Unter diesen Umständen überschreitet die Breite der
Darstellung das Maß an Aufwand, welches vom Tatgericht vernünftigerweise
bei der Urteilsabfassung aufzuwenden ist (...). Weder war die Wiedergabe
sämtlicher Einzelheiten aller Einlassungen der Beschuldigten veranlasst
noch gar die erneute Wiederholung des gesamten Sachverhalts im Rahmen
der rechtlichen Würdigung.
Die schriftlichen Urteilsgründe dienen nicht dazu, den Gang der
Ermittlungen oder der Hauptverhandlung lückenlos nachzuerzählen. Durch
ausufernde Referate darf eine eigenverantwortliche Würdigung der Beweise,
insbesondere auch von Sachverständigengutachten, durch das Gericht nicht
ersetzt werden. Die Wiedergabe eines Übermaßes an - hier zum Teil vom
Tatgericht selbst als unerheblich bezeichneter - Einzelheiten birgt
vielmehr sogar die Gefahr, dass Wesentliches übersehen wird, und sie
erschwert die Überprüfung des Urteils auf Rechtsfehler durch das
Revisionsgericht. Die Gerichte sind gehalten, die knappen Ressourcen an
Arbeitskraft rationell einzusetzen. Dem wird das vorliegende Urteil
nicht gerecht.
(1) |
<Rn 44>
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass eine "Wiedergabe
zum Zwecke der Zitierung" - ebenso wie eine Nutzung zum Zweck des Zitats
nach
§ 51 UrhG - jedenfalls voraussetzt, dass die Wiedergabe des
Musters als Belegstelle oder
Erörterungsgrundlage für eigene
Ausführungen des Zitierenden dient und daher erfordert, dass eine innere
Verbindung zwischen dem wiedergegebenen Muster und eigenen Gedanken des
Zitierenden hergestellt wird.
<Rn 46>
Ein Zitat ist nach
§ 51 UrhG nur zulässig, wenn eine innere Verbindung
zwischen dem verwendeten fremden Werk und eigenen Gedanken des
Zitierenden hergestellt wird und das Zitat als Belegstelle oder
Erörterungsgrundlage für selbständige Ausführungen des Zitierenden dient
(
BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 - I ZR 42/05, ...;
BGHZ 185, 291 Rn. 26 - Vorschaubilder;
BGH, GRUR 2011, 415 Rn. 22 - Kunstausstellung im Online-Archiv).
Dementsprechend setzt auch die Zulässigkeit einer Zitierung im Sinne des
§ 40 Nr. 3 GeschmMG eine innere Verbindung zwischen dem
wiedergegebenen Muster und eigenen Gedanken des Zitierenden voraus und
muss die Wiedergabe des Musters als Belegstelle oder
Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen des Zitierenden dienen
(...).
(6) |
|
Der BGH
wendet sich immer wieder gegen
ausufernde Urteilsgründe und das vor allem
dann, wenn die Ausführungen keine klare Linie haben und deshalb die Gefahr
besteht, dass wesentliche Probleme und Würdigungen übersehen werden
(1) [Kasten
links].
(1)
BGH, Beschluss vom 06.07.2011 - 2 StR 75/11 (ganz
am Ende)
Das Gericht muss nicht jeden Unsinn glauben
15.10.2011
Das kann
man so stehen lassen
(2):
Die bloße Berufung eines Angeklagten auf
einen derartigen Irrtum nötigt das Tatgericht nicht, einen solchen
Irrtum als gegeben anzunehmen. Es bedarf vielmehr einer Gesamtwürdigung
aller Umstände, die für das Vorstellungsbild des Angeklagten von
Bedeutung waren. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch
sonst geboten, zu Gunsten eines Angeklagten Umstände oder
Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen - außer der
bloßen Behauptung des Angeklagten - keine Anhaltspunkte bestehen (vgl.
BGH, Urteil vom 18. August 2009 - 1 StR 107/09,
...).
(2)
BGH, Urteil vom 08.09.2011 - 1 StR 38/11, Rn 25
Schadenersatz wegen Aussageerpressung
20.10.2011
Das
Landgericht Frankfurt am Main hat im August 2011 dem wegen Mordes
verurteilten Magnus Gäfgen ein Schmerzengeld wegen der im Rahmen seiner
polizeilichen Vernehmung erlittenen Bedrohungen
(3).
Die in der Höhe des Anspruches zum Ausdruck kommende Genugtuungsfunktion
wird durch verschiedene Umstände begrenzt, so auch von der Verurteilung
des Klägers wegen Mordes und die Motive Polizeibeamten, die eine Aussage
zum Aufenthalt des (schon verstorbenen) Opfers erpressen wollten
(4).
(3)
Fall Daschner:
verbotene Methoden, 20.04.2008, mit weiteren (lesenswerten)
Nachweisen.
(4)
LG Frankfurt a.M., Urteil vom 04.08.2011 - 2-04 O
521/05
Zulässige Links
15./16.10.2011
Das LG
Braunschweig hat die vom BGH zum Urheberrecht entwickelten Grundsätze
für zulässige Zitate
(3)
jetzt auch auf die Persönlichkeitsrechte übertragen
(4).
Ein Zitat auch auf rechtswidrige Inhalte ist jedenfalls dann zulässig,
wenn ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht
und wenn sich der Autor die rechtswidrige Quelle nicht zu eigen macht
(5).
Das ist kein Freibrief, weil ein Zitat immer auch voraussetzt, dass sich
der Autor mit der verlinkten Quelle ernsthaft auseinander setzt. Das
Zitatrecht führt also nicht dazu, fremde Quellen kommentarlos zugänglich
machen zu dürfen. Das ist eine sehr vernünftige Rechtsprechung, deren
Grundsätze der BGH jetzt auch auf die fremde Verwendung sogenannter
Geschmacksmuster übertragen hat
(6).
Ein angemeldetes Geschmacksmuster ist sozusagen ein Patent auf Design.
(3)
Zitat
und Vorschaubild, 08.08.2010
(4)
LG Braunschweig, Urteil vom 05.10.2011 - 9 O 1956/11,
S. 8
(5)
Siehe auch:
Gericht: Links zu potenziell rechtswidrigen Inhalten zulässig, Heise
online 14.10.2011
(6)
BGH, Urteil vom 07.04.2011 - I ZR 56/09
Billige Abmahnung
16.10.2011
Das OLG
Köln könnte dem Geschäft mit den Abmahnungen einen schweren Riegel
vorschieben. Im Zusammenhang mit einer Abmahnung gegen den Download beim
Filesharing hat es jetzt Bedenken gegen die Berechnungsgrundlage für den
fälligen Schadenersatz angemeldet. Nicht pauschal 100 € für bis zu
10.000 Abspielungen von Musiktiteln könnten angemessen sein, sondern nur
0,1278 € je nachgewiesenen fremden Download. Die Betonung liegt auf "nachgewiesen".
Bislang wird die Schadenersatzpflicht aus der Tatsache hergeleitet, dass
eine urheberrechtlich geschützte Datei heruntergeladen werden könnte und
nicht etwa aus dem Nachweis, dass sie heruntergeladen wurde.
Gericht stellt Berechnungsgrundlage für Schadenersatz bei
Filesharing-Abmahnungen in Frage, Heise online 11.010.2011
OLG
Köln, Beschluss o.D. (vor dem 10.10.2011) - 6 U 67/11
09.10.2011
Derweil stellt sich die Frage, wieviel Unfug ein Fachautor in drei Absätzen unterbringen kann.
Nahezu 100 % lehrt:
Klaus Malek, Strafsachen
im Internet, C.F.Müller.
Niederschwellige verdeckte Ermittlungen im Internet bewirken keinen
Grundrechtseingriff, sagt das BVerfG. Das reicht bis hin zum Einsatz
eines NoeP mit einem umgrenzten Ermittlungsauftrag (Scheingeschäft,
Identifikation, Zugriff).
Auch
§ 161 Abs. 1 StPO rechtfertigt oberflächliche Grundrechtseingriffe,
zumal im Internet, wo kein Beteiligter darauf vertrauen kann, dass die
Identität seines Kommunikationspartners die ist, die dieser vorgibt.
Schon der gewohnheitsmäßige Betrug ist im
Tatbestandskatalog des
§ 110a Abs. 1 StPO genannt. Er ist auf die "erhebliche Kriminalität"
ausgerichtet und umfasst auch alle Verbrechen.
Nicht die Legende macht den Verdeckten Ermittler
zum einem solchen, sondern die Tatsache, dass er sich nicht als
Polizeibeamter offenbaren muss, unter einer Legende agieren darf und das
sogar im Rechtsverkehr.
Die Behauptung, für verdeckte Ermittlungen fehle
es an einer Rechtsgrundlage, ist ... falsch.
Weitere
Einzelheiten:
Dieter Kochheim, Verdeckte Ermittlungen im Internet,
27.07.2011
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