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Die beiden
zentralen Vorschriften des
Vermögensstrafrechts sind die des Betruges (
§ 263 StGB) und der Untreue (
§ 266 StGB). Beim Betrug geht es um den Schutz vor Vermögenseinbußen
durch Lug und Trug eines böswilligen Geschäftspartners und bei der
Untreue um den Schutz vor böswilligen Handlungen eines
Vermögensbetreuers. Die beiden Strafnormen unterscheiden sich in einem
ganz wesentlichen Punkt: Der Betrug kennt die Strafbarkeit des Versuchs
(
§ 263 Abs. 2 StGB), die Untreue kennt ihn nicht
(1).
Die
Begriffe des Vermögens und des Vermögensschadens sind in beiden
Strafvorschriften gleich (siehe
links, BVerfG 2009
(2)
). Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Betrachtung des
wirtschaftlichen Vermögenswertes vor und nach dem strafrechtlichen
Ereignis erforderlich. Hat sich die Summe des Vermögens dadurch
verringert, ist ein entsprechender Vermögensschaden eingetreten.
Gefordert
wird eine konkrete Vermögenseinbuße. Dabei ist das Vermögen als Ganzes
zu betrachten, wobei Aktivtausche
(5)
summenneutral bleiben. So kann durch eine Zahlung zwar das Geldguthaben
verringert sein, aber durch eine wertgleiche Forderung ausgeglichen
werden.
Forderungen unterliegen jedoch einem Realisierungsrisiko, so dass sich
besonders in den Fällen des Eingehungsbetruges
(6),
bei dem der Täter über seine Leistungsbereitschaft oder -fähigkeit
täuscht, und der Vergabe risikobehafteter Darlehn die Frage nach nach einer
Wertberichtigung (Abschreibung
(7))
stellt. Sie verringert das Vermögen in seiner Summe.
Unter dem
Begriff des Gefährdungsschadens (siehe
links) hat die Rechtsprechung auch gefährdete Vermögenswerte in den
Schadensbegriff einbezogen. Allein durch die Vermögensgefährdung wird
die Tat vollendet, obwohl sie sich erst durch ein späteres Ereignis zum
wirtschaftlichen Schaden vertieft (bei Fälligkeit ausbleibende
Zahlungen, Insolvenz usw.).
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Mit diesen
fachgerichtlichen Konstruktionen hat sich Anfang 2009 das BVerfG
auseinander gesetzt (siehe oben)
(8)
und aus verfassungsrechtlicher Sicht keinen Grund zur Beanstandung
gesehen.
Dabei ist die schadensgleiche Vermögensgefährdung nicht unproblematisch,
weil sie die konkreten Gefährdungen, die dem Vermögensstrafrecht inne
sind, in die Nähe abstrakter Gefahren rückt. Die Grenzen, die die
Rechtsprechung dazu entwickelt hat, betrachtet das BVerfG jedenfalls als
ausreichend.
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Beeinträchtigung und Verlust |
Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit |
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Beim
betrügerisch veranlassten Eingehen eines Risikogeschäfts - mit
einer nicht mehr vertragsimmanenten Verlustgefahr - ist zur
Feststellung des Schadens auf den unmittelbar mit der
Vermögensverfügung des Geschädigten ein-getretenen
Vermögensnachteil abzustellen. Allein hierauf muss sich das
voluntative Element des Vorsatzes beim Täter beziehen. Auf die
Billigung eines eventuellen Endschadens kommt es insoweit nicht
an.
(11)
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Der mit
der Vermögensverfügung unmittelbar eingetretene Vermögensschaden
ist durch das Verlustrisiko zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung
bestimmt. Dies stellt hinsichtlich des Straftatbestands einen
endgültigen Schaden dar und nicht nur eine (schadensgleiche)
Vermögensgefährdung. Die Höhe des Vermögensnachteils zum
Zeitpunkt der Verfügung ist nach wirtschaftlichen Maßstäben zu
bewerten. Ist eine genaue Feststellung zur Schadenshöhe nicht
möglich, sind hierzu Mindestfeststellungen zu treffen. Dies kann
durch Schätzung geschehen. Dem Tatrichter steht dabei ein
Beurteilungsspielraum zu. (12)
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So sieht jedenfalls der 1. Strafsenat des BGH die Gefahr
der Überdehnung des Betrugstatbestands hin zum Gefährdungsdelikt durch
Einbeziehung tatsächlich nur abstrakter Risiken in sich
(9).
Er hält den
Begriff
der konkreten Vermögensgefährdung [für] entbehrlich, weil
zwischen
Schaden (Verlust) und Gefährdung (Beeinträchtigung) ... bei
wirtschaftlicher Betrachtung kein qualitativer, sondern nur ein
quantitativer Unterschied bestehe
(10).
So gesehen muss die Vermögensgefährdung einen bezifferbaren, aber
eben nur kleinen Schaden auslösen. Er muss betriebswirtschaftlich
(sachverständig) belegt oder geschätzt werden. Damit stellt sich immer
auch die Frage nach der Geringwertigkeit (
§§ 263 Abs. 4,
266
Abs. 2, jeweils in Verbindung mit
§
248a StGB), die nicht nur nach Strafanträgen verlangt, sondern auch
besonders schwere Fälle ausschließt.
Der 3.
Strafsenat scheint sich dem anzuschließen (siehe
unten und (13))
und die schadensgleiche Vermögensgefährdung auch im Hinblick auf die Untreue
aufzugeben. Bereits einen Tag später hat auch er sich mit dem
Eingehungsbetrug auseinander gesetzt (14),
ohne auf die Frage nach der Vermögensgefährdung einzugehen:
Entgegen
der Würdigung des Oberlandesgerichts tritt in den hier vorliegenden
Fällen betrügerischer Eingehung von Lebensversicherungsverträgen der
Schaden bei den getäuschten Versicherungsunternehmen nicht erst mit
Auszahlung der jeweiligen Versicherungsleistung, sondern bereits mit
Abschluss der Versicherungsverträge ein. (15)
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Dazu führt der 3. Strafsenat aus, dass
die
Leistungswahrscheinlichkeit gegenüber dem vertraglich vereinbarten
Einstandsrisiko signifikant erhöht (16)
war, weil die Täter bereits bei den Vertragsabschlüssen von
Lebensversicherungen die Absicht verfolgten, mit gefälschten
Todesbescheinigungen die Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen.
Diese unlautere Absicht führe dazu, die Kalkulationsgrundlagen für das
Versicherungsrisiko zu unterlaufen, so dass die Einnahmen von
Versicherungsprämien kein angemessenes wirtschaftliches Verhältnis zu
den Versicherungsleistungen boten.
Im Ergebnis verlagert der BGH damit den Schadenseintritt in die
Vergangenheit, so dass Thielmann und Groß-Bölting (17)
mit einiger Berechtigung eine Verschärfung der Rechtsprechung erwarten.
Ihr Aufsatz
ist auch deshalb lesenswert, weil er sich ausgiebig mit der älteren
Rechtsprechung auseinander setzt, in der die schadensgleiche
Vermögensgefährdung entwickelt wurde.
zum
Fazit
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missverständlich und entbehrlich |
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Für die Frage vorsätzlichen Handelns bei der Untreue durch eine
pflichtwidrige Kreditvergabe gilt im Grundsatz Folgendes: (18)
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Kennt der
Täter bei einer Kreditgewährung die Pflichtwidrigkeit seines
Handelns sowie die den Minderwert des Rückzahlungsanspruchs
begründenden Umstände und weiß er, dass dieser nach allgemeinen
Bewertungsmaßstäben als minderwertig angesehen wird, mag er sie
selbst auch anders bewerten, liegt direkter Vorsatz vor (...). Rechnet er mit Umständen, die eine
Pflichtwidrigkeit seines Tuns und eine Minderwertigkeit des
Rückzahlungsanspruchs begründen, und nimmt er diese billigend in Kauf,
ist bedingter Vorsatz gegeben. In beiden Fällen spielt es keine Rolle,
wenn der Täter glaubt oder hofft, dass der Kredit letztlich dennoch
zurückgeführt werden wird (...). Die spätere Schadensentwicklung ist nur noch für die Strafzumessung von Bedeutung. (19)
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Soweit in
derartigen Fällen bisher ein Vermögensnachteil in der Form einer
"schadensgleichen Vermögensgefährdung" angenommen wurde, erscheint dies
dem Senat zumindest missverständlich. Gefährdet ist allenfalls die
Darlehensrückzahlung. Dagegen ist durch die Auszahlung des Kredites das
Vermögen des Darlehensgebers unmittelbar in Höhe des Betrages
vermindert, nicht etwa schadensgleich gefährdet. Es stellt sich
allein die Frage, ob hierdurch ein Vermögensnachteil im Sinne
des § 266 Abs. 1 StGB deshalb nicht eintritt, weil dieser
Vermögensminderung ein gleichwertiger Anspruch auf Darlehensrückzahlung oder zumindest eine
vom Kreditgeber ohne Schwierigkeiten verwertbare, die Darlehenssumme
abdeckende Sicherheit für den Fall der Nichtrückführung des Kredits als
ausgleichende Vermögensmehrung gegenübersteht.
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Fehlt es hieran, so ist - wenn eine Tilgung des Kredits überhaupt nicht
zu erwarten steht und verwertbare Sicherheiten nicht gegeben wurden -
ein Vermögensverlust in Höhe der gesamten ausgekehrten Darlehensvaluta
entstanden; andernfalls - im Falle teilweiser Werthaltigkeit
des Rückzahlungsanspruchs oder einer Sicherheit - ist der
Vermögensverlust um den entsprechenden Wert reduziert. Vor
diesem Hintergrund ist die in jüngster Zeit streitig gewordene
Frage, ob im Rahmen der §§ 263, 266 StGB der bedingte Vorsatz
hinsichtlich des Eintritts einer Vermögensgefährdung ausreicht
(...) oder ob zusätzlich zu fordern ist, dass der Täter die
konkrete Gefahr des endgültigen Vermögensverlustes sieht und
auch deren Realisierung billigt (...), für die hier in Rede stehende
Fallkonstellation ohne Bedeutung. (20)
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Fazit |
Schaden beim Skimming |
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Die Entscheidungen des 1. und 3. Senates des BGH zeigen die Tendenz, den
Begriff der schadensgleichen Vermögensgefährdung aus dem
rechtswissenschaftlichen Repertoire zu streichen. Gleichzeitig wandeln
sie auch den Schadensbegriff als solchen, indem sie bereits dem
kaufmännischen Vorsichtsprinzip (
§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) geschuldete Bewertungen, Abschreibungen und
Rückstellungen (
§ 249 Abs. 1 HGB) als handfeste Schäden begreifen. Diesen Mut hat
die Rechtsprechung in der Vergangenheit nicht aufgebracht.
Es sind aber erst zwei Senate, die diese Linie fahren. Eine ständige
Rechtsprechung kann erst noch entstehen, wenn sich dem die anderen
Senate anschließen oder der Große Senat ein Machtwort spricht (
§ 132 GVG).
Die neue
Rechtsprechung hat keine Auswirkungen auf meine rechtlichen Ausführungen
zum Skimming. Dort vertrete ich die Ansicht, dass in dem Moment, in dem
das Rechenzentrum der kartenausgebenden Bank nach dem Einsatz einer
gefälschten Zahlungskarte mit Garantiefunktion den Genehmigungscode "0"
sendet und den vom Geldautomaten geforderten Betrag - Auszahlungsbetrag
und Gebühr - gegen das bankeneigene cpd-Konto bucht, sei eine
schadensgleiche Vermögensgefährdung zulasten der Bank eingetreten (21).
Das ist bedeutsam wegen des mit dem Cashing auch verbundenen
Computerbetruges gemäß
§ 263a StGB, der mit dem Schadenseintritt vollendet wird.
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Zur Deckung für die zunächst bankinterne Buchung dient das laufende
Konto des Kunden. Mit der Forderung der Bank droht dem Kunden eine
Verringerung seines Vermögens in gleicher Höhe. Allein das reicht nach
der neuen Rechtsprechung dazu aus, einen Schaden als solchen zulasten
des Bankkunden anzunehmen.
Die heute praktizierte Schadensabwicklung, die die Bankkunden
faktisch von den Schäden freistellt und sie zwischen den beteiligten
Banken und ihren Verbünden verteilt, ist davon unabhängig, weil es sich
dabei um eine Art Versicherungssystem handelt, das den Risikoausgleich
vornimmt. Mit den ausgespähten Daten werden jedoch die betroffenen
Kunden unmittelbar angegriffen. Würde das System der Schadensabwicklung
fehlen, dann blieben ihre Vermögen vom Cashing belastet und die
Finanzwirtschaft hätte ein handfestes und existenzielles
Vertrauensproblem.
Die Schadensabwicklung führt auch nicht dazu, dass im Saldo der
Bankkunde nicht geschädigt wäre. Abzustellen ist mit dem 3. Strafsenat
des BGH auf den Zeitpunkt des Ereignisses und das ist die Genehmigung
der Auszahlung, von der an die Belastung des Kundenkontos droht, und
spätestens die Realisierung des Schadens, die im Zuge des
Clearingverfahrens mit der Buchung gegen das Konto des Kunden erfolgt.
Spätestens damit ist der handfeste Schaden beim Kunden eingetreten.
Alles Nachfolgende ist vertrauensbildende Kompensation.
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Anmerkungen |
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(1)
§ 266 Abs. 2 StGB bezieht zwar die besonders schweren Fälle des
Betruges (
§ 263 Abs. 3 StGB) mit ein, nicht aber den selbständigen
Verbrechenstatbestand des
§ 263 Abs. 5 StGB, der allein schon wegen seiner Qualifikation als
Verbrechen zur Strafbarkeit des Versuchs führt (
§ 23 Abs. 1 StGB).
(2)
BVerfG, Beschluss vom 10.03.2009 - 2 BvR 1980/07,
Leitsatz 4
(3)
ebenda
(2), Leitsatz 5
(4)
ebenda
(2), Leitsatz 6
(5)
Aktivtausch
(6)
Eingehungsbetrug
(7)
Abschreibung
(8)
(2)
(9)
BGH, Beschluss vom 18.02.2009 - 1 StR 731/08, Rn 14
(10)
ebenda
(9), Rn 12, Zitat mit Nachweis
(11)
ebenda
(9), Leitsatz 1
(12)
ebenda
(9), Leitsatz 2
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(13)
BGH, Urteil vom 13.08.2009 - 3 StR 576/08
(14)
BGH, Urteil vom 14.08.2009 - 3 StR 552/08
(15)
ebenda
(14), Rn 144.
Diesen Teil der Entscheidung hat das BVerfG als tatbestandsausweitende
Überdehnung der Strafbarkeit kassiert:
BVerfG, Beschluss vom 07.11.2011 - 2 BvR 2500/09,
1857/10, Rn 162 ff
(16)
ebenda
(14), Rn 155
(17)
Jochen Thielmann, Andrea Groß-Bölting,
Die "signifikante Erhöhung der Leistungswahrscheinlichkeit" als
Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB,
hrr-strafrecht Januar 2010
(18)
ebenda
(13), Rn 23
(19)
ebenda
(13), Rn 24
(20)
ebenda
(13), Rn 25
(21)
Kochheim, Skimming, 12/2009,
Seite 13, 14, 17
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |