Cybercrime | Ermittlungen | TK & Internet | Literatur | intern | Impressum |
Dezember 2010 |
|
|
|||||||
Klammerwirkung bei Dauerdelikten |
|
Soweit man das dem BGH-Entschluss entnehmen kann, ist eine Frau eingesperrt (Freiheitsberaubung, § 239 StGB) und während dessen mindestens zweimal mit einem Butterfly-Messer verletzt (gefährliche Körperverletzung, § 224 Abs. 1 StGB) und einmal vergewaltigt worden ( § 177 Abs. 2 StGB). Nach § 52 StGB bilden die Verstöße gegen verschiedene Gesetze dann eine deliktische Einheit, wenn sie durch dieselbe Handlung oder jedenfalls in einem ganz engen räumlich-zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Das steht zum Beispiel außer Frage, wenn ein angetrunkener Autofahrer einen Unfall verursacht (Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c Abs. 1 Nr. 1 StGB) und dadurch einen Menschen verletzt (fahrlässige Körperverletzung, § 229 StGB). Die Vollendung beider Taten fällt zeitlich zusammen oder steht in einem engen zeitlichen Zusammenhang. Probleme bereiten die Dauerdelikte, die sich über lange Zeit erstrecken. Hier ist das die Freiheitsberaubung, die vom Täter zur Körperverletzung und zur Vergewaltigung ausgenutzt wird.
Die Freiheitsberaubung ist ein Vergehen (
§ 12 Abs. 2 StGB) und hat einen Strafrahmen, der mit Geldstrafe
beginnt und seine oberste Grenze bei 5 Jahren Freiheitsstrafe hat). Die
Vergewaltigung ist ein selbständiges Verbrechen mit einer Mindeststrafe
von 2 Jahren Freiheitsstrafe und einer Höchststrafe von 15 Jahren
Freiheitsstrafe (
§ 38 Abs. 2 StGB). Mit einer merkwürdig bildhaften Begründung hat
der BGH immer wieder ausgeführt, dass das schwach bestrafte Vergehen
nicht die "Kraft" habe, das erheblich schwerer bestrafte Verbrechen zu
einer einheitlichen Tat zu verklammern. |
Viel einfacher und sachgerechter wäre es, wenn der BGH diesen Klammer-Mist bei Dauerdelikten ganz aufgeben oder wenigstens klar strukturieren würde. Meine Vorschläge sind: Ein Dauerdelikt kann nur dann mit anderen Delikten eine Tateinheit bilden, wenn beide auf demselben Tatentschluss beruhen. Das gilt auch für verschiedene Dauerdelikte. Ein Vergehen kann als Dauerdelikt gegenüber einem Verbrechen oder einem Vergehen, das mit einer höheren Mindeststrafe droht, keine Klammerwirkung entfalten. Die knappen, abstrakten und oberflächlich wirkenden Ausführungen des BGH fördern ein grundsätzliches Problem bei der Auseinandersetzung mit seiner Rechtsprechung zu Tage: Ohne weitere Kenntnisse über den entschiedenen Fall lassen sie sich nicht nachvollziehen und schon gar nicht würdigen. Der Rezensent kämpft mit denselben Problemen wie das Revisionsgericht, wenn es Bewertungsmängel des Tatgerichts ohne eigene Tatsachenkompetenz zu erkennen und aufzuklären versucht. Das Fatale ist nur, dass nicht zuletzt durch die fast lückenlose Veröffentlichung der BGH-Entscheidungen jede seiner Beurteilungen, die stark am Einzelfall orientiert sind, eine allgemeine Bedeutung entfalten, die ihnen tatsächlich nicht zukommt.
Das gilt besonders für den hier angesprochenen Beschluss, bei dem man am
Ende wirklich nicht weiß, was der BGH tatsächlich geregelt und
positioniert hat. Er muss ganz vorsichtig in der Zukunft diskutiert
werden und eignet sich kaum für eine klare Positionsbestimmung und
Ausrichtung. |
|
Anmerkungen | |||
|
|||
Cyberfahnder | |||
© Dieter Kochheim, 11.03.2018 |