuvor verfügbaren Zeugen
ängstliches Schweigen von Betroffenen
überraschendes Benennen von Entlastungszeugen
Betreuung in der Untersuchungshaft/Strafhaft
Versorgung von Angehörigen
Wiederaufnahme nach der Haftentlassung
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Korrumpierung |
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Einbeziehung in das soziale Umfeld der Täter
Herbeiführung von Abhängigkeiten (z. B. durch Sex, verbotenes
Glücksspiel, Zins- und Kreditwucher)
Zahlung von Bestechungsgeldern, Überlassung von Ferienwohnungen,
Luxusfahrzeugen usw.
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Monopolisierungsbestrebungen |
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„Übernahme“ von Geschäftsbetrieben und Teilhaberschaften
Führung von Geschäftsbetrieben durch Strohleute
Kontrolle bestimmter Geschäftszweige
„Schutzgewährung“ gegen Entgelt
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Öffentlichkeitsarbeit |
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gesteuerte oder tendenziöse Veröffentlichungen, die von einem bestimmten
Tatverdacht ablenken
systematischer Versuch der Ausnutzung gesellschaftlicher Einrichtungen
(z. B. durch auffälliges Mäzenatentum)
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Anmerkungen |
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(1)
Der vollständige Text der RiStBV und ihrer Anlagen ist verfügbar bei dem
Brandenburgischen Vorschriftensystem - BRAVORS,
RiStBV
Der Text verfügt leider über keine internen "Anker" (Textmarken), so
dass er sich nicht zum Zitieren eignet. Die Anlage E wurde unverändert
übernommen, unnötige Leerzeichen entfernt und dem Layout des
Cyberfahnders angepasst.
(2)
RiStBV,
Anlage D,
geheime
Ermittlungen
(3)
Die Zuständigkeiten und die Organisation der Zollfahndung wurde geändert
durch das
Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter
(Zollfahndungsdienstgesetz - ZFdG);
siehe auch
zoll.de, Zollfahndungsämter,
Finanz- oder Polizeibehörde?
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Cyberfahnder |
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© Dieter
Kochheim,
11.03.2018 |