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Man nehme
eine echte Kreditkarte und schreibe mit einem besonderen Gerät
(1)
auf deren Magnetstreifen die Daten für ein anderes Konto. Wenn man dann
mit dieser präparierten Karte im Einzelhandeln bargeldlos bezahlt, wird
das andere Konto belastet. Dabei gibt es zwei Varianten
(2):
Beim Abbuchungsauftrag wird die Bank des Karteninhabers verbindlich zur
Auszahlung angewiesen. Beim Einsatz von Zahlungskarten wird das daran
deutlich, dass zusätzlich die PIN eingegeben werden muss. Bei der
Einzugsermächtigung trägt das Risiko hingegen der Akzeptant. Dieses
Verfahren zeigt sich vor allem darin, dass der Karteninhaber anstelle
der PIN-Eingabe einen Beleg unterschreibt.
Auch die betrügerischen Formen müssen danach unterschieden werden.
Verfügt der Betrüger auch über die PIN zu dem fremden Konto, dann kann
er zugleich die Zahlungsgarantie der ausstellenden Bank (für das fremde
Konto) missbrauchen. Hat er nur die schlichten fremden Daten auf dem
Magnetstreifen, dann muss er gezielt die Akzeptanzstellen aussuchen, die
eine Einzugsermächtigung zulassen.
Kreditkarten sind immer Zahlungskarten mit Garantiefunktion im Sinne
von
§ 152b Abs. 1, 4 StGB. Darüber wird in der Rechtsprechung nicht mehr
ernsthaft diskutiert. Danach ist es strafbar, entweder das äußere
Erscheinungsbild einer Zahlungskarte zu fälschen oder allein die
maschinenlesbare Kodierung
(3).
Unser Betrüger begeht deshalb ein zunächst mit mindestens zwei Jahren
Freiheitsstrafe bedrohtes Verbrechen, wenn er die präparierte
Kreditkarte gebraucht.
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Über einen
solchen Fall hatte jetzt der BGH zu entscheiden
(4).
Am 08.09.2009 versuchte er, mit einer Mastercard Sportbekleidung zum
Preis von 490 € zu erwerben. Die verfälschte Kreditkarte wurde nicht vom
Kartenlesegerät akzeptiert (Rn 3).
Das lässt drei Möglichkeiten offen: Entweder konnte das POS-Terminal
die Karte nicht lesen, es verweigerte die Transaktion, weil irgendetwas
mit der Karte nicht stimmte, oder die Daten wurden tatsächlich an das
Rechenzentrum der kartenausstellenden Bank gesendet, das den
Genehmigungscode "0" verweigerte.
Ob die Karte also im Abbuchungs- oder im Einzugsverfahren eingesetzt
wurde, bleibt ungeklärt. Das ist aber gleichgültig, wie der BGH schon
2000 gesagt hat
(5).
Wenn die missbrauchte Karte eine Garantiefunktion birgt, dann ist es
egal, wie sie eingesetzt wird.
Hier jedenfalls hat es einen vollendeten "Gebrauch" einer
Zahlungskarte mit Garantiefunktion gegeben, wobei der beabsichtigte
Betrug ohne Erfolg blieb.
Ob es sich dabei um einen normalen Betrug nach
§ 263 StGB handelte oder um einen Computerbetrug nach
§ 263a StGB, bleibt vom Sachverhalt her offen. Bei einer Abbuchung griffe
§
263a StGB, weil hier das Rechenzentrum der kartenausgebenden Bank,
und bei einer Einzugsermächtigung
§ 263 StGB, weil der Verkäufer über die Werthaltigkeit der
verwendeten Karte getäuscht wird. Der BGH lässt das dahin gestellt sein
und sieht einen Computerbetrug.
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Am
18.01.2010 erwarb der Betrüger per Einzugsermächtigung, also mit
Unterschrift, Matratzen und Bettwäsche für 900 € mit einer verfälschten
Kreditkarte für "A" (Rn 4).
Das ist ein Gebrauch einer verfälschten Zahlungskarte mit
Garantiefunktion im Sinne von
§ 152b Abs. 1 StGB, was allein schon 2 Jahre Freiheitsstrafe im
Mindestmaß kosten kann, in Tateinheit (
§ 52 StGB) mit Betrug gegenüber dem Verkäufer (
§ 263 StGB), der auf die Werthaltigkeit der Karte vertraute, und
mit Urkundenfälschung (
§ 267 StGB), weil der Betrüger auch noch, wie man aus dem
Gesamtzusammenhang des Beschlusses schließen muss, mit einem fremden
Namen unterschrieb.
Der BGH sieht darin irrig einen Computerbetrug. Die
Vermögensverfügung betreibt aber im Einzugsverfahren der Verkäufer, weil
nur die innere Stimmigkeit der Karte elektronisch geprüft wird. Der
Einsatz der Karte am POS-Terminal beschränkt sich auf das Ergebnis des
eigenen Rechenzentrums, "scheint ok zu sein". Hinzu kommen die
Erklärungen des Betrügers - "Hier ist meine Karte, damit kann ich
bezahlen" - und seine gefälschte Unterschrift. Das ist kein
Computerbetrug.
Tags
später, am 19.01.2010, missbrauchte der Betrüger eine andere verfälschte
Kreditkarte auf demselben fremden Namen, um Geschenkgutscheine im Wert
von 1.200 € zu kaufen. Auch hierbei unterschrieb er mit dem falschen
Namen. Der Verkäufer verweigerte aber die Herausgabe, nachdem er
festgestellt hatte, dass die Daten auf der Karte nicht mit denen auf dem
Beleg überein stimmten, die vom Magnetstreifen stammten. Guter Mann!
Auch insoweit nimmt der BGH irrig einen Computerbetrug an - neben
einem Gebrauch einer verfälschten Zahlungskarte mit Garantiefunktion und
Urkundenfälschung.
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Die Frage
danach, ob es sich im Ergebnis um Betrug oder um Computerbetrug handelt,
ist ohne tiefere Bedeutung. Die Tatbestände sind einander äußerst
ähnlich, was die Voraussetzung und die Rechtsfolgen anbelangt. Auch der
BGH ist nicht unfehlbar, muss sich der fachlichen Kritik stellen und ist
lernfähig, wie er zweifellos gezeigt hat.
Andere
Aspekte des Beschlusses gilt es hervorzuheben:
Noch nie hat sich der BGH über das Autorisierungsverfahren im
Zusammenhang mit dem bargeldlosen Zahlungssystem ausgelassen. Alle seine
Entscheidungen in den letzten 2 Jahren setzen wortlos voraus, dass
Kredit- und Debitkarten Zahlungskarten mit Garantiefunktion sind.
Das gewerbsmäßige Handeln des Betrügers ist dem BGH nur wenige Worte
wert, obwohl der kriminelle Gewinn für seinen Lebensunterhalt lange
nicht ausreicht:
Der Angeklagte beabsichtigte, sich durch seine Einkäufe über einen
längeren Zeitraum eine Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu
verschaffen. Von einem Hintermann sollte er für jeden getätigten Einkauf
als Entlohnung 100 € erhalten. (Rn 6)
Die Tateinheit beim Cashing zwischen dem Gebrauch einer falschen oder
verfälschten Zahlungskarte mit Garantiefunktion einerseits und dem
Betrug oder dem Computerbetrug andererseits steht außer Frage. Das hat
nicht nur für das Skimming eine besondere Bedeutung, weil die finale
Tatvollendung verschiedener Tatformen im Ausland erfolgt und sich die
inländische Strafverfolgungsbefugnis nach dem Erfolgsort bestimmt, also
danach, wo der Schaden eintritt.
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Mit zwei
Einzelentscheidungen macht der besprochene Beschluss Rechtspolitik:
Er hebt die angefochtene Entscheidung vor allem deshalb auf, weil sie
die Taten vom 18. und 19.01.2010 als zwei Taten im materiellem Sinne
betrachtet (
§ 53 StGB). Dagegen setzt der BGH, dass beide missbrauchten
Kreditkarten auf demselben fremden Namen lauteten und dass die
Handlungen zeitlich eng aufeinander folgten. Entgegen dem Grundsatz,
dass dem Täter nicht ohne Not materiellrechtliche Privilegien zugute
kommen dürfen
(6),
schließt der BGH aus diesen Anhaltspunkten in der neuen Entscheidung
(unwiderlegbar), dass beide Karten gleichzeitig erworben wurden und
deshalb eine rechtliche Bewertungseinheit bestehe, wonach zwischen
beiden Handlungen Tateinheit bestehe (
§ 52 StGB). Das ist keineswegs zwingend, wenn die Taten von einem
Hintermann dirigiert werden, der mehr oder weniger die Tatherrschaft
ausübt. Meiner Erfahrung jedenfalls nach übergibt der Hintermann
(meistens) die Tatmittel nur vorübergehend den ausführenden Tätern. Eine
zwingende Erfahrung, wie sie der BGH unüberprüfbar formuliert, gibt es
jedenfalls nicht.
Schon seit
zehn Jahren verlangt der BGH im Zusammenhang mit wenigen
Missbrauchsfällen die Prüfung, ob es sich um einen minder schweren Fall
handelt
(7).
So auch hier. Der neue Beschluss gibt dem erkennenden Gericht mit auf
den Weg, einen minder schweren Fall zu prüfen, was - unter den
Voraussetzungen der zweifellos bestätigten Gewerbsmäßigkeit - zu einem
Strafrahmen von 1 Jahr bis 10 Jahren Freiheitsstrafe führt.
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Der BGH
zeigt keine Zurückhaltung, wenn es um das Carding geht. Keiner seiner
Senate stellt die gesetzgeberische Entscheidung in Frage, die
Verfälschung einer einzelnen Zahlungskarte mit Garantiefunktion unter
den Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit als ein Verbrechen mit einer
Mindeststrafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe zu betrachten. Das gilt
gleichermaßen für den Kreditkartenbetrug, wobei verfälschte
Zahlungskarten beim Wareneinkauf eingesetzt werden, wie auch beim
Skimming - genauer: Cashing - wenn gefälschte Zahlungskarten mit
Garantiefunktion gebraucht werden.
Dabei sind die Kreditkartenbetrüger die Prolls. Sie müssen sich als
Trickbetrüger offen präsentieren und laufen Gefahr, abgelehnt und
schnell enttarnt zu werden. Die Casher beim Skimming arbeiten hingegen
völlig anonym und müssen nur befürchten, bei ihrer Operation weggefangen
zu werden. Digitale Spuren über ihre Identität hinterlassen sie nicht.
Mehrfach
mahnt der BGH hingegen, den minder schweren Fall zu prüfen. Dazu besteht
angesichts einer Mindeststrafe von 2 Jahren Freiheitsstrafe (bei
Gewerbsmäßigkeit) durchaus Anlass, zumal auch der minder schwere Fall
Freiheitsstrafen von mindestens 3 Monaten im einfachen Fall und von 1
Jahr bei gewerbsmäßiger Begehung verlangen - als Untergrenze für die
harmlosesten Fälle, die denkbar sind.
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