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Maßgeblich <für die Gefahr im Verzug> ist die objektive
Gefahrenlage hinsichtlich des Beweismittelverlustes.
(1)
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Ferner ist es unerheblich, ob ein Organisationsverschulden der Justiz
darin gesehen werden könnte, dass ein richterlicher Eildienst nicht auch
für die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 6:00 Uhr eingerichtet worden ist.
Zwar ist der 3. Senat des OLG Hamm für den Bezirk des LG Bielefeld von
der Notwendigkeit eines solchen Eildienstes ausgegangen (Urteil vom
18.08.2009 - 3 Ss 293/08
(2) ).
Der Senat teilt diese, im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung zur
Nachtzeit ergangenen Entscheidung und die dort angestellten Überlegungen
nicht. Jedenfalls können sie nicht auf die Anordnung einer Blutentnahme
gem.
§ 81a StPO übertragen werden. Dies folgt schon daraus, dass
im Gegensatz zu dem im Grundgesetzt angeordneten Richtervorbehalt für
die Wohnungsdurchsuchung,
Art. 13 II GG, der Vorbehalt des
§ 81a StPO ein einfachgesetzlicher ist. Dies ist sowohl bei
der Frage, ob aus einer Verletzung des Vorbehaltes ein Beweisverwertungsverbot
folgen kann, wertend mit heranzuziehen, als auch schon bei der Vorfrage,
ob wegen der Anzahl der Blutentnahmen zur Nachtzeit ein Eildienst
zwingend erforderlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wegen der
Eilbedürftigkeit ohnehin nur ein telefonischer Antrag und eine
entsprechende Entscheidung möglich sind. Eine sachliche richterliche
Kontrolle, ob die Voraussetzungen für die Anordnung gegeben sind, könnte
nur sehr eingeschränkt stattfinden. Der Sinn des Richtervorbehalts, dem
betroffenen Bürger einen möglichst effektiven Rechtsschutz im Sinne des
Art. 19 IV GG zu gewähren, ließe sich auf diesem Wege kaum
erreichen. Der mit der Einrichtung eines Eildienstes einhergehende
erhebliche personelle Aufwand - bei den knappen Ressourcen der Justiz -
stünde damit in meinem Verhältnis zu dem erreichten Erfolg hinsichtlich
des Rechtsschutzes des Bürgers vor Strafverfolgungsmaßnahmen. - Der 1.,
2. und 5. Senat haben auf Anfrage mitgeteilt, dass sie diese Ansicht
teilen. -
(1)
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Der 3.
Senat des OLG Hamm hat unlängst einen richterlichen 24-Stunden-Eildienst
für das Landgericht Bielefeld gefordert
(2),
dessen Fehlen zu einem Verwertungsverbot der Erkenntnisse aus einer
polizeilichen Anordnung bei Gefahr in Verzug führe.
Der 4. Senat rückt das von seinen Kollegen ausgelöste, Aufsehen
erregende Spektakel wieder zu Recht
(1).
Er fordert, jedenfalls wegen Eilentscheidungen im Zusammenhang mit
Blutprobenentnahmen, keinen richterlichen Eildienst zur Nachtzeit und
wendet sich ausdrücklich gegen die Ansichten seines kollegialen Senats.
Beachtlich sind die Argumente, die er verhalten bringt. Mit meinen
Worten: Der Bürger wird nicht dadurch in seinen Grundrechten geschützt,
dass er ständig das richterliche Machtwort in Anspruch nehmen kann,
sondern nur dadurch, dass der Richter den Sachverhalt auch in Ruhe
bedenken und prüfen kann. Nächtliche Eildienste können nur per Telefon
abgewickelt werden und für sie gelten die Gesetze der Stillen Post. Das
kann gut funktionieren, wenn sich die Beteiligten aus dem Berufsalltag
kennen und einschätzen können. Ein Staatsanwalt oder Richter, der von
einem beliebigen Polizeibeamten aus dem Schlaf gerissen wird und darauf
vertrauen muss, dass ihm ein sauber zusammen gefasster Sachverhalt
geschildert wird, kann viele Einzelheiten hinterfragen, jedoch nur eine
auf komprimierte Sachverhalte und Wertungen reduzierte Entscheidung
treffen.
Kurz gesagt: Nur der ausgeschlafene Richter oder Staatsanwalt kann
gerechte Entscheidungen treffen. Gerechtigkeit braucht eine gewisse
Weile und sei es, dass sie erst am nächsten Tag oder nach einer Woche
zum Zuge kommt (was sicherlich die Schmerzgrenze ist - in wirklich
kniffligen Fällen, in denen es um unmittelbare Freiheitseingriffe geht).
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Diese
Wendung finde ich beachtlich: Rechtsschutz ist nicht die übereilte,
sondern die bedachte Entscheidung.
Das Grundgesetz will Willkür und Schattenmächte vermeiden. Daran tut
es gut.
Dort jedoch, wo ganz schnelle Entscheidungen zu treffen sind (zum
Beispiel wegen
Art. 46 Abs. 2 GG), da muss der richterliche Rechtsschutz hinter der
exekutiven Anordnungsbefugnis kurzfristig zurücktreten.
Das Gegengewicht zur Willkür bilden dann die Zuständigkeits- und die
Regeln zum nachträglichen Rechtsschutz.
Damit dürften alle leben können.
Die neue
Entscheidung des OLG Hamm verdient Lob, weil sie endlich die
Justizjuristen nicht als Subsumtionsautomaten betrachtet, sondern als
Menschen mit langer Ausbildung und Verantwortungsbewusstsein, die ihre
Stärken aber nur dann ausspielen können, wenn sie wie jeder andere
Berufstätige in ihrer angepassten Berufsumgebung handeln können, eine
Infrastruktur haben und genug Zeit, um die von ihnen verlangten
Entscheidungen zu bedenken.
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