Die erste
Entscheidung zeigt eine berechtigte Härte gegenüber Leuten, die zur
Selbstjustiz neigen. Die andere Entscheidung des BGH legt die Grundlagen
für das Schadensrecht beim betrügerisch erlangten Bankkredit und sagt
vor Allem, was man dabei falsch machen kann. Richtig hilfreich ist sie
nicht.
Mehrere
ungehaltene Mitmenschen fühlen sich von einem Rüpel schlecht behandelt
und fordern von ihm 80.000 € Schmerzensgeld und Schadensersatz. Um ihrer
Forderung Nachdruck zu verschaffen, schlagen sie ihn ein bisschen, so
dass er Hömatome und eine Verletzung am Mittelfinger erleidet. Außerdem
bricht ihm die Krone eines Schneidezahns heraus.
Das Landgericht Frankfurt am Main sah einen
Ausgleichsanspruch der Schläger als nicht abwegig an und verurteilte sie
deshalb verhalten wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung (
§§ 223,
224,
240
StGB). Der BGH sieht das anders und darin eine versuchte räuberische
Erpressung (
§ 255 StGB):
Die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein
normatives Tatbestandsmerkmal des
§ 253 StGB, auf das sich der - zumindest bedingte - Vorsatz
des Täters erstrecken muss. Stellt dieser sich für die erstrebte
Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage
vor, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum i.S.v.
§ 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (...). Jedoch genügt es für den
Erpressungsvorsatz, wenn der Täter es für möglich hält und billigend in
Kauf nimmt, dass die Forderung nicht oder nicht im Umfang des
Nötigungsziels besteht oder aber von der Rechtsordnung nicht geschützt
ist. Nur wenn der Täter klare Vorstellungen über Grund und Höhe des
geltend gemachten Anspruchs hat, fehlt es ihm an dem Bewusstsein einer
rechtswidrigen Bereicherung (
BGH NStZ-RR 1999 ...).
BGH, Urteil vom 14.03.2012 - 2 StR 547/11, Rn 10
Zum Schaden
bei einem betrügerisch erlangten Darlehn sagt der BGH jetzt:
Unter
Beachtung des – nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangenen –
Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Dezember 2011
(...) bedarf es im Falle der Annahme eines Eingehungsbetrugs einer
ausreichenden Beschreibung und Bezifferung der täuschungsbedingten
Vermögensschäden. Da speziell beim Eingehungsbetrug die Schadenshöhe
entscheidend von der Wahrscheinlichkeit und vom Risiko eines zukünftigen
Verlusts abhängt, setzt die Bestimmung eines Mindestschadens voraus,
dass die Verlustwahrscheinlichkeit tragfähig eingeschätzt wird (BVerfG
aaO ...). Hierbei können die banküblichen Bewertungsansätze für
Wertberichtigungen Anwendung finden (vgl.
§ 253 Abs. 4;
§ 340f HGB). Denn ist aufgrund der fehlenden Bonität des
Schuldners und nicht ausreichender Sicherheiten konkret erkennbar, dass
mit einem teilweisen Forderungsausfall zu rechnen ist, müssen
entsprechende bilanzielle Korrekturen vorgenommen werden, die ihrerseits
– ungeachtet der praktischen Schwierigkeiten ihrer Ermittlung – auch im
Rahmen der Schadensberechnung zugrunde gelegt werden können (vgl. auch
BVerfGE 126, 170, 226 ff.). <Rn 7>
Der im
Sinne des
§ 263 StGB relevante Vermögensschaden liegt deshalb bei
diesen Fallgestaltungen immer in der Bewertung des täuschungsbedingten
Risikoungleichgewichts (
BGH, Beschluss vom 27. März 2003 – 5 StR 508/02 ...; vgl.
auch
BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006 – 5 StR 181/06,
BGHSt 51, 165, 174 f.). Für dessen Berechnung ist
maßgeblich, ob und in welchem Umfang die das Darlehen ausreichende Bank
ein höheres Ausfallrisiko trifft, als es bestanden hätte, wenn die
risikobestimmenden Faktoren zutreffend gewesen wären. Dann verschiebt
sich zu ihren Lasten der synallagmatische Zusammenhang. So hätte die
kreditgewährende Bank in Kenntnis dieser Umstände die von ihr verlangte
Gegenleistung, die Zinshöhe des Darlehens, entsprechend angepasst oder
weitergehende Sicherheiten verlangt. <Rn 8>
Die Schadensfeststellung hätte deshalb – naheliegend mit
sachverständiger Beratung – bei einem solchen Sachverhalt in einem
Vergleich und einer bilanziellen Bewertung der von der Bank zugrunde
gelegten Vertragsgestaltung – im Gegensatz zu der tatsächlich
durchgeführten – bestehen müssen. Die Verlustwahrscheinlichkeiten dürfen
allerdings nicht so diffus sein oder sich in so geringen Bereichen
bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich ungewiss
bleibt ... <Rn 9>
BGH, Beschluss vom 13.04.2012 - 5 StR 442/11
Was
lehrt uns das? Der Schaden der Bank besteht jedenfalls nicht in der
Kreditsumme als solche, sondern in der
Wahrscheinlichkeit und ... Risiko eines zukünftigen Verlusts. Klar
ist auch, dass ein vollständig durch Sicherheiten abgesicherter Kredit
zu keinem Schaden führt, auch wenn er ertrogen wurde. Allein die
kaufmännische Risikobewertung und Vorsorge soll ausschlaggebend sein. Um
sie zu ermitteln bedarf es tatsächlich eines Betriebswirts als Fachmann.
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