Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Erwägung
des Landgerichts, der
Angeklagte sei als Ausländer besonders strafempfindlich. Die
Ausländereigenschaft begründet für sich alleine keine besondere
Strafempfindlichkeit; nur besondere Umstände wie
Verständigungsprobleme,
abweichende Lebensbedingungen und erschwerte familiäre Kontakte können
ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen (...). Konkrete
Feststellungen
hierzu fehlen. (1)
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10-08-34
Vielfach
wird unbedacht behauptet, Ausländer seien besonders strafempfindlich,
weil sie sprachlich und kulturell allein gelassen seien. Das führt im
Ergebnis zu einer milderen Strafe und damit zu einem Entgegenkommen
gegenüber der
Verteidigung.
Der Knastalltag sieht anders aus und mit bestimmten Muttersprachen
können sich viele Insassen sehr gut untereinander verständigen.
Nicht aus diesem Grund ist der BGH der Mär entgegen getreten,
sondern weil er im Einzelfall besondere Umstände festgestellt wissen will (1).
Recht so!
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10-08-36
Das
angegriffene Urteil spricht von 119 Einzelstrafen. Davon hebt der BGH in
der Revision 34 auf
(4).
Man würde meinen, dass das Gericht nun die Sache zur erneuten
Entscheidung an das Landgericht oder ein anderes Tatsachsengericht
zurückverweisen würde (
§ 354 Abs. 2 StPO). Immerhin haben nur zwei Drittel der
ausgeurteilten Taten Bestand gehabt.
Weit gefehlt! Die Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren lässt der BGH
bestehen und verwirft die Revision des Angeklagten. Warum?
In der Sache geht es um Serienbetrügereien im Zusammenhang mit
fingierten Aufträgen und Scheinrechnungen. In den aufgehobenen Fällen
hatte das Landgericht Tatmehrheit angenommen (
§ 53 StGB), der BGH sieht sie jedoch als Teile natürlicher
Handlungseinheiten
(5).
Er hebt nicht die tatsächlichen Feststellungen auf, sondern bewertet sie
rechtlich abweichend. Dadurch kann der Strafausspruch im Ergebnis
bestehen bleiben, weil
durch die Zusammenfassung mehrerer Taten zu jeweils einer einzigen
Tat ... sich deren Schuldgehalt nicht ändert
(6).
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Urteil bei Freispruch |
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss
der Tatrichter zunächst
in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen feststellen, die
er
für erwiesen hält, bevor er in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen
Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen -
Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so
abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatrichter
bei
der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (2). |
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10-08-35
Hohe
Anforderungen stellt der BGH an die Begründung freisprechender Urteile.
Das ist nicht neu, sondern ständige Rechtsprechung. Sie wird hier noch
einmal auf den Punkt gebracht (2).
Das Gericht verlangt nach einer schlüssigen Überzeugungsbildung des
Tatrichters und die Würdigung der festgestellten Tatsachen. Ein
einfaches "das ist ja so schwierig" oder "das ist ja alles nicht
bewiesen lässt der BGH nicht gelten.
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Zaunpfahl |
englischsprachige Gesetzestexte |
Dagegen wird
der Schuldspruch von den festgestellten Mängeln der
Entscheidung nicht berührt. Der Senat schließt aus, dass ein neues
Tatgericht - auch bei nahe liegender Einschaltung eines anderen
Sachverständigen - zu einem Ausschluss der Schuldfähigkeit des
Angeklagten
gelangen könnte. (3). |
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10-08-37
Das Gericht
zitiert einen ungenannten Sachverständigen mit den Worten, der
Angeklagte habe seine Gewaltfantasien unter einer krankhaften "schönen
Stimmung" ausgelebt. Das hält der BGH hingegen nicht für hinreichend
wissenschaftlich und legt die Beauftragung eines anderen
Sachverständigen nahe (3):
Denn dies besagt noch nichts darüber, ob er in der Tatsituation noch
uneingeschränkt in der Lage war, sein Verhalten zu steuern (Rn. 6).
Unterschieden wird dabei zwischen der Einsichtsfähigkeit, also das
Vermögen des Angeklagten, das Unrecht seines Handelns zu erkennen, und
der Steuerungsfähigkeit, also danach, ob der Angeklagte dieser Einsicht
folgen konnte. Die schlichte Tatsache einer psychischen Störung führt
nicht zur Schuldunfähigkeit (
§ 20 StGB) oder zur verminderten Schuldfähigkeit (
§ 21 StGB), wenn der Krankheitswert gering und der Betroffene im
Alltagsleben mit ihr umgehen kann.
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10-08-38
Mit einem
hilfreichen Dienst hat Juris bei
gesetze-im-internet.de begonnen, indem besonders wichtige
Gesetzeswerke auch in englischer Sprache veröffentlicht werden. Das gilt
zum Beispiel für
das
Strafgesetzbuch - StGB,
die
Strafprozessordnung - StPO,
das
Gerichtsverfassungsgesetz - GVG - und
das
Bürgerliche Gesetzbuch - BGB.
Gegenwärtig sind 16 Gesetze in englischer Sprache verfügbar:
Teilliste Übersetzungen.
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Anmerkungen |
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(1)
BGH, Urteil vom 08.07.2010 - 3 StR 151/10
(2)
BGH, Urteil vom 29.07.2010 - 4 StR 190/10, Rn. 7.
(3)
BGH, Beschluss vom 30.06.2010 - 2 StR 580/09, Rn.
9.
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(4)
BGH, Beschluss vom 03.08.2010 - 4 StR 157/10
(5)
materielle und prozessuale Tat, 13.05.2010
(6)
Rn. 8 unter Bezugnahme auf
BGH, Beschluss vom 09.03.2010 - 4 StR 592/09.
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Cyberfahnder |
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© Dieter Kochheim,
11.03.2018 |