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Irgendwann in der Zeit um 1905 soll in der New York
Times eine Kleinanzeige mit dem sinngemäßen Inhalt gestanden haben:
Wie werden Sie reich? Überweisen Sie 5 $ an dieses Konto ... und Sie
werden es erfahren.
Alle Einsender sollen eine Antwort bekommen haben: Machen Sie es wie
ich!
Das markiert den Beginn des Annoncenbetruges, der sich an die breite
Öffentlichkeit wendet. Ganz streng betrachtet handelte es sich dabei
noch nicht einmal um Betrug. Der Inserent war leistungsbereit und hat
sein Wissen an alle Zahler gegeben. Gleichzeitig hat er bewiesen, dass
sein Tipp funktioniert. Chapeau! |
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Ja, ist
die klare Antwort auf die Frage, die falsch gestellt ist. Angesichts der
fortschreitenden (Über-) Belastung der Strafverfolger wird jeder von
ihnen die Einführung von IKT-Spezialisten befürworten, weil er sich
davon verspricht, sich nicht selber damit belasten zu müssen und
unangenehme Verfahren abgeben zu können.
Mit mehr
Differenzierung ist danach zu fragen, ob wir "Nur-Spezialisten" für
IKT-Verfahren brauchen. Die Antwort darauf ist ein klares Jein.
Als
IKT-Straftaten bezeichne ich solche, die entweder die Informations- und
Kommunikationstechnik zum Gegenstand haben, das sind die IT-Straftaten
im engeren Sinne wie das Hacking, das Abfangen und Ausspähen von Daten
und die Computersabotage, oder die im weiteren Sinne, die die IKT als
Mittel für bekannte Kriminalitätsformen benutzen.
IKT im weitesten Sinne ist der sprichwörtliche "eBay-Betrug", bei dem
entweder der Anbieter von Waren oder Leistungen über deren Qualität lügt
oder der Bieter über seine Zahlungsbereitschaft. Geschicktere
Erscheinungsformen verwenden verdeckte Zahlungswege oder nutzen den
Identitätsdiebstahl, womit wir näher an der richtigen IKT-Kriminalität
sind.
Neue
Kriminalitätsfelder, das habe ich im Zusammenhang mit dem Skimming
erlebt, verlangen nach einer intensiven Einarbeitung. In Bezug auf die
IKT bedeutet das, sich in die technischen Hintergründe und die
rechtlichen Feinheiten einarbeiten zu müssen. Überall ist Neuland, das
aufwändig bearbeitet werden muss. Das geht nicht einfach 'mal so
nebenbei.
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 Auf die
IKT spezialisierte Polizisten und Staatsanwälte müssen damit rechnen,
mit den unangenehmen Verfahren ihrer Kollegen vollgeschmissen
zu werden. Sie werden großzügig mit Abwehrkämpfen befasst sein. Zudem
werden die meisten dieser Verfahren "Punktesachen" sein, also Vorgänge
mit vielen Einzelfällen und vergleichsweise kleinen Schäden im
Einzelfall. Sie haben Brisanz wegen ihrer Häufung und sind extrem
arbeitsaufwändig, weil jeder Furz in seinen groben Zügen aufgeklärt,
dargestellt und schließlich in der gerichtlichen Hauptverhandlung
nachgewiesen werden muss.
Die
Polizei wünscht sich für jede Erscheinungsform der Kriminalität einen
versierten, engagierten und wohlwollenden Ansprechpartner bei der
Staatsanwaltschaft. Dafür habe ich Verständnis.
Größere Staatsanwaltschaften verfügen über ausgewiesene Fachleute für
Wirtschafts-, Betäubungsmittel-, Umwelt- und diverse andere Sachen. Die
Kehrseite davon ist, dass mit der Qualifikation einzelner Sachbearbeiter
die Verdummung der anderen einhergeht.
Gefragt ist deshalb eine Organisationsstrategie, die dort, wo es
Spezialisten bedarf, diese bereitstellt und fördert, und andererseits
ein breites Allgemeinwissen fördert, so dass eben nicht jedes
weithergeholtes Spezialistenwissen auf wenige Schultern verteilt wird.
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Wir
brauchen deshalb ein gestuftes Modell.
Jeder Sachbearbeiter braucht Allgemeinwissen, das in groben Zügen
Bremswege, Alkoholeinflüsse, Geldverkehr, Gewaltwirkungen und eben auch
die Mechanismen der IKT umfasst. Nicht jeder kann Fachmann für alles
sein, aber ein Basisverständnis ist von jedem zu erwarten. Daraus folgt
zweierlei: Gesellschaftlich weit verbreitete Formen des Handelns müssen
von jedem Strafverfolger erkannt und in seinen Grundzügen bewertet
werden können. Das verlangt nach Grundbildung und die muss auch die
Justiz durch Fortbildung zur Verfügung stellen.
Andererseits: Ausfluss dieses Allgemeinwissens sind, bildhaft
gesprochen, rote Lämpchen im Hinterkopf, die den Sachbearbeiter warnen,
so dass er entscheiden kann, sich weiteres Wissen anzueignen oder
Spezialisten zu Rate zu ziehen.
Da müssen
wir hinkommen: Wir brauchen IKT-Allgemeinwissen und IKT-Spezialisten.
Die Spezialisten müssen jedoch frei vom Tagesgeschäft sein, weil sie
sich ganz besonders auch um die eigene Fortbildung, die Fortbildung
ihrer Kollegen und um die Fragen der strategischen
Kriminalitätsbekämpfung kümmern müssen. Das können sie nur, wenn sie
auch praktische Erfahrungen sammeln. Darin dürfen sie aber nicht
ertrinken.
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Wir
brauchen tatsächlich IKT-Spezialisten, die bislang in der
Strafverfolgung nicht vorgesehen sind.
Das hat wieder 'mal zwei Auswirkungen.
Solche Spezialisten gibt es bereits aus eigenem Antrieb; nennen wir
sie Hobbyoten. Sie sind selten, aber wertvoll. Daneben gibt es
sicherlich latent Interessierte, die angeschoben und gefördert werden
müssen. Wenn sie jedoch strukturelle Aufgaben wahrnehmen sollen, dann
reicht es nicht, Aufgaben zu verschieben und Stellenanteile
umzuschichten, sondern dann müssen mit politischem Willen Ressourcen für
Personal und die sachliche Ausstattung bereit gestellt werden, damit
IKT-Verantwortliche wirklich arbeiten können.
Die zweite Auswirkung ist gleichermaßen banal: Wenn das
Allgemeinwissen gefördert werden soll, dann müssen die Leute auch die
Gelegenheit haben, es sich anzueignen und zu erproben. Das fordert
weitere personelle und sachliche Ressourcen, weil dann noch weniger Zeit
für die Sowieso-Aufgabenerledigung zur Verfügung steht.
Die
Diskussion um die Spezialisierung im Zusammenhang mit der IKT führt zur
Gretchenfrage in der Ausprägung, was Staat und Gesellschaft wollen und
was sie bereit sind, dafür zu leisten. Eine IKT-Spezialisierung zum
Nulltarif wird es jedenfalls nicht geben.
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